Donnerstag, 1. März 2007

Wider den Realismus

Letztlich ist mir beim Ausmisten der Wohnung ein dünner, staubiger und verknitterter Pappschnellhefter in die Hände gefallen. Darin lagen eine ganze Menge dünne, vergilbte und verknitterte Charakterbögen des DSA-Rollenspiels. Hach ... damals! Mangels passender DSA-Mitspieler habe ich kurz entschlossen die alten Computerspiele ausgepackt, dank DosBox eine Menge unbeschwerte Freude gehabt und fand es bedauerlich, dass es keine modernen RPG's mit dem DSA-Hintergund gibt ... was natürlich Quatsch ist, da mir um selben Moment "Drakensang" einfiel. Ge[insert favourite search-engine], hingesurft, Seite angeschaut.

Das sah doch alles mal recht vielversprechend aus ... eigentlich ... schon, oder? Nein, nicht wirklich! Sieht ja aus wie bei jedem Spiel ... öde!

Ich habe hier mal vier Spiele herausgegriffen. Zwei sind schon erschienen, zwei noch in Entwicklung. Ganz ehrlich, wenn man nicht eh schon genau Bescheid weiß über diese Spiele, fällt es einem nicht leicht, diese Screenshots auseinander zu halten oder dem richtigen Spiel zu zuordnen:




Schön? Ja, keine Frage. Aber eben nur "schön" wie ein gelecktes, perfekt aussehendes Playboy-Centerfold, so ein typisches braungebranntes California-Superweib eben. Schön ... laaaaaangweilig! Auch bei "Drakensang" wird Speedtree für die Generierung der Vegetation eingesetzt, auch bei "Drakensang" versuchen sich die Designer an einer möglichst realistischen Nachbildung des europäischen Mittelalters. So mit Strohhütten, echten, grünen Bäumen, Weichzeichner-Effekten, supertoller Beleuchtung und einer realistischen Farbpalette und so. Das mag ja alles auch recht toll und realistisch aussehen, gar keine Frage.

Aber will ich das in einem Spiel sehen, nein, will ich das in JEDEM Spiel sehen? Schöne Bäume, nette Hügel und wundervolle Aussichten habe ich quasi in meinem Hinterhof, wenn ich kurz in den Schwarzwald hinaufdüse. Ich bin in einer Stadt mit viel alten Fachwerkhäusern aufgewachsen. Dieser Anblick gibt mir nichts. Aber ich finde ihn in nahezu allen aktuellen Rollenspielen europäischer und/oder amerikanischer Produktion, die mich alle durch die Bank überhaupt nicht interessieren, weil sie nämlich alle gleich langweilig aussehen. Wo ist die Vielfalt? Wo ist die Phantasie, die Kreativität? Wo sind all die phantastischen Welten, die man auf dem Computer erstellen könnte? Wo ist die Atmosphäre in diesen Spielen, wenn sie alle gleich aussehen, wie von der Stange, wie aus dem Graphik-Automaten im Supermarkt?

Wieso wagt nicht ein europäisches Studio ein Rollenspiel im graphischen Stil mittelalterlicher Buchillustrationen zu bringen. Oder vielleicht ein Adventure, dass in der optischen Präsentation der Tradition klassischer deutscher S/W-Stummfilme wie Nosferatu oder Metropolis folgt. Wir haben hier in Europa soviel Kulturgeschichte, soviel Reichtum und Vielfalt ... ich sehe davon nichts in aktuellen Spielen. Ich sehe nur den einen gleichen. massenkompatiblen Look, dem man auf drei Lichtjahre gegen die Sonne sogar die verwendete Middleware ansieht. Traurig ...

Wie es anders gehen kann, zeigen (mal wieder) japanische Studios, die es sehr viel besser verstehen alte Traditionen mit modernen Medien und/oder Techniken zu verbinden.

Da gibt es zB. Okami, welches aussieht wie eine lebendig gewordene japanische Tuschezeichnung. Einfach nur noch großartig!



Oder Odin Sphere, welches sich an der alten Kunst des Scherenschnitts orientiert. Wobei ein Europäer eher "Terry Gilliam" mit dieser Optik assoziiert ;)



Also, liebe Entwickler und Publisher! Da draussen gibt es mit Sicherheit noch mehr alte Säcke mit einem Haufen Geld und einem Faible für schöne Kunst, die sich in Computerspielen nicht mehr mit den üblichen, alten Design-Rezepten abspeisen lassen!

Wider den Realismus! Es lebe die Kunst! Es lebe die Phantasie!!

*letzte worte harzzach's, bevor er von den pflegern in seine zelle zurückgebracht werden konnte*