Kontrollwahn und Freiheitsliebe
Beim Schreiben der Retro-Impressionen zu Lands of Lore 2 ist mir aufgefallen, was ich an Spielen im Grunde überhaupt nicht mag. Nuja, "nicht mag" ist ja noch etwas untertrieben. Was mich regelmäßig in die Tischkante beissen lässt. Was meinen Hals anschwellen und den Blutdruck in die Höhe treiben lässt.
Wenn es um Spiele geht, bin ich ein Kontrollfreak! Wenn ich nicht jedes Fitzelchen eines Spieles selbst manipulieren, kontrollieren kann, sehe ich sehr schnell Rot. Wenn irgendetwas in einem Spiel passiert, dass ich nicht kontrollieren kann und NICHT Teil der KI-Handlungen oder Teil eines Ereignis-Skriptes ist.
Vor allem bei RTS-Spielen finde ich immer wieder genügend Gründe den verantwortlichen Entwicklern entsprechend aggressive Handlungen angedeihen zu lassen.
Wenn ich einer Einheit den Befehl gebe von A nach B zu gehen und diese Strecke durchaus in zu bewältigender Entfernung und Komplexität für die Pathfinding-Algorithmen ist, dann erwarte ich von dieser Einheit, dass sie dann auch brav von A nach B geht.
Wenn ich einer Gruppe von Einheiten den Befehl zum Verteidigen gebe, dann erwarte ich, dass sich die GRUPPE verteidigt und nicht nur die eine jeweils angegriffene Einheit. Wenn ich einer Gruppe von Einheiten aggressives Vorgehen befehle, dann will ich nicht alle paar Sekunden den aufgeschreckten Haufen wieder zusammentreiben müssen, weil die Jungs beim leisesten Anzeichen eines Feindes sich sofort aufmachen in die hinterste Ecke der Map zu latschen. Wenn ich einer Gruppe einen gemeinsamen Marschbefehl gebe, dann erwarte ich auch, dass sich die Gruppe GEMEINSAM in Bewegung setzt und in der Gruppe GEMEINSAM am Zielort ankommt und sich nicht einen Hühnerhaufen von einzelnen Individuen auflöst.
Gerade bei RTS-Spielen kann ich meine Herkunft von rundenbasierten, schach-artigen Spielen wie Panzer General oder Battle Isle nicht verbergen. Dass ich im Grunde meine spielerischen Wurzeln im Brettspielbereich habe, in dem NICHTS ohne meine Zustimmung und ausdrückliche Anweisung von statten geht. Was Spiele betrifft kann ich ein schlimmerer Schleifer sein als Louis Gossett jr. in "An Officer and a Gentleman". Ich erwarte bedingungslose Disziplin und Hingabe von meinen Einheiten ;)
Aber andererseits ... andererseits bin ich auch jemand, dem es nicht passt, wenn man ihm sagt, man solle jetzt das und das tun, ich das aber einfach nicht tun möchte. Sondern selber entscheiden will, was ich wann mache.
Wenn ich das Bedürfnis bekomme zu speichern, dann will ich das verdammt nochmal auch tun können und nicht nur dann, wenn das Spiel es mir erlaubt.
Wenn man mir in einem Shooter eine Reihe von Waffen und einen Haufen Munition gibt, dann will ich diese gefälligst auch großzügig erfolgreich (!) einsetzen und nicht stundenlang mir die Zähne an einem Bossgegner ausbeissen, den man nur mit einer ganz bestimmten Abfolge ganz bestimmter Angriffe mit einer ganz bestimmten Waffe besiegen kann.
Ich möchte selbst entscheiden können, wie und auf welche Weise ich ein Spielziel erreiche. Ich möchte nur ungern in ein Korsett aus dicht aufeinanderfolgenden Skriptsequenzen gesteckt werden, die mich zu ganz bestimmten Aktionen zwingen, wie zB. in MoH Pacific Assault. Himmel, ich will spielen und nicht Knöpfchendrücker in einem "Interactive Movie" sein.
Gut, es gibt natürlich Ausnahmen. In Adventures ist es klar, das es für ein bestimmtes Puzzle nur eine bestimmte Lösung gibt. Aber das ist ein Adventure. Da kann ich in Ruhe überlegen. Und werde (zum Glück) nur sehr selten unter Zeitdruck gesetzt oder mit dämlichen Reaktionssspielchen belästigt. Oder man sagt mir im Spiel klipp und klar, dass hier nur diese Waffe erfolgversprechend ist und die Schwierigkeit darin besteht diese Waffe erfolgreich ins Ziel zu tragen und nicht darin, hilflos durch die Gegend zu tappern und sich zu fragen, wie zur Hölle nochmal dieser Gegner besiegt werden kann. HL2 ist da ein gutes Beispiel. Es wird Dir sofort klar gemacht, dass ich nicht mit Handwaffen Strider oder Gunships bekämpfen kann, sondern die Augen offen nach Munitionskisten voller Raketen halten muss.
Sprich, man muss dem Spieler die volle Kontrolle über sein Spiel geben. Man sollte es dem Spieler ermöglichen freie Entscheidungen zu treffen und dies dann auch konsequent einhalten. Und man sollte, wenn man dem Spieler aus dramaturgischen oder gameplaytechnischen Gründen diese Freiheit nimmt, ihn auch klipp und klar VORHER darüber informieren, dass er jetzt nicht mehr alles machen kann, was er möchte.
Ganz schlimm fand ich hier bei Jedi Knight Outcast den ersten Kampf gegen den Oberbösewicht. Was habe ich mich hier abgemüht und Quicksave um Quicksave geladen, nur um dann nach einem Dutzend erfolgloser Versuche zu merken, dass ich diesen Kampf gar nicht gewinnen DURFTE! Wieso lässt man mich überhaupt gegen einen Gegner kämpfen, den ich gar nicht besiegen kann? Wieso nicht gleich eine Zwischensequenz und gut ist? Dieses Vorgaukeln von Interaktivität, wenn doch eh der Ausgang und das Ende feststeht, ist ebenfalls einer der Punkte, die mich vor allem in Shooter immer wieder ärgert. Wie bei Quake 4, wo ich in einem Abschnitt sogar auf eine ganz bestimmte Art und Weise verlieren muss, damit es weitergeht ... was ein Kack!
Ich weiß, das ist alles nicht leicht. Es erfordert Grips, Kreativität, Erfahrung und viel Arbeit. Und so ganz nebenbei erwarte ich auch, dass man mir eine gute Geschichte erzählt :)
Ja, ich bin (was Spiele betrifft) anspruchsvoll und nicht leicht zufriedenzustellen. Ich bin aber auch ein alter Sack, der über alte He-Man- und Transformer-Folgen nur noch müde lächelt, alldieweil er über zB. die neue Battlestar Galactica-Serie nur Freundentränen vergießen kann. Ich will also mehr Spiele für alte Säcke und nicht mehr erleben müssen, wie Entwickler seit Jahren immer wieder denselben Scheiss produzieren und immer wieder diesselben Fehler in ihren Spielen machen. Ist das zuviel verlangt? Es geht doch auch bei Film und Literatur? Wann werden Spiele endlich "erwachsen"?