Montag, 12. März 2007

Charme-Offensive

Es ist ja nichts neues, wenn ich hier erwähne, dass Nintendo mit dem DS so derart den Handheld-Markt abräumt, dass kaum jemandem auffällt, dass der/die/das Wii klammheimlich sich aufmacht die 360 und PS3 in die Tasche zu stecken.

Zahlen sind also das eine. Die kennt jeder. Doch ... WARUM ist das so? Wieso dominiert Big N wie Annodunnemals den Konsolenmarkt?

Ok, Nintendo versteht es zZ. am besten Spiele auch für Non-Gamer attraktiv zu machen, weil sie mit den etablierten Genre-Konventionen brechen. "Dr. Kawashimas Brain Training", "Animal Crossing" oder "Nintendogs" sind auch keine typischen, hmmm, Spiele. Nichts, was ich als alter Sack auf den ersten Blick als Spiel bezeichnen würde. Ich habe zB. letztlich eine Stunde lang Warioware gezockt und mich plötzlich gefragt, was ich da eigentlich tue? Eine Abfolge relativ schwachmatiger Mini-Reaktionstests. Nichts, womit ich als alter Sack und anerkannter Fachmann für ernsthaftes, erwachsenes Computerspiel normalerweise meine Zeit vergeude.

Oder nehmen wir Final Fantasy Tactics Advance, einen Port des gleichnamigen PSX-Spieles für den GBA. Nur aus reiner Neugier mal reingeschaut. Ob und wie sich dieser Port vom Original unterscheidet. Da gibt es diese eine Szene (siehe Screenshot). Nix besonderes. Wirklich nicht. Recht unspektakulär. Was eben die Hardware des GBA (leicht modifizierte SNES-Technik) so alles hergeben kann. Ich saß aber auf ein Mal da und wollte nur noch FF Tactics zocken. Mir überlegt, was ein GBA kostet. Welche Spiele ich mir dafür zulegen würde. Oder ob eine Investition in einen Nintendo DS doch besser wäre.

Warum? Warum mache ich das? Ich habe keine passenden Kindheitserinnerungen, die mein Handeln beeinflussen könnten. Ich habe nur ganz, ganz früher ein wenig mit dem Atari 2600 gezockt und sonst mein Taschengeld hin und wieder an Zaxxon- oder Xevious-Automaten verballert. Mario war lange Zeit irgendwas komisches, anderes. Hat mich nie interessiert. PC-Spiele waren dann angesagt.

Irgendwann kam aber die Erkenntnis.

Ich zocke diese Spiele, nicht wegen einer Retro- oder Kindheitserinnerung Nicht, weil 2D tollerer ist als 3D. Nicht, weil Nintendo gerade angesagt ist oder ich passend zum Zeitgeist all die phösen erwachsenen Killerspiele in die geistige Mülltonne werfe. Nope, nicht deswegen.

Sondern weil ich "bezaubert" bin. Hin und weg. Weil diese Spiele etwas haben, was ich zZ. bei vielen anderen Titeln vermisse:

Charme!

Weil sie nicht irgendwas vorgeben. Weil sie keine Fassade aufbauen, nichts vorgauckeln. Weil sie nicht "cool" oder "angesagt" machen. Weil sie nicht als Rechtfertigung für meine 600 Öhre teure Graphikkarte herhalten müssen. Weil sie so naiv und unschuldig sind. Weil sie dennoch (oder gerade deswegen) nicht primitiv sind. Weil sie einfach aus sich heraus dastehen und sagen: Spiel mich doch!

Ja, ich bin ein alter Sack. Mich überrascht nur noch wenig. Nur wenig kann mich noch heute vom Hocker reissen. Die Stimme der Vernunft und Abgeklärtheit dringt mächtig aus den hinteren Gehirnregionen in das Tagesbewusstsein. Und genau deswegen tappe ich so blind und nichts ahnend in diese Charme-Falle.

Spiele für Erwachsene. Das sind für mich nicht mehr Spiele, die mit Hektoliter Pixelblut oder grimmigen, akurat nachgebildeten Vernichtungswerkzeugen aus den letzten Weltkriegen um sich werfen. Spiele für Erwachsene sind für mich mittlerweile Titel, die nicht mehr ums Verrecken beweisen müssen, dass sie keine "Kinderspiele" mehr sind. Solche sind eher Spiele für Jugendliche, die der Welt beweisen möchten, dass sie keine Kinder mehr sind.

Und deswegen verkauft sich der DS und Wii auch wie geschnitten Brot. Weil sie Spiele bieten, die man jetzt, gewissermaßen im gesetzten Alter ;) zocken kann, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Weil sie auf dieses ganze Pubertätsgedöhnse verzichten. Weil keine Botschaft verkauft wird. Weil sie nicht vorgeben mehr zu sein als das, was sie sind. Nur Spiele!