Dienstag, 20. März 2007

Russen-Gameplay? Hähh?

Aktuell zu STALKER. Weil ich in Zukunft wahrscheinlich noch einiges darüber schreiben werde ...

Wat is en Russen-Gameplay? Da stelle mer uns mal janz dumm ...

Russen-Gameplay. Ein Begriff, der natürlich nicht auf meinem Mist gewachsen ist, sondern hin und wieder durch die Öffentlichkeit wabert. Vornehmlich verwendet wird, um Spiele von osteuropäischen Entwicklern, namentlich Nival (Russland) oder GSC (Ukraine) zu charakterisieren.

Das Hauptmerkmal aller "Russen"-Spiele ist der für unsere Verhältnisse brutalst hohe Schwierigkeitsgrad. Ein Spiel wird dort erst dann als gut angesehen, wenn man bereits in der allerersten Mission sich stundenlang an einer Ecke der Map verbeisst, um diesen Abschnitt zu bewältigen. Jeder Versuch, den Entwickler zu einem etwas leichteren Spieleinstieg zu bewegen, wird mit Naserümpfen bedacht oder gleich als tiefe Kränkung der russischen Seele empfunden. Ehrlich, wirklich, das ist so! Der Producer von Blitzkrieg, Martin Deppe, meinte einmal, dass die härteste Aufgabe während der Entwicklung darin bestand, Nival zur Einführung eines Schwierigkeitsgrades "Leicht" zu bewegen, der seinem Namen auch gerecht wird. Oder wie es dem Lead Tester der Cossacks- und American Conquest-Spiele entfuhr, als die erste spielbare Beta eines AC-Addons eintraf: "Jetzt spinnen sie total! Das ist selbst mir zu heftig!". Und das aus dem Munde eines des seinerzeit besten Cossacks-Spieler Deutschlands.

Ein weiteres Merkmal sind viele Nicklichkeiten beim Interface-Design. Sehr oft wirken Interfaces osteuropäischer Spiele im Vergleich zu westlichen oder gar japanischen Produktionen zu grob, zu wenig durchdacht, zu kompliziert, zu sehr hingeschludert. Weil das in den Augen der Entwickler nicht wichtig ist. Weil man das Spiel doch bedienen kann, oder nicht? Weil Schein und Blitz-Blend-Vorgauckel dort als unehrlich, als typisch westliche Oberflächlichkeit betrachtet werden, die als unvereinbar mit der tiefen, russischen Seele und Mentalität gelten. Und das, obwohl Genosse Potemkin mit der Erfindung der gleichnamigen Dörfer sogar bei den Kapitalisten Weltruhm erlangt hat ;)

Auch zeichnen sich etliche "Russen"-Spiele durch eine billige und schludrige Qualität bei Modellen, Texturen und Effekten aus. Das wirkt alles wie frisch vom Küchentisch engagierter Fans, anstatt die Qualität zu liefern, die man bei uns von kommerzieller Software gewohnt ist. Bestes aktuelles Beispiel ist hier "Infernal". Es ist erstaunlich, wie ein Shooter, der nur so mit aktuellen Effekten und Graphik-Features um sich wirft, so billig daherkommt wie eine aufgetakelte Barschlampe im Vergleich zu beispielsweise Cate Blanchett.

Ich darf das sagen. Ich kenne Barschlampen. Sogar richtig nette. Unaufgetakelte ;)

Gut, das mag daran liegen, dass nicht wenige dieser Spiele tatsächlich direkt vom Küchentisch kommen. Vor einer Weile gab es bei Gamestar eine Artikelserie über osteuropäische Entwickler. Unter welchen Bedingungen dort zT. gehaust und gearbeitet werden muss, weil die Leute dort schlichtweg kaum Geld haben und von Mutter, Ehefrauen und/oder Freundinnen versorgt werden ... dagegen lebt ein Hartz4-Empfänger hierzulande noch in Saus und Braus!

Aaaaaaaaaaber ... heisst das jetzt, dass "Russen"-Spiele grundsätzlich schlecht sind? Nein, keineswegs. Was ich hier aufgeführt habe, sollen eigentlich nur bestimmte Charakteristika sein. Keine Wertung, kein grundsätzliches Abwerten aller Spiele aus Osteuropa. Man legt dort einfach nur auf ganz andere Dinge wert als hierzulande. Ja, ich kann mir über den Schwierigkeitslevel vieler Spiele von Nival oder GSC, den "westlichsten" aller Entwickler dort, lang und breit das Maul zerreisen. Ich muss gerade aber bei diesen beiden Entwicklern immer wieder mit Erstaunen feststellen, welch unglaubliche Liebe und Aufwand die Graphiker dort in die Gestaltung von Texturen und Modellen legen. Auch rein vom technischen Standpunkt müssen sich diese Spiele nicht hinter EA's neuesten Hochglanzprodukten verstecken.

Sie sind einfach nur anders, eben typisch "Russen-Gameplay"!

PS: Vitali meint, ich solle noch erwähnen, dass die russische Seele min. fünfmal so groß sei wie die der Amerikaner und das Russen die besten und großherzigsten Menschen der Welt seien. Ich mach das mal besser ... nein, Vitali, nein ... ich brauche noch min. einen ungebrochenen Finger, um diesen Eintrag zu schreiben, ehrlich ... hilfe, kann mich hier jemand hören?