Dienstag, 13. März 2007

Warum ID einen John Romero benötigt

Eigentlich wollte ich diesen Text zuerst als Kommentar veröffentlichen, habe aber dann gemerkt, dass er immer länger und umfangreicher wurde. Und so habe ich dann kurz entschlossen einen eigenen Beitrag daraus gemacht.

Erst kürzlich hat ID's CEO, Todd Hollenshead, "Raubkopien" als das neue Übel ausgemacht und als Begründung vorgeschoben, warum man künftig nur noch auf Multiplayer-Titel und Konsolen setzen wird. Wie durchschaubar diese angebliche Begründung ist (man kann auch dreiste Lüge dazu sagen) ist nicht nur mir aufgefallen. Im 4Players-Forum fiel zB. der Begriff "Heulsuse". Bei Bluesnews wurde Hollenshead in den Kommentaren lauthals ausgelacht. Es ist zu offensichtlich, dass bei ID Software, dem einstigen Vorzeigestudio und kreativen Wegbereiter eines ganz neuen Genres, längst nur noch die Buchhalter und Geldzähler das Sagen haben.

Denn schaut man sich mal die Leute an, die ID Software in den letzten Jahren verlassen haben, wird klar, dass hier nur noch ein Markenzeichen, eine Fassade existiert. John Romero, Tom Hall, American McGee. Nur mal die bekanntesten Namen. Drei äusserst kreative und begabte Gamedesigner. Wer ist geblieben? BizDev-Leute. "Normale" Entwickler. Und John Carmack. Carmack entwirft aber nur die Engines, das optische Grundgerüst. Carmack macht keine Spiele (sein Handy-Spiel werte ich jetzt eher als persönliche Auszeit vom ständigen Algoritmen-Crunchen).

Dieser Aderlass hinterliess Spuren. So krankte Doom 3 daran, dass Tim Willits (der es als langjähriger Mitarbeiter bei ID eigentlich besser wissen sollte) den Spieler ständig mit Schockmomenten und Überraschungen "erfreuen" wollte. Hat im Vorfeld großartig von einem "Rollercoaster Ride of Horror" getönt. Stimmt, das kam bei Doom auch vor. ABER NICHT ALLE FÜNF MINUTEN! UND AUCH NICHT IMMER GLEICH! So nach zwei Stunden Spielzeit konnte man einem Wandpanel schon auf drei Kilometer gegen den Wind ansehen, dass hier demnächst irgendwelche Zombies herauskommen. Unauffällig auffällig drapierte Ansammlungen von Medkits, Waffen und Munition zogen beim Aufnehmen das immergleiche Spawnen von zwei Imps nach sich. Einer vor dem Spieler, einer hinter ihm.
Ferner bewegte sich der Spieler viel zu langsam. Kein Vergleich zum rasanten Hasten und Rennen bei Doom. Der Waffenwechsel, das Nachladen dauerte viel zu lange. Ritalin-Gameplay!
Die Waffen selber waren ein nahezu kompletter Reinfall. Die Shotgun fühlte sich eher wie ein Wattebäuschchenwerfer an, die Gatlinggun hatte einen viel zu kleinen Mun-Vorrat und war auf Grund ihrer sehr langen Up- und Downspinzeit nur an wenigen Stellen vernünftig einsetzbar usw. usf. Der Soulcube, an sich eine nette Idee, wurde vor allem später zu schematisch, zu geplant Teil des Gameplays, da der Spieler den Level eigentlich vorher auswendig lernen musste, um ihn gezielt immer zum passenden Gegner einzusetzen.
Das Gameplay war zu strikt, zu linear, da der Spieler gerade in den letzten Abschnitten kaum mit verschiedenen Waffen und Vorgehensweisen experimentieren konnte. Zu knapp die Munition, zu eng der Raum zum Manövrieren, zu offensichtlich die Abfolge von Gegnern zum Aufladen des Soulcube.
Auch das Leveldesign hat mit dazu beigetragen, dass mir Doom 3 sehr schnell wie eine Schlaftablette, wie eine viel enge, das Atmen erschwerende Jacke vorgekommen ist. Natürlich könnte die D3-Engine mehr. Doch man hat nahezu das gesamte Spiel aus kleinen, Räumen und Korridoren zusammengesetzt, in denen kaum ein Ausweichen möglich war, jeder Fehltritt (vor allem bei Bosskämpfen) tödlich war. So habe ich zB. gegen die beiden Hell Knights vor dem Teleporter ständig ins Gras gebissen, weil ich zwar einen auschalten konnte, dann aber an irgendeiner Ecke oder einem Tisch in diesem engen Areal hängenblieb, sodass mich der zweite Hell Knight genüßlich in Stücke reissen konnte. Bei jedem verfluchten Versuch! Nuja, per Godmode ging's dann weiter ...
Bei Doom hingegen war immer dann genügend Platz vorhanden, wenn es gegen dicke Gegner oder viele Gegner ging. Da war Dynamik und Spielfluss. Bei Doom 3 hingegen der ständige Griff zur Quickload-Taste. Bäääääh!

Gut, Doom 3 war jetzt kein kommerzieller Flopp, hat aber zu Recht viele Leute massiv enttäuscht. ID tut gut daran, dass ihr nächstes Projekt etwas ganz anderes ist, denn noch so einen Shooter würde ich (und andere) wohl kaum noch kaufen. Einfach nur noch armselig, ganz armselig was mit der Doom-Serie passiert ist. Bezeichnenderweise hat ein von Fans erstellter D3-Mod, der die Waffenbalance und das Tempo der ersten beiden Doom-Spiele wiederherstellte, deutlich gezeigt, was hätte werden können wenn ...

Gut, ID macht keine eigenen Spiele mehr, tritt vielfach nur noch als Executive Producer bei externen Projekten auf, aber wie man an Quake 4 gesehen hat, war da niemand, der rechtzeitig STOP brüllen konnte. Raven Software litt übrigens ebenso unter einer erheblichen Personalfluktuation, weil die Leute es irgendwann leid waren, SCHON WIEDER einen Shooter zu machen. Q4 ist das Ergebnis. Ein zwar hochwertig produzierter, aber langweiliger und uninspirierter Shooter. Burnout-Syndrom kann man auch dazu sagen ...

Ok, gut. Spielerisch reisst man bei ID nichts mehr. Der große Hoffnungsträger Q4 auch ein Griff ins Klo. Macht doch nix, solange der Rubel mit Lizenzen der Engine rollt. Wenn er denn rollt ...

Im Gegensatz zur Q3-Engine spielt John Carmacks neuester Entwurf kaum noch eine Rolle. Ich kenne mich mit den internen technischen Details nicht sonderlich aus, aber da Ego-Shooter immer mehr an Marktbedeutung verlieren, kann man mit einer so spezifisch auf Shooter zugeschnittenen Engine scheinbar heute nicht mehr viel reissen. Epic's Unreal3-Technik ist das Maß der Dinge. Ein Rundumpaket für die Spieleentwicklung, explizit für Multiplattformer konzipiert. Tja, auch hier läuft es nicht so rund für ID.

Und deswegen behaupte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn einfach so dreist in die Runde, dass ID bald vom Erdboden verschwunden sein wird, wenn man sich dort nicht wieder auf das konzentriert, was den Laden groß gemacht hat ... relativ simple Spiele mit einer grandiosen Optik UND einem Gameplay, welches Raum für absolute N00bs und Profi-Zocker bietet. Spiele, denen man anmerkt, dass die Macher auch nach Arbeitsende weiterspielen, weil es einfach Spass macht. ID Software lebt derzeit nur noch von der Vergangenheit. Große Bedeutung hat eigentlich nur noch John Carmack als Tech-Guru. Sonst ist da nicht mehr viel ... und das ist auf Dauer zu wenig.