Sonntag, 17. August 2008

Cheaten vs. Beheben von Gamedesign-Fehlern

Ich habe mir lange überlegt, ob ich etwas zur Klage von Blizzard gegen die Ersteller des Glider-Bots sagen soll. Im Grunde könnte mir das egal sein. Ich nutze diesen Bot nicht. Ich nutze andere Bots nicht und es kratzt mich nicht, wenn andere Spieler diese Hilfsmittel verwenden. Gerade ein Spiel wie WoW ist groß genug für alle.

Aber, weil hier meiner Meinung nach einige durchaus erwähnenswerte Themenbereiche berührt werden, sage ich doch einige Worte dazu:

Zum Beispiel ...

1. Der Glider-Bot existiert, weil es eine Nachfrage nach dieser Art Bot gibt. Von der China-Farmer-Agentur, die nun alle menschlichen Mitarbeiter rauswirft und nur noch Bots einsetzt. Von PvP-Spezialisten, die schnell einen neuen Lv.70-Char aufbauen wollen. Von Leuten, die nur am Endgame-Content interessiert sind und keine Zeit/Lust haben, sich monatelang nur mit Aufleveln zu beschäftigen. Vor allem, wenn sie alle Inhalte von Lv. 1 bis Lv. 69 schon in- und auswendig kennen und beim Gedanken, SCHON WIEDER Skorpione vor Orgrimmar jagen zu müssen, der kalte Schweiss ausbricht.

2. Der Glider-Bot existiert, weil die Nachfrage nach Programmen dieser Art auf einem essentiellen Gameplay-Bestandteil von Spielen wie WoW basiert. Dem Grind! Solange das so ist, solange wird es eine Nachfrage geben und solange wird es Programme wie den Glider-Bot geben. Egal, wie hart sich der MMO-Betreiber beim Account-Ausmisten gibt. Egal, wieviele Prozesse geführt werden.

3. Der einzige Grund, wie eine Benutzung des Glider-Bots das Gameplay von Nicht-Bot-Nutzern negativ beeinflussen kann, liegt in der schnelleren Erlangung von Gold/Loot, welches man zur Manipulation der Preise im Autionshaus einsetzen kann. Dies wirft die Frage auf ... warum trifft Blizzard keine Vorkehrungen, um die Auswirkungen solcher Manipulationen abzuschwächen oder aufzuheben? Da draussen, in der wirklichen Welt, gibt es mittlerweile Diplom- und Doktorarbeiten zum Thema "Wirtschaftssysteme und Geldkreisläufe in virtuellen Welten" wie Sand am Meer. Wieso holt man sich nicht einen Finanz-Experten, der sowohl im Vorfeld eines MMO-Projektes, als auch während des laufenden Betriebes beratend zur Seite steht? CCP haben dies schon für Eve Online getan. Ob mit Erfolg, kann ich leider nicht sagen, aber so muss man das machen, will man nicht seine Zeit mit sinnlosen Klagen vergeuden, da für jeden vom Markt weggeklagten Bot sofort die nächsten beiden in die Bresche springen. Wir erinnern uns? Nachfrage-Angebot und so? MMOs und andere Multiplayer-Spiele sollten idealerweise also nicht cheat-frei, sondern cheat-robust entworfen werden. Ersteres kann sowieso niemals erreicht werden, letzteres hingegen sehr viel eher.

4. Die Argumentationskette, die Blizzard benutzt, um die Illegalität des Glider-Bots nachzuweisen, ist, gelindegesagt, haarsträubend. Denn da der Glider-Bot nicht auf Server-Inhalte zurückgreift, nicht in den Datenverkehr zwischen Client und Server eingreift und auch keine Spieldaten auf der Festplatte des Clients verändert, definiert man einfach den Inhalt des Arbeitsspeichers des Clients, der in diesem Moment von WoW belegt wird, als geistiges Eigentum von Blizzard. Denn von dort holt sich der Glider-Bot die Informationen, die er benötigt. Was natürlich die Frage aufwirft ... was zur Hölle geht den Hersteller einer Software den Inhalt des Arbeitsspeichers auf MEINEM Rechner an, der in diesem Moment von seiner Software belegt ist? Es hat schon seinen Grund, dass sich plötzlich auch Organisationen wie die EFF für diesen Prozess zu interessieren beginnen. Die Auswirkungen, wenn das Gericht die Argumentation von Blizzards Anwälten übernimmt, sind immens und berühren uns alle, selbst wenn wir von MMOs noch nie etwas gehört haben und auch nie etwas mit MMOs zu tun haben wollen.

Nein, zu der unterschiedlichen Haltung, die man zu Cheats, Bots und Kauf-Chars haben kann, will ich nichts sagen. Das muss jeder mit sich selber ausmachen. Nur so viel ... die Welt geht nicht davon unter, wenn sich jemand in einem Spiel (!) mit unfairen Methoden Vorteile verschafft. Die Welt geht aber unter, wenn man all seine Energie und seinen Protest nur auf harmlose Nebensächlichkeiten wie Cheaten in Computerspielen vergeudet, während da draussen vor der Tür die richtige Kacke am Dampfen ist. Aber hey ... lasst Euch nicht stören!