Noch ne Horror-Meldung (je nachdem)
Umsatz mit PC-Spielen im Handel bricht um 21 Prozent ein
Ohgott, wir werden alle stähärben!!!
21% Rückgang im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland. Neben Süd-Korea DEM PC-Spieleland schlechthin. Das ist, mit Verlaub, drastisch. Ok, dies sind nur Zahlen aus dem klassischen Retail-Bereich. Abo-Gebühren, Plattformen wie Steam und andere Einnahmequellen sind hier nicht berücksichtigt worden.
Sprich, was sagt dieser Rückgang um 21% im PC-Segment dann eigentlich aus?
Dass der PC als Spieleplattform tot ist?
Dass lauter kleine Internet-Störtebeckers jeden Tag massivst auf Beutezug gehen?
Dass in den ersten sechs Monaten dieses Jahres kaum attraktive PC-Spiele erschienen sind?
Dass 21% der potentiellen Kundschaft keinen Bock mehr haben, sich dank rigider DRM-Maßnahmen wie potentielle Kriminelle behandeln zu lassen?
Dass der klassische Retail immer unwichtiger für den PC-Markt wird?
Ok, Punkt Eins können wir abhaken. Gründe für die Unrichtigkeit dieser These wurden nicht nur hier auf diesem Blog zur Genüge aufgelistet.
Und da selbst der BIU in dieser Pressemitteilung kein Wort über den Sündenbock Nummer 1 verliert, können wir Long John Silver und seine Kumpane wieder in die Kiste packen.
Punkt 3. Im ersten Halbjahr wurden von den etablierten Publishern extrem wenig PC-Titel releast. Flaute ist gar kein Ausdruck. Selbst die wenigen potentiellen Hits wie Assasins Creed oder Mass Effect-PC haben sich in Deutschland nicht so verkauft wie erwartet. Oder hättet ihr gedacht, dass sich ein ME-PC bis jetzt, in ca. 3 Monaten, nur knapp 17.000-mal verkauft hat?
Zwar halten sich bis auf Bioshock, jetzt Mass Effect und bald Spore, die DRM-Verrücktheiten einigermaßen in Grenzen, ein Starforce wird nur noch sporadisch, wenn überhaupt, verwendet und das allgegenwärtige (normale) Securom ist so einigermaßen tolerabel, aber könnte es nicht sein, dass der Kunden-Krug, der all die Jahre brav und geduldig zum Brunnen gegangen ist, allmählich gefährliche Risse bekommt? Ich habe diesbezüglich zwar keine Zahlen, kann nur wild spekulieren und subjektive Eindrücke von mir geben ... aber immer mehr Leute scheinen die Nase voll von diesen Gängeleien zu haben und geben ihr Geld eher für Konsolenspiele aus. Und zumindest dieser Wechsel lässt sich bestätigen. In Deutschland werden Konsolenspiele gekauft wie blöde. Dorthin fliesst also das Geld. Also erst recht nix mit Piraterie und so, denn ich kaufe ja keine Konsolenspiele, nur um dann am PC die raubkopierten PC-Spiele zu zocken :)
Punkt Sechs. Der Retail-Markt. Schrumpft. Zumindest für PC-Spiele. Brauch ja nur mich anzusehen. Welche PC-Spiele habe ich dieses Jahr gekauft?
- einige Indie-Titel über digitale Vertriebsplattformen
- einige Budget-Titel (dank des günstigen Dollar-Kurses ganz erheblich Budget) über digitale Vertriebsplattformen
- Abo-Gebühren für ein MMO
- einen Titel, einen einzigen Titel, in Zahlen: 1, so wie früher, als physischen Datenträger im Laden. Das war vor zwei Wochen Drakensang.
Sehr viel schlauere Leute als ich haben es schon mehrfach betont. Der PC als Spiele-Plattform ist nicht tot, er wandelt sich nur derzeit ganz massiv und wird in einigen Jahren kaum noch wiederzuerkennen sein. Der große Run der Publisher auf Konsolen hat seinen Grund auch nur darin, dass hier die Umsätze nahezu ausschließlich via Retail gemacht werden. Retail-Vertriebsstrukturen, die vertraut sind, die man kennt, die man kontrollieren kann. Die großen Publisher wechseln alle auf die Konsole, weil sie nicht wissen, wohin sich der PC-Markt entwickeln wird, weil sie als große Konzerne nicht flexibel genug sind, um sich schnell anpassen zu können.
Ich weiß auch nicht, wohin die Reise gehen wird. Glaskugel kaputt. Kann nur raten.
MMOs (Abo und F2P) werden weiterhin einen wichtigen Anteil bilden. Vertriebsplattformen wie Steam werden wichtiger werden und sie werden sich den Kundenwünschen noch stärker anpassen, weil hier bald ein deftiger Konkurrenz- und Verdängungskampf toben wird. Auch werden sich genügend Nischen und Möglichkeiten für Entwickler bieten, die ihre Werke einfach und direkt an die Kundschaft bringen können, ohne sich in den Strukturen eines klassischen Publishers zu verlieren. Vor einigen Tagen wurden zB. im Impulse-Forum Details zu den kommenden Ausbau-Stufen von Stardocks Vertriebsplattform bekannt. Zu Ende des Jahres will man Steam und SteamWorks Paroli bieten und es JEDEM ermöglichen, mit ein paar Mausklicks und ohne großartige Bürokratie eigene Software über Impulse anzubieten. Was mich persönlich ganz wuschig macht, denn es juckt mich derart in den Fingern, mir ein paar andere Wahnsinnige zu suchen und auf Basis diverser Fertigbaukästen wie zB. dem RPG Maker oder dem AGS-System ein eigenes Spielchen zu basteln und aus Jux und Dollerei für nur eine Handvoll Dollar/Euro über Impulse anzubieten. Oder ich bastel erstmal mein eigenes Text-Adventure zusammen und stelle es als erste Übung in mein Blog.
Weil, is ja der PC. Muss ich ja kein arschteures Dev-Kit bei den Big Three kaufen. Muss auch keinen aufwendigen Lizensierungs- und Validierungsprozess durchlaufen, um zB. mein Spiel auf XBLA oder Home anbieten zu können. Ich brauch den Scheiss nicht. Ich bin von niemandem abhängig und muss nicht extra einen Kredit aufnehmen, nur um die Anmeldegebühren für die Entwicklung eines 360-Spieles bezahlen zu können. Himmel! Ich kann einfach so loslegen, nur begrenzt von meinem Vorstellungsvermögen und meinen bescheidenen technischen Kenntnissen. Nein, ehrlich jetzt. Ich könnte wirklich ... warum nicht? Hmmm ... *überleg*
Der PC als Spieleplattform wird derart lebendig sein, dass man in ein paar Jahren nur noch mitleidig auf den in Hochglanz und Ideenlosigkeit erstarrten Konsolenmarkt blicken wird. Man schaue sich zB. an, was MS höchstwahrscheinlich vorhat, um Nintendo Paroli zu bieten. Allem Anschein nach ein eigener Motion-Controller! Wahnsinn, nicht? :)