Sonntag, 3. August 2008

Ins Schwarze (Auge) getroffen

Ganz knapp und ohne viel Worte: Das war ein Volltreffer!

Mag es technisch nicht perfekt und ausgereift sein, mag es in Punkto Steuerung und Kameraführung nicht gerade gut gelungen sein und mag es für Otto-Normal-Spieler ohne Wissen über die DSA-Regeln teilweise auch zu komplex und undurchsichtig sein ... Drakensang ist ein DSA-Rollenspiel, wie ein DSA-Rollenspiel sein muss.

Da fallen Worte und Begriffe, die ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe.

Da wird mir eine Welt präsentiert, die so starke Erinnerungen an meine Pen&Paper-Frühzeiten weckt, dass ich an allen Ecken und Enden ein kleines Dejavu-Erlebnis habe. Ich habe das Gefühl, dass ich dort zu Hause bin. Ich kenne diese Gegend. Ich bin kein deutscher Bürger des beginnenden 21. Jahrhunderts, der vor einem Bildschirm sitzt und einen Avatar durch eine virtuelle 3D-Umgebung steuert. Nein, ich bin Goswin aus Hallingen, der einen alten Freund in Ferdok aufsuchen möchte.

Natürlich könnte man die technische Seite des Spieles besser umsetzen. Natürlich könnte man für all die DSA-Unkundigen ein besseres Tutorial einbauen (sogar ich habe hin und wieder in das beigelegte PDF-Regelbuch schauen müssen, weil ich doch so einges an Regeldetails vergessen hatte) und natürlich könnte man die Steuerung an den Standards ausrichten, die durch ein WoW, Neverwinter Nights oder KotoR etabliert wurden. Ja, das alles könnte man machen. Wäre aber nur das Tüpfelchen auf dem I, das Sahnehäubchen, das Milchschaummuster auf dem Espresso. Die berühmten letzten 2-3% Politur, die aber am meisten Arbeit verursachen und ein sehr gutes Spiel von einem hervorragenden Spiel unterscheiden.

Drakensang ist nämlich ein sehr gutes Spiel. Nicht perfekt, "nur" sehr gut. Erstaunlich vor allem auf Grund des Umstandes, dass ich es hier in der Releasefassung vorliegen habe, die vor allem bei Spielen deutscher Entwicklern sich oft genug durch einen bemitleidenswert niedrigen Qualitätsstand auszeichnet.

Kein Vergleich zu den Qualen, die ich bei den Spielen der Gothic-Reihe durchleiden musste. Kein Vergleich zu dem Code-Dreck eines Spellforce. Kein Vergleich zu der Katastrophe, die ein Sacred war. Drakensang kauft man, installiert man und spielt man. Einfach so. Nein, nicht perfekt bei jedem, aber gut genug. Ohne, je nach Veranlagung, einen Herzinfarkt zu bekommen oder in hysterisches Gelächter auszubrechen, ob des miserablen Programmzustandes, für den Entwickler und Publisher auch noch Geld verlangen.

Drakensang ist ein rundes Ding! Ich rate jedem, aber auch wirklich JEDEM gottverdammten Oldschool-Rollenspieler (und allen anderen, die wissen wollen, was denn an diesen komischen Oldschool-Rollenspielen so toll sein soll) sich eingehend mit Drakensang zu beschäftigen. Ja, es gibt leider keine Demo. Ich habe es mir auch vorher aus dem Netz gezogen ... nur, um nach kurzer Anspielzeit schnurstracks in den Laden zu rennen. Nein, das bedeutet jetzt nicht, dass man Drakensang blind kaufen soll. Das bedeutet nur, dass die Wahrscheinlichkeit, bei diesem Titel geflagshipped zu werden, relativ gering ist :)

Und wer weiß? Wenn Drakensang ein kommerzieller Erfolg wird (was sich angesichts diverser Ausverkäufe und einer derzeitigen Nummer 1 in den Amazon-Charts andeutet), vielleicht bekommen wir dann mehr von diesen Spielen, deren Oldschooligkeit sich nicht unbedingt im Verwenden komischer Namen und eines bestimmten Kampfsystemes ausdrückt, sondern die Oldschool sind, weil sie den Spieler in eine überzeugende, stimmungsvolle und detaillierte Welt ziehen, anstatt ihm nur leicht bekömmliche Ex- und Hopp-Unterhaltung für wenige Minuten um den Verstand zu blasen.

Und bevor ich mich noch zu Sätzen hinreissen lasse, in denen ich Drakensang zu einer Wiedergeburt des Rollenspiel-Genres hochstilisiere ... ziehe ich doch lieber als Goswin aus Hallingen durch eine fremde und doch so vertraute Welt.


Ja, Goswin ist immer etwas mürrisch. Aber er ist sonst ein herzensguter Kerl :)

PS: Drakensang läuft hier auf einem Athlon XP 3000, 2.5 GB RAM, NVidia 7800 GS, Windows XP SP3 auf 1280x800 und hohen Details sehr gut. Wobei ich aber (wie Terrance) kaum einen Unterschied zur mittleren Detailstufe sehe und das Spiel so natürlich noch einen Tick flüssiger über den Bildschirm flutscht. Drakensang hat keine Möglichkeit, zB. AA und AF einzustellen und ignoriert auch die üblichen Treiber-Manipulationen, die ATI und NVidia von Haus aus ermöglichen. Hier müssen externe Tools verwendet werden.

PPS: Hier zwei Screenshots. Der linke stellt die mittlere Detailstufe dar, der rechte die hohe Detailstufe.


     Mittel                                                              Hoch

Erm ... also, ich sehe hier nicht nur kaum einen Unterschied, sondern GAR KEINEN Unterschied. Dafür läuft das Spiel auf Mittel bedeutend flüssiger. Komisch ...