Montag, 11. August 2008

Non-Gaming Interludium XX - Speed Racer

Es gibt eine Reihe von Regeln im Filmgeschäft, die wohl durchgängig auch bis ins übernächste Jahrhundert gelten werden, gleichgültig auf welchem Medium Filme dann gedreht werden oder welches Geschäftsmodell dahinterstehen wird.

Eine Regel lautet:
Verfilmungen von Spielen sind aus Sicht des Zuschauers meist minderwertiger Dreck und aus Sicht der Geldgeber meist auch veritable Flops. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und genau wegen diesen Ausnahmen wagen es Geldgeber immer wieder zT. nicht unbeträchtlich wenig Geld in solche Projekte zu stecken.

Eine andere Regel lautet:
Einem Regisseur, Produzenten, Schauspieler, dessen Film an den Kassen jegliche Rekorde bricht, gibt man beim nächsten Projekt mehr Geld. VIEL mehr Geld. Weil man sich natürlich noch MEHR Einnahmen erhofft. Filme produzieren ist ein gutes Stück wie Chemielabor, 2. Semester, Qualitatives Praktikum. Nicht wenige Studenten sind der festen Überzeugung, dass viel (Substanz) viel (dem Ergebnis der Reaktion) hilft. KABOOM!

Eine weitere Regel geht wie folgt:
In der Regel tankt (kaboomt) dieses nächste Werk an den Kassen kolossal. Zum Teil, weil der Regisseur, Produzent, Schauspieler sich maßlos überschätzt hat, den gestiegenen Erwartungen des Publikums nicht entsprechen kann, das Gespür für sein Talent verliert oder weil er einfach auf alles scheisst, was die Aussenwelt (Gewinnerwartung der Geldgeber, Erwartungshaltung des Publikums) von ihm erwartet und er einfach aus purer Lust an der Freude sein Ding durchzieht.

So, jetzt natürlich die Frage: Was haben diese drei Regeln mit "Speed Racer" zu tun?

1. Nein, Speed Racer ist keine Computerspiel-Verfilmung. Speed Racer ist nämlich nach der Papierform die Realverfilmung einer Zeichentrickserie. Nach nur wenigen Minuten wird aber schnell klar, wovon die Wachowski-Brüder sich inspirieren ließen. "P.O.D", "Deathkarz", "Megarace", "Wipeout", nur um die vier Titel zu nennen, die mir ruckzuck durchs Hirn schossen. Autodesign, Streckendesign, Race-Gimmicks, Farbgebung, das komplette Art Design des Filmes ... alles wirkte so vertraut, bekannt und doch so frisch. Frisch, lebendig und spritzig wie kaum eine andere Computerspiel-Verfilmung zuvor, die fast alle darunter leiden, dass die Macher es nie schaffen die Essenz des Spieles auf die Leinwand zu übertragen. Bei "Speed Racer" hingegen bleibt mir zT. nur der Atem stehen, wenn Fahrzeuge unter Mißachtung aller physikalischen Grundsätze durch die Luft wirbeln und oft genug in einem Farbfeuerwerk explodieren, welches in seiner Künstlichkeit eben nur im Computerspiel vorkommt. Wie bei einem guten Arcade-Racer, wenn sich unter dem Tisch vor lauter Anspannung die Füße verknoten, meine Augen blitzschnell jedes Detail aufnehmen und direkt an die Fingerspitzen auf der Tastatur weiterleiten. So ist "Speed Racer". Die beste Computerspielverfilmung, die ich bislang kenne, weil man sich nur der Stilmittel eines Spieles bedient, ohne jedoch krampfhaft zu versuchen die minimale narrative Struktur des Spieles auf die Leinwand zu bringen. Bunt, laut, krachig! Wie ein Computerspiel eben ist.

2. Die Wachowski-Brüder haben mit der Matrix-Trilogie Warner Abermillionen Dollar an Gewinn gebracht. Die Wachowski-Brüder haben mit "V for Vendetta" Warner Abermillionen Dollar an Gewinn gebracht. Warum sollten sie Warner mit "Speed Racer" nicht noch einmal Abermillionen Gewinn bringen? Und so wurden geschätzte 120 Millionen Dollar lockergemacht.

3. "Hmmm", dachten sich die Wachowski-Brüder, "hmmmm! Die Schlipsträger haben uns einen Haufen Schotter gegeben. Einfach so. Wir haben die volle künstlerische Freiheit. Also lassen wir es krachen!". Nun, zwar hat "Speed Racer" angeblich so gerade seine Produktionskosten eingespielt, aber angesichts den Erwartungen der Geldgeber kann man nur von einem Flopp sprechen. Auch die Erwartungen des Publikums und der Kritiker wurden nicht gerade erfüllt, um es freundlich auszudrücken.

Und was habe ich zu diesem Film zu sagen, ausser, dass er die beste Computerspiele-Verflimung ist, die ich kenne? Ich stelle mir die Wachowski-Brüder vor, wie sie sich wie kleine Kinder freuen, die jemandem einen Streich gespielt haben. Sich vor Lachen auf dem Boden wälzend, sich an den dummen Gesichtern der Erwachsenen ergötzend und während der Vorbereitung des Streichs einen Heidenspass gehabt habend. "Speed Racer" ist ein herrlich unschuldiger, naiver, unbeschwerter und fröhlich-kitschiger Kinospass für das kleine Kind in uns allen. "Speed Racer" ist per Definition DER Popcorn-Film schlechthin. Ein grell-bunter, rasend schneller Rundtrip durch eine Welt, die noch nicht durch ernüchternde Erfahrungen und "DuDuDu, das darf man aber nicht!"-Ermahnungen in kleine Parzellen aufgeteilt wurde.



"Speed Racer" ... so herrlich unanständig sinnfrei und over-the-top, dass ich durchaus nachvollziehen kann, wenn andere Leute sich nach nur wenigen Szenen entsetzt an den Kopf greifen :)