Samstag, 23. August 2008

Unterschiede ... und doch wieder nicht

Der eine oder andere mag es mitbekommen haben, dass derzeit in Leipzig die Games Covention stattfindet.

Auch mag es der eine oder andere mitbekommen haben, dass es begleitend zur Games Convention eine Austellung zum Thema "30 Jahre Space Invaders" gibt.

Teil dieser Ausstellung ist u.a. eine Installation des franz.-amerikanischen Künstlers Douglas Edric Stanley.


Space Invaders und 9/11-Twin Towers

Die Reaktionen auf diese Installation waren fast vorherzusehen und zB. wunderschön in den Kommentaren der entsprechenden Artikel auf Kotaku.com nachzulesen. Viele verstehen die Intention des Künstlers nicht, werfen ihm im positivsten Falle nur ein Gieren nach Aufmerksamkeit vor. Viele reagieren mit Ablehnung und Unverständnis über diese in ihren Augen ekelhafte Geschmacklosigkeit und manche reagieren auch mit blankem Hass und unverhohlener Aggression gegenüber Leib und Leben des Künstlers. Was unter anderem daran liegt, dass Kotaku.com mehrheitlich von US-Amerikanern besucht wird.

Mittlerweile hat Stanley die Installation zurückgezogen, dem immensen Druck (neben Copyright-Klagen von Taito seiner Aussage nach unter anderem auch Morddrohungen) nachgegeben.

Doch bevor man sich hier lässig über die unentspannten, politisch-verbohrten Rednecks auslässt ... ein kleiner Blick in den Spiegel:

Es hat schon seinen Grund, warum es zB. in Deutschland vor 50 Jahren fast nicht möglich war, in zB. Filmen oder Büchern die Nazi-Zeit oder die Judenprogrome zu thematisieren. Wer es doch getan hatte, wurde (in harmlosen Fällen) als Vaterlandsverräter beschimpft. Man wollte davon nichts wissen. Erst ca. 20 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, ausgelöst durch die gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der sog. 68er-Bewegung, konnte man in Deutschland beginnen diese Zeit aufzuarbeiten. Und wie man an Beispielen wie der berühmt-berüchtigten Wehrmachtsausstellung sieht, war es sogar 50 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges kaum möglich, sich objektiv und neutral dieses Themas zu nähern.

9/11 war eine äusserst schmerzhafte Erfahrung für den Großteil der US-Amerikaner, kratzte es doch ganz gewaltig an ihrer Vorstellung von ihrer eigenen Unverwundbarkeit. Der "War on Terror", der danach ausgerufen wurde, dauert heute immer noch an und zeigt trotz diverser militärischer Erfolge in Afghanistan und dem Irak klar und deutlich, wie wenig die faktisch (rein militärisch sind die USA tatsächlich nicht zu besiegen) unbesiegbare US-Armee gegen den Terror ausrichten kann, sie sogar im Grunde alles noch schlimmer macht.

Man kann gegen Terror nicht mit heroischen Hollywood-Posen gewinnen. Man kann gegen Terror überhaupt nicht mit martialisch-militärischen Methoden gewinnen. Es gibt keine strahlenden Sieger, wenn man gegen den Terror kämpft. Man kann Terror nicht bekämpfen. Man kann ihm nur mühselig, über Generationen hinweg und unter Beseitigung diverser wirtschaftlicher, politischer und sozialer Mißstände, allmählich die Grundlage entziehen. Eine Vorstellung, die viele US-Amerikanern nicht teilen können, weil sie im krassen Widerspruch zu fast allem steht, was dem sog. amerikanischen Traum als Grundlage dient.

Sprich, jede nicht-patriotische Erwähnung von 9/11, jede Kritik am "War on Terror", jedes bisschen Überdenken der eigenen Positionen wird als unmittelbarer Angriff auf ihr Selbstverständnis gewertet. Und umso brenzliger die eigene wirtschaftliche Situation im Lande wird, desto heftiger die Reaktionen, wenn JoeSixpack allmählich bewusst wird, dass durch das jahrelangen Leben auf Pump die USA rein theoretisch längst den großen Schuldnern in Asien gehört. Die stahlende Nation. Die beste, schönste, tollste Nation der Welt! In Wirklichkeit eine vollkommen verschuldete Nation, die in immens wichtigen Bereichen wie Infrastruktur und Bildung sich allmählich DrittWelt-Niveau nähert, weil dort jahrzehntelang kaum investiert wurde und mittlerweile angesichts der enormen Militärausgaben auch kaum noch Geld übrig ist. Erinnerungen an das Auseinanderbrechen des Warschauer Pakts werden wach, der unter anderem auf Grund des Fehlens einer gesunden wirtschaftlichen Grundlage keinen großen Spielraum hatte, um sich bestimmten, unvermeidlichen Veränderungen anzupassen. Sprich, der Lack ist ab und allmählich spricht sich herum, wie wenig der amerikanische Traum, so schön und verlockend er auch ist, mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Wie gesagt, dies alles gilt es zu berücksichtigen, wenn man sich die Reaktionen auf diese Installation zu Gemüte führt. Wir Europäer können dieses Ausstellungstück gelassen und neutral betrachten. Für einen US-Amerikaner ist dies jedoch ein weiterer Nadelstich ins Herzen seines Selbstverständnisses. Warten wir also ein, zwei Generationen ab. Vielleicht kann man sich dieses Themas dann auch in den USA mit etwas Abstand und Ruhe nähern.

Und da sage noch jemand, dass Spiele nur pure, harmlose Unterhaltung für Jugendliche sind ...