Sonntag, 31. August 2008

Schwarz auf Weiß: Mindstar

Sommerloch und saure Gurkenzeit. Nicht nur in der Medienlandschaft, sondern derzeit auch in meinen Bedürfnis, meine Zeit spielend vor dem Rechner zu verbringen, bzw. den DS aufzuklappen, obwohl ich seit kurzem das FF4-Remake mein Eigen nenne. Stattdessen stecke ich meine Nase in ein paar Bücher. Einige neue und etliche alte, die ich noch nicht gelesen habe oder von denen ich wieder soviel vergessen habe, dass sie mir wie (fast) neu vorkommen.

Als da wären zB. die Mindstar-Romane von Peter F. Hamilton. Idealer Lesestoff, wenn man nicht viel denken möchte, sondern ein paar vergnügliche Stunden im Schatten eines großen Baumes verbringen will, neben sich ein Krug gut gekühltem Bier und eine freundliche, sehr charmante Teilzeit-Kraft in Rufweite. Da stört es auch nicht so, wenn Hamilton seine Charaktere ein wenig "flach" anlegt und man mitunter den Eindruck hat, dass er, was den Helden betrifft, vor allem seine eigenen Jugendphantasien auslebt, weil sie (!) dann auch gerne flachgelegt werden. Ein cooler, tougher Ex-Soldat, dem man einst eine Drüse ins Hirn gepflanzt hat, welche es ihm ermöglicht Emotionen nicht nur zu lesen, sondern sie auch im Extremfall zu manipulieren. Logischerweise hat die wohlproportionierte Blondine, die kurz darauf die Handlung betritt, auch nicht Hauch einer Chance auf Gegenwehr, so dass heftig die Kolben auf- und niederstampfen und Schnellzüge, wild das Horn betätigend, in dunkle Tunnel einfahren. Hätte sich Hamilton nicht eines Tages dafür entschieden Science Fiction zu schreiben, er hätte sein Auskommen auch mit erotischer Literatur verdienen können.

Abgesehen jedoch von diversen Klischee-Figuren und dezent aufgesetzt wirkenden Sexszenen, zeichnet sich Hamiltons Schreibe aber durch einen flotten Stil, die Liebe zu Details und einer gehörigen Portion Spanung aus. Sprich, die ideale Unterhaltungslektüre. Und wenn er Greg Mandel, einen ehem. Angehörigen der Mindstar-Brigade durch ein England und eine Welt schickt, die sich so gerade von den Folgen einer deftigen Klimaerwärmung aufrappelt, er seine Helden in Auseinandersetzungen zwischen alten und neuen Mega-Konzernen geraten lässt und dabei technische und soziologische Vorraussagen macht, die sehr glaubhaft, in sich logisch und überzeugend wirken, so entschädigt dies für so manch anderes Ungemach in seinen Werken. Solide Unterhaltungsliteratur für die Momente, wenn man draussen im Schatten eines großen Baumes sitzt, neben sich ein kühles Bier und in Rufweite ... hmmm, warum habe ich jetzt keine solche Drüse ... menno!

Hier übrigens das Cover des dritten und letzten Mindstar-Romanes. Der auch nicht ganz zufällig der beste dieser Trilogie ist, weil Hamilton sich im Laufe der Zeit literarisch spürbar weiter entwickelt hat. Die Charaktere bekommen allmählich Ecken und Kanten. Nicht nur, dass sie im Laufe der Serienhandlung rein chronologisch älter werden, Hamilton gelingt es erstmal auch glaubhaft zu schildern, dass sie tatsächlich älter geworden sind. Action und Sex und Spannung und Geheimpläne und ultramoderne Technologie gibt es natürlich wieder zu Haufe, aber nicht ohne Grund hat "Die Nano-Blume" die höchst Seitenanzahl aller Mindstar-Bücher. Hamilton nimmt sich endlich ein wenig Zeit für die Charaktere, mit denen er seine Handlung bestückt. Nein, immer noch keine Hochliteratur :) , aber sehr gute, sehr empfehlenswerte Science Fiction.



Und wer nach den Mindstar-Romanen gefallen an Hamiltons Stil und vor allem an seinem Einfallsreichtum und seiner Detailversessenheit gefunden hat, dem lege ich ausdrücklich die "Armageddon"-Serie (im Englischen "Night's Dawn") ans Herz. Die Seelen der Toten kehren zurück, während sich menschliche Kulturen vielerlei Gestalt und Ausprägung weit über die Galaxis ausgebreitet haben.

Und wer nach Mindstar der Meinung war, dass Hamilton ein ultrakonservativer Verfechter des Kapitalismus sei und Kommunismus für ihn schlimmer als der Tod ist, der hat a) die Mindstar-Romane nicht richtig gelesen und b) erst recht nicht die Armaggeddon-Bücher gelesen, deren Finale man im Grunde auch als zwangsbeglückende, sozialistische Gleichmacherei interpretieren könnte, wenn man alles nur durch die Brille einer bestimmten Ideologie und Weltanschauung betrachten möchte.