Donnerstag, 8. März 2007

Titan Quäl

Ganz ehrlich, auch wenn ich mit großem Vergnügen ein übles Spiel in der Luft zerreise oder meinem Frust maliziös Luft lasse ... ich würde ja viel lieber schreiben: "Schaut mal hier. Das ist ganz tolles Spiel. Das läuft super, sieht klasse aus und macht durchweg einfach Spass". Weil ich dann nämlich viel Spass hatte.

Sprich, ich würde dies auch sehr, sehr gerne über Titan Quest schreiben ... nur, ich kann es nicht!

Beginnen wir mit den positiven Dingen. Den Dingen, die funktionieren, die gut sind, die Freude bereiten. Da wäre zB. ganz klar die Graphik. TQ sieht unverschämt gut aus. Aber nicht in dem Sinne, dass man hier einfach Pixelshader um Pixelshader in den Code geknallt hat und die Optik nur aus einer einzigen Effektorgie besteht. Nein, es ist der künstlerische Aspekt, die Farben, die Formen. Vor allem zu Beginn muss ich mich vergewissern, dass ich vor einem Monitor in einem Haus in einer verregneten und sturmumtosten Stadt Süddeutschlands sitze und NICHT meine Beine im Schatten einer Pinie irgendwo in Griechenland ausstrecke. Licht und Farben sind nahezu perfekt ausgewählt. Auch später bekomme ich plötzlich Durst, wenn ich die gleißenden Wüsten Ägyptens durchstreife und will meine Augen vor dem grellen Sonnenlicht schützen. Ich fröstele, wenn ich die dunklen Katakomben und Pharaonengräber betrete. Ich bekomme plötzlich das unstillbare Verlangen, einen alten Chackie Chan-Film anzuschauen, wenn ich später die jadegrünen Bambuswälder Süd-Chinas erkunde. Herrlich, herrlich!

Auch funktioniert das gute, alte DungeonHack-Gameplay, welches schon Diablo zu anhaltendem Erfolg geführt hat. Rumrennen, Monster metzeln, Char aufleveln, Rare Items sammeln. Einfaches, elementares Gameplay ohne viel Schnickschnack. Der Skilltree ist zwar recht umfangreich, aber im Gegensatz zu Diablo scheint man hier weniger Gefahr zu laufen den eigenen Char zu verskillen und x Stunden Spielzeit in die Tonne treten zu müssen. Man kann (falls dennoch dieser Fall eintritt) sogar Char-Fähigkeiten bei bestimmten "Händlern" zurückkaufen und neu vergeben. Hier ist TQ ganz klar besser als das Vorbild.

Dass die Karte wie bei Diablo 2 nicht zufällig generiert wird, ist zwar etwas schade, entschädigt aber durch einen enorm hohen Detailgrad. Manche Abschnitte wirken fast wie handgemalt. Hab ich schon erwähnt, dass TQ wunderhübsch ist?

Soviel zu den positiven Aspekten. Immerhin sind es zwei der wichtigsten Faktoren für ein Spiel. Optik und grundsätzliches Gameplay. TQ hat somit eigentlich alles, um nach 7 (!) Jahren Diablo 2 endlich vom Genrethron zu vertreiben. Eigentlich ... denn TQ nervt! Es nervt mit kleinen Details, mit Schlampereien, mit Nicklichkeiten im Interface, mit kleinen Bugs und Mini-Fehlern.

Nur der Vollständigkeit erwähne ich den unterirdischen Zustand der Releasefassung. Wer TQ spielen möchte, MUSS UNBEDINGT das Spiel patchen. Es sei denn, man hat Freude an korrupten Savegames, BTD-Crashes, sogar hin und wieder ein Bluescreen ...

Da haben wir zB. den Umstand, dass die Figur trotz Klicks auf einen Gegner oder eine Stelle in der Landschaft immer mal wieder stehenbleibt. Man sieht an den Statussymbolen oben links, dass man in diesem Moment weder blockiert, gefroren oder gelähmt ist. Die Figur rührt sich einfach nicht. Weiter geht es erst dann wieder, wenn man zB. in die entgegengesetzte Richtung oder seitlich der ursprünglichen Zielrichtung klickt. Oder die Figur läuft einfach mitten in die Gegnerhorde, obwohl sich ganz klar der Mauszeiger sich in ein Schwert verwandelt hatte und damit auf einen Gegner geklickt wurde. So ein Verhalten kann in einem Kampf, wenn jede Sekunde, jede Bewegung, jeder präzise Angriffsklick zählt, durchaus für ungewollten Distress beim Spieler sorgen: "What the ... hey? Scheisse, gestorben!".

Oder wir haben ein Inventory, welches angesichts der Unmasse an Items, Schadens- und Schutzwirkungen, sowie der Notwendigkeit gegen bestimmte Gegner bestimmte Resistenzen zu pushen, viel, viel zu klein ist. Es gibt keine externe Lagermöglichkeit. Ich muss alles mit mir herumschleppen. Das Inventory erweitert sich zwar mit aufsteigender Char-Stufe, aber dummerweise steigt im Laufe des Spieles auch der Bedarf an Lagerkapazität.

Auch muss ich jeden Gegenstand einzeln anklicken, will ich ihn aufheben. Dungeon Siege hat es mit dem Auto-Sammeln vorgemacht, Sacred hat es verfeinert. Warum verzichtet man bei TQ auf dieses Feature? Das Spiel wird dadurch nicht besser, das Fehlen dieses Features ist IMHO ein Rückschritt.

Oder das sog. Süd-Problem (wie es in den Foren genannt wird). TQ benutzt (wie das große Vorbild Diablo 2) eine isometrische Ansicht. Dumm ist jedoch nur, dass die Kameraposition trotz maximalen Herauszoomens mehr vom oberen, nördlichen Teil des Bildausschnitts zeigt als vom unteren, südlicheren Teil. Bewegt sich der Char also nach Süden, werden Gegner nur sehr spät endeckt, was sehr oft dazu führt, dass man mitten in eine dicke Feindansammlung platzt oder Fernkämpfer bereits das Feuer eröffnen, ohne dass der Spieler sie a) sehen und somit b) auch nicht per Fernangriff erreichen kann. Die übliche Strategie bei sehr starken Gruppen (vorsichtig Heranpirschen, Herauspicken der am Rande stehenden Gegner und einzelnes Ausschalten) klappt somit nicht, der Tod der Spielfigur steht schon fest. Eine Variante des Südproblemes stellen Kartenabschnitte mit dichter Bewaldung dar. Das sieht zwar sehr hübsch aus, wenn sich Vegetation maßstabsgetreu weit in den Himmel erstreckt, die Transparentschaltung der Baummodelle und Texturen erfolgt jedoch sehr spät, so dass man auch hier sehr leicht Opfer von Gegneransammlung wird, die man erst in dem Moment wahrnimmt, in dem man sich bereits mitten unter ihnen befindet. Ja, genau: "What the ... hey? Scheisse, gestorben!"

Der Tag/Nacht-Wechsel ist zwar atmosphärisch sehr schön geraten, führt aber auf manchen Kartenabschnitten dazu, dass man eben nachts kaum etwas erkennen kann. Jawoll, korrekt vermutet. Man läuft nicht wenige Mal überraschend in eine fette Gegnergruppe und macht sich in Gedanken schon mal bereit, in wenigen Sekunden wieder am Savepoint zu stehen. Klar, man könnte jetzt zwar sagen, dass es nachts NATÜRLICH gefährlich ist, gerade WEIL man nichts sehen kann. Keine Frage, dem ist ja auch so. Nur ... was mache ich dann in einem Spiel ohne die Möglichkeit zu Schlafen, wenn es Nacht wird? Entweder ich laufe Gefahr alle paar Meter zu sterben oder ich lasse die Figur einfach an Ort und Stelle stehen und warte einige Minuten auf den Morgen. Sprich: schönes optisches Feature, aber klare Behinderung des Spielflusses.

Oder die mangelnde Kollisionsabfrage bei Gegnermodellen, was hin und wieder dazu führt, dass man sich siegesgewiß einem einzelnen Bogenschützen nähert, aber zu spät erkennt, dass hier nicht einer, sondern manchmal bis zu vier Gegner ineinander stehen ... huch, steh ja plötzlich am Re-Inkarnationsbrunnen.

Und das im Zusammenspiel mit dem Savegame-System, welches mir als Spieler zwar erlaubt jederzeit den Status meiner Figur zu sichern, nicht jedoch den momentanen Ort und den Gegnerstatus. Leute, bitte! Savepoints!! Arghhhhhh!!! Warum? Warum bloß?? Müsst ihr beim Bestreben Diablo 2 zu kopieren, auch diesen Schrunz nachmachen?

Auch das Balancing ist nicht wirklich rund und sauber. Da gibt es Abschnitte, welche fast zu einfach sind, während später (vor allem in China und auf dem Olymp) das Gameplay sich folgendermaßen zusammensetzt: Laufen, auf Gegnergruppe treffen, zwei bis drei Treffer anbringen, dabei Heiltränke-Kampftrinken veranstalten, weglaufen, mit Eis-, Lähmzaubern (trotz hoher Resistenzen) oder Fallen gestoppt werden, entweder mit physischen oder magischen Attacken ein Drittel bis die Hälfte der HP pro Treffer abgezogen bekommen, sterben. Vom letzten Savepoint zur Gegnergruppe laufen, den ganzen Vorgang wiederholen bis die Gruppe eliminiert ist. Dieses "Spielchen" kann dann schon pro Gruppe mal locker ein dutzend Mal über die Bühne laufen. Mein Sterberate hatte sich nur in einem Kartenabschnitt im Vergleich zum Rest des Spieles davor etwa verdreifacht. Manchmal hilft auch oft nur ein Neustart des Spieles, um eine "schaffbarere" Monsterzusammensetzung in einem Kartenabschnitt zu bekommen, da diese per jedes Mal neu ausgewürfelt wird. So sind die Drachenzauberer im 3. Akt zB. kaum zu besiegen, da deren Zauber auf Grund ihres Schadens und Reichweite fast schon Instant-Death-Charakter haben. Spassfaktor? Tendiert gegen Null. Weil das Spiel auf einmal in stupide Bildschirmarbeit ausartet. Weil jeder Tod auch noch mit XP-Abzug "bestraft" wird. Vor allem auf dem Olymp habe ich zum Schluss einen HP-Trainer eingesetzt, weil mich dieses millimeterweise Vorwärtskriechen, das ständige Sterben und die Latscherei zurück zum Gegner nur noch angekotzt hat.

Ein Haufen kleinerer Probleme, die für sich einzeln genommen nicht sooo tragisch sind und die ich auch einzeln (manche mehr, andere weniger) tolerieren kann. In ihrer Häufung jedoch ... man muss schon sehr an sich halten und sich immer wieder vor Augen halten, dass TQ auch einige wichtige Dinge gut und richtig macht. Wäre dem nicht der Fall, das Spiel würde keine fünf Minuten auf meiner Festplatte verharren.

Wo ich aber ernsthaft die Krätze bekomme, ist der Umstand, dass TQ's Performance auch mit dem neuesten Patch immer noch unterirdisch ist. In der Releasefassung war es zB. fast nicht möglich eine Höhle oder einen "Innenraum" zu betreten, da die Laderuckler beim Nachladen der Kartendaten das Navigieren um den Eingangsbereich herum zu einem Glücksspiel werden liessen. Fast unspielbar! Mittlerweile ist das Ruckeln in diesen Bereichen nicht mehr so schlimm. Dafür hat man den Ruckelbereich großflächig weit vor und hinter den Eingangsbereich verteilt. Da lauern jedoch Gegner. Zum Teil heftige Gegner. Manchmal sogar Bossgegner. Man kann sich denken, wie dann Kämpfe verlaufen ... richtig, siehe oben: "What the ... hey? Scheisse, gestorben!".

Und es ruckelt ganz extrem, wenn in Höhlen Monster den Char durch die transparent gewordenen Wände sehen, falls die Kameraposition nahe genug an eine Wand kommt. Ja, wirklich, die können dann durch die Wände sehen und sich aufmachen den Char zu jagen. Die Wegfindungsroutinen um ca. zwei. drei Ecken scheinen so aufwendig zu sein, dass der Rechner dabei jedes Mal in die Knie geht. Da fällt es schlussendlich auch nicht ins Gewicht, dass auch fern ab jeglicher Höhlen das Spiel gerne das Ruckeln beginnt, wenn manche Kartendaten geladen werden, die sich nicht sonderlich von den Kartendaten unterscheiden, die ohne Ruckeln fünf Minuten vorher geladen werden konnten.

Nahangriffe sind dabei zwar noch einigermassen machbar (Maustaste gedrückt halten und hoffen, dass der Gegner in der Zwischenzeit tot ist). Bei Kämpfen mit Gegnern, bei denen nur eine Hit & Run-Taktik zum Erfolg führt, ist man aber nur noch am Schreien!

Es nützt nichts die Auflösung oder den Detailgrad zu verringern. Es nützt nichts, aktuelle Treiber für GPU oder Motherboard zu verwenden. Es nützt auch nichts die komplette Festplatte mit Hilfe spezieller Tools zu defragmentieren, weil man den XP-Bordmitteln nicht über den Weg traut. Es laufen auch keine Prozesse im Hintergrund, die periodisch für Systemlast verantwortlich sein könnten wie zB. AV-Tools oder Messenger. Die Spezifikationen meines Rechners liegen noch gut im grünen Bereich. Spielt alles keine Rolle: Ruckelzuckelruckelzuckelruckelzuckel ...

Fazit: Mal wieder wird dem Versuch, ein Spiel voller Pracht und Potential auf den Bildschirm zu zaubern, auf Grund technischer Probleme und mangelhafter Feinarbeit ein Riegel vorgeschoben. Wirklich, ich würde ja gerne, zu gerne, Titan Quest in den siebenten Himmel loben. Nur, ich kann es nicht ...