Freitag, 28. März 2008

Größe ist nicht alles

Vor einer Weile bin ich über diese Meldung bei Krawall gestolpert, in der sich SCi als Publisher nicht wirklich zufrieden über ca. 1,4 Millionen verkaufte Exemplare des Action-Titels "Kane & Lynch" gezeigt hat. Angesichts der alles andere als berauschenden Wertungen dieses Titels (Metascore: 66 Punkte) eine dennoch recht respektable Zahl.

Man könnte jetzt natürlich hingehen und sagen, dass die Jungs dort gierige Schweine sind, die sich mit nichts zufrieden geben wollen, die immer mehr, mehr, mehr haben wollen. Nun, so einfach ist das leider nicht.

Titel dieser Art werden international vermarktet, was neben potentiell höheren Umsätzen ganz profan auch höhere Marketingausgaben bedeutet. Dann wird alles versucht, damit ein potentieller Hit-Titel (Kane & Lynch wurde im Vorfeld als solcher auch von der Presse behandelt) noch mehr Aufmerksamkeit bekommt, damit noch mehr potentielle Kunden auf ihn aufmerksam werden. Sprich, noch höhere Marketingkosten, in der bloßen Hoffnung, dass ein bestimmter Titel NICHT floppt und sein Umsatz dazu beiträgt, dass die anderen Flopps im Programm des Publishers das Gesamtergebnis nicht zu stark beeinträchtigen. Was schlussendlich dazu führt, dass irgendwann die für diesen Titel getätigten Investitionen in keinem Verhältnis mehr zur Zahl der potentiellen Käufer stehen. Von daher würde ich schon gerne wissen, was Microsoft am Ende des Tages, respektive nach Abzug der Kosten für die bis dato umfangreichste Marketingkampagne, die ein Spiel promoten sollte, von all den Rekord-Halo 3-Umsätzen noch hat.

Man muss dazu aber auch sagen, dass der Markt im AAA-Bereich derart übersättigt ist, dass man ohne massive Werbemaßnahmen ÜBERHAUPT keinen Stich machen kann. Entweder ich konzentriere mich von Beginn an auf die Nische oder ich muss damit leben, dass mittlerweile fast die Hälfte des Budgets für Marketing aufgebracht werden muss, damit mein Titel überhaupt vernünftig wahrgenommen wird.

Sprich, je größer ein Publisher ist, je mehr Geld in einen Titel investiert wird, desto wichtiger ist es, dass diese Titel weltweit in großen Stückzahlen abgesetzt werden. Sicher, man kann, wenn man alles richtig gemacht hat UND noch eine gehörige Portion Glück hat, immense Summen verdienen. Siehe Nintendo. Man kann aber auch gehörig auf die Schnauze fallen und trotz hoher Absätze eines bestimmten Titels dennoch am Ende des Fiskaljahres mit weniger Geld auf dem Konto dastehen, weil der Rest des Programmes eben stinkt oder man das Geld anderweitig zum Fenster rausgeblasen hat. Wie derzeit Take 2 mit einem Quartalsverlust von 38 Mio. Dollar. Trotz Bioshock, respektablen Umsätzen (Chartplatzierungen weltweit) und eines beispiellosen Hypes.

Nein, es wundert mich daher überhaupt nicht, wenn man sich bei SCi unzufrieden über die Verkäufe von "Kane & Lynch" zeigt. Dieser Titel wurde als Top-Seller betrachtet, die zukünftige Geschäftsentwicklung dieses Publishers basiert wahrscheinlich auf der Annahme, dass man von diesem Titel min. x Mio. Stück verkaufen kann. Nun sind es "nur" 1,4 Mio. Stück geworden. Was für uns Laien nach einer tollen Zahl klingt, kann für einen Publisher einer bestimmten Größe und angesichts einer bestimmten Investitionssumme eine herbe Enttäuschung sein.

Unter diesen Gesichtspunkten sollte man auch die Meldungen beurteilen, dass EA und Midway von Crysis und Unreal Tournament 3 mittlerweile doch jeweils 1 Mio. Stück verkaufen konnten. Ja, hört sich gut an. Doch ob das für Titel mit einem im Vorfeld so hoch gehandelten Hitpotential und für die Ansprüche zweier großer Publisher genug sein kann? Ich bezweifle es ...

Und unter diesen Gesichtspunkten sollte man auch die Umsätze von "Sins of a Solar Empire" betrachten, deren 100.000 Stück in den ersten zwei Verkaufswochen jetzt nicht sooo dolle klingen, die man aber in Verhältnis zu Entwicklungs- und Marketingaufwand dieses Titels setzen muss. Letztlich hat man sogar stolz den zweiten Platz in den US-PC-Charts des Monats Februar präsentiert, ohne dass hier die eigenen Download-Zahlen oder die Umsätze von Ketten wie Walmart berücksichtigt wurden. Oder man betrachte diese Zahlen, nach denen angeblich letztes Jahr 2,25 Milliarden (!) Dollar für sog, Casual Games à la Bejeweled ausgegeben wurde. 2,25 Mrd. Dollar, ohne dass hier gigantische Marketingkampagnen gefahren werden mussten und ohne dass man einen großen Konzern mit dem üblichen Wasserkopf-Anteil durchfüttert.

Wäre ich Spiele-Entwickler, ich wüsste, welche Spiele ich machen würde und/oder auf welchem Wege ich meine Spiele vertreiben würde, wenn ich davon leben möchte. Spiele, die preiswert herzustellen sind. Spiele, die man mit möglichst wenig Mittelsmännern direkt an den Kunden verkaufen kann. Und Spiele, die auf einer möglichst breiten Hardwarebasis laufen können und keine hochgezüchtete Spezial-Technik benötigen. Sprich, relativ einfache PC-Spiele oder Spiele für ein dediziertes Nischenpublikum, die man direkt online vertreibt, ohne Zwischenhändler, ohne großartiges Marketing. Man kann zwar dadurch potentiell weniger verkaufen, muss den Gewinn aber nicht mit Zwischenhandel und Publisher teilen. Weniger ist hier auf jeden Fall mehr.

Beispiele, wie sowas funktionieren kann:

- Reflexive, die aus der Asche eines gescheiterten Entwickler für Vollpreis-Titel zu einem höchst erfolgreichen Anbieter für Casual Games mit eigener Vertriebsplattform aufgestiegen sind.

- Und wer als Entwickler keine Casual Games machen mag (manche Leute haben so ihren Stolz), der sucht sich eine bestimmte Nische aus, wie Spiderweb Games, die seit vielen Jahren erfolgreich die Nische "Oldschool-Rollenspiele mit Anspruch" besetzen.

- Oder Valve, die das Glück hatten, mit Counterstrike und Half-Life 2 Steam als unabhängige Vertriebsplattform zu etablieren, so dass man a) für die eigenen Produkte nicht mehr vor den Publishern buckeln muss, b) die Publisher mittlerweile angekrochen kommen (Bittebitte, bekommen wir die Retailrechte? Bitte, bitte, dürfen wir unseren Back-Katalog über Euch vertreiben?) und c) mittlerweile als begehrte Vertriebsplattform für Indie-Spiele (Darwinia, Audiosurf, ...) gelten.

Wer braucht schon Activison/Vivendi/EA und Co.? Wird ja nächstes Jahr noch schlimmer, wenn Take2 geschluckt wird, Ubisoft wahrscheinlich ebenfalls gekauft und der Spielemarkt von dann nur zwei, drei Konzernen beherrscht wird. Und wie in der Musik-Industrie, so werden es diese Konglomerate immer weniger schaffen, den immer weiter aufsplitternden Geschmack der Kundschaft zu bedienen, weil man ein bestimmtes Minimum an Millionen-Umsätzen erzielen MUSS. Man wird immer stärker auf Nummer Sicher gehen müssen, wird noch weniger Risiken eingehen und noch langweiligere Graphikblender auf den Markt werfen.

Ich bin gespannt, wohin die Reise gehen wird ...