Mittwoch, 1. August 2007

Die Zehn Grossen Irrtümer des Gamers, Part Two

Ohne viel Vorgerede die nächsten fünf Grossen Irrtümer des Gamers:

6. Der PC ist tot!
Angesichts aktueller Umsatzzahlen, des phänomenalen Erfolgs der Wii und des DS, der eindrucksvollen Technik der 360 und der PS3 wird (mal wieder) der Tod des PC verkündet. Aus, finito, das war's! So zumindest erschallt es immer wieder in Foren oder in Interviews mit allwissenden Designlegenden (oder zumindest Möchtegern-Designlegenden).

Nun, das ist sooo ... nicht ganz von der Hand zuweisen und enthält einen nicht unkleinen Kern an Wahrheit.

Ja, die Lage sieht düster aus. Immer mehr Genres wandern erfolgreich vom PC zu den Konsolen. Reine PC-Titel werden immer seltener, Multiplattform-Spiele sind mittlerweile die Regel. Weltweit sind es nur noch Deutschland und Südkorea, in denen (noch) mehr PC-Spiele als Konsolentitel verkauft werden. Ja, man könnte in einem schwachen Moment sich der Behauptung, dass das PC-Spiel tot ist, durchaus anschliessen.

Aaaaaber ... schaut man sich das Niveau an, auf dem mit PC-Spielen Umsatz erzielt wird und vergleicht dieses mit den Umsätzen vor zehn Jahren, so ist leidet man auf sehr hohem Niveau. Man kann mit PC-Spielen immer noch sehr gutes Geld verdienen. Sogar mit aufwendigen Blockbuster-PC-Only-Titeln wie zB. "Company of Heroes". Hey, selbst Gothic 3 hat sich blendend verkauft! *kicher* Nein, der PC ist alles andere als "tot". Er ist vor allem für den semi-professionellen Bereich, für Indie-Entwickler, für den Nachwuchs und als Talentschmiede immer noch die erste Wahl. Ein PC und ein C++-Compiler ist günstig zu erstehen. Aber als Amateur mit Programmier-Ambitionen die Hände an ein Konsolen-Devkit zu bekommen? Unmöglich!

Und noch ein nicht von der Hand zuweisendes Argument, warum der PC als Spieleplattform niemals tot sein wird. Auch wenn Steve Ballmer gerne groß die Klappe aufreisst und man ihm selbstverständlich nicht alles glauben sollte, was er so den lieben, langen Tag an Weisheiten von sich gibt, so muss man ihm doch zugestehen, dass er nicht ganz Unrecht hat, wenn er davon ausgeht, dass es 2008 1 Milliarde (1.000.000.000 Stk.) Windows-Rechner geben wird. Der PC ist selbst ohne die Ballmerschen Übertreibungen immer noch die am meisten verbreitete Hardware-Plattform. Meine Meinung dazu ... na, irgendjemand wird damit bestimmt spielen wollen :)

7. Computerspiele machen gewalttätig
Ähhh, und was hat das jetzt hier zu suchen? Sind Gamer nicht eine geschlossene Gemeinschaft, die stark und vereint sich den bundesdeutschen Innenministern entgegenstellt?

Nein, sind sie nicht. Gamer sind auch nur Menschen. Jaja, wirklich! Doch, ist so! Und Menschen sind unterschiedlich, höchst unterschiedlich in ihren Geschmäckern und Meinungen. Es hat mich in den letzten Monaten daher nicht so sehr überrascht, als man landauf, landab auf Leute gestoßen ist, die zwar selber Gamer sind, die aber sehr engagiert und (vor allem) emotionalisiert gegen "Killerspiele" wettern. Oder die Dank des allgegenwärtigen Medienfeuerwerks schon so verunsichert sind, dass sie plötzlich mit "Ha, irgendwas ist doch dran, oder?" anfangen. Ich möchte an dieser Stelle nicht nochmal all die Punkte aufführen, die gegen die These von der "Gewaltförderung" durch Computerspiele sprechen. Sie sind bereits an anderer Stelle oft genug durchgekaut worden. Ich liste diesen ganz speziellen Gamer-Irrtum daher nur der Vollständigkeit halber auf.

8. Genre A funktioniert nur mit Interface X
Eng verknüpft mit Punkt 6 und generell den üblichen Flamewars ist die Behauptung, dass ein bestimmtes Genre nur mit einem ganz bestimmten Interface funktioniert. Nun, klingt beim ersten Nachdenken durchaus glaubhaft. Ego-Shooter oder ein RTS auf einer Konsole, so ohne Maus und Keyboard, nur mit Gamepad? Ein Brawler oder Plattformer für den PC mit Keyboard- oder gar Maussteuerung? Was für'n Quatsch!

Nein, überhaupt nicht. Ich selber kann zwar keinen Ego-Shooter mit dem Gamepad spielen, weil ich es nicht gewohnt bin. Aber das ändert nichts daran, dass Ego-Shooter mittlerweile auf Konsolen ganz hervorragend funktionieren. Weil man sich ernsthaft bemüht hat, dieses Genre auf auch dieser Plattform zum Laufen zu bringen. Oder schauen wir nur einmal in die jüngere PC-Historie. Ach, was brach da nicht ein Sturm der Entrüstung los, als herauskam, dass "Freelancer" nur mit der Maus zu steuern und kein Joystick-Support geplant war. Weil man Weltraum-Flugsims nämlich nur mit einem Joystick spielen kann! Niemals mit einer Maus!

Ach, wirklich? Man kann schon. Man kann sehr viel. Ich bin auch überzeugt, dass wir in allerspätestens zwei bis drei Jahren das erste gut spielbare RTS für ein Gamepad-Interface sehen werden. Man muss nur wollen! Und selber aufpassen, dass die eigenen Scheuklappen nicht zu groß werden ...

9. Daikatana ist scheisse!
"Daikacrappa"! So wird dieses Spiel vor allem in den angelsächsischen Ländern gerne genannt. Weil es eben scheisse ist. Weil John Romero ein Witzfigur ist und man sich so köstlich über ihn das Maul zerreissen kann. Weil seine Frauengeschichten genug Material für Klatsch und Tratsch abwerfen.

Lionhead? Haben die nicht letztlich erst 10-jähriges Jubiläum gefeiert? Das waren doch die mit dem Tamagotchi-Dreck, oder?
Jepp, "Black & White". Das waren die, und Molyneux rennt immer noch in der Gegend herum und schwallt das Blaue vom Himmel runter!
Ehrlich? Nää, oder? Der Typ hat doch ne Klatsche!

Warren Spector? Der baut doch nur Scheisse! Deux Ex 2 ist so ein Kack! Ja, Deux Ex 2 ist ein Kack! Spector, der kann doch nix mehr! Scheiss Konsoliteritis!

Nur drei Beispiele von diversen Vorurteilen, die seit Jahren durch die "Szene" wabern. Zum Teil nicht ganz ohne Berechtigung, zugegeben. Was aber nichts daran ändert, dass es Vorurteile sind. Vielfach basierend auf reinem Hörensagen. Ohne eigenes Wissen unbesehen übernommen. Weil das ja alle sagen. Und nicht ausrottbar! Selbst wenn Peter Molyneux plötzlich ins Kloster ginge und sich in Demut und Bescheidenheit üben würde. Selbst wenn John Romero plötzlich einen Mörderhit landen und ein neues Genre begründen würde. Peter Molyneux hat einen an der Klatsche und John Romero ist doch der Typ mit den langen Haaren und der rumänischen Mailorder-Braut, oder?

10. Früher war alles besser
Der finale und ultimate Irrtum! Die Mutter aller Gamer-Irrtümer! Gibt es seit Jahrtausenden in vielerlei Ausführungen quer durch alle Kulturen und Länder. Früher war einfach alles besser!!

Doch zurück zum Gamer, zum Computerspiel. Wird auch gerne von mir verwendet. Bin da nicht ganz frei von. Und daher darf ich auch sagen, dass das kompletter BULLSHIT ist! Früher waren die Spiele NICHT besser. Sie waren nur primitiver. Sie waren einfacher. Wir waren einfacher. Wir waren ja noch jung, dumm und unwissend. Heute sind wir jedoch alt, dumm und eingebildet!

Ich habe vor eine Weile wieder Diablo 1 ausgepackt. Bock auf ein paar Level Monstergemetzel bekommen. Nach einer halben Stunde wieder von der Platte geworfen. Weil es nicht spielbar war. Rein technisch schon. Aber ich konnte es nicht mehr spielen. Weil ich zB. ständig die Alt-Taste gedrückt habe und kein Item angezeigt wurde. Weil all die feinen Interface-Verbesserungen von Diablo 2 natürlich nicht vorhanden waren. Weil ich dann doch keinen Bock hatte, mich extra wieder einzugewöhnen! Zu umständlich!

Im Zuge der kürzlich stattgefundenen Aktion "DOS-Spiele Recovery via P2P" auch wieder in einige der alten AD&D-Rollenspiele von SSI reingeschaut. Wieder Lust bekommen Eye of the Beholder zu zocken. Nach ein paar Minuten natürlich heillos verirrt, weil ich es nicht mehr gewohnt war, selber Karten zu zeichnen. Automap-Verwöhnt!

Alte Graphik stört mich nicht so sehr. Aber ein altes, grobes Interface, fehlende Komfort-Funktionen und der Mangel an Tutorials bei älteren Spielen, die ich nicht so gut oder gar nicht kenne, halten mich wirklich davon ab, freudig ins Horn von "Früher war alles besser" zu stoßen, auch wenn ich hin und wieder das Bedürfnis dazu habe. Eine aktuelle Graphik brauche ich nicht unbedingt. Ich kann mit platten Sprites, einer Auflösung von 320x200 Bildpunkten und EGA leben. Ist alles erträglich, wenn das Spiel als solches locker von der Hand geht. Ich kann aber fast nicht mehr ohne all die Interface-Verbesserungen leben, die im Laufe der letzten Jahre Standard geworden sind. Kontextsensitive Mausklicks, Hilfe-Popups, Sortierfunktionen, ein Quest-Journal (!). Um nur mal einige Punkte zu nennen. Nein, früher war definitiv NICHT alles besser!