Dienstag, 31. Juli 2007

Die Zehn Grossen Irrtümer des Gamers, Part One

Wenn man so durch Foren und Blogs und das Usenet streift, stößt man im Laufe der Zeit auf diverse Behauptungen, die immer wieder gerne ungeprüft in die Diskussion eingebracht werden, weil "es ja so ist". Selbstverständlichkeiten, die sich bei näherer Betrachtung als Vorurteil, als Schutzbehauptung, als haltloses Gerücht oder schlichtweg als blanker Irrtum entpuppen, den jeder mal begehen kann.

Ohne Wertung nach weniger oder stärker "irrtümlich" folgen hier nun:

DIE ZEHN GROSSEN IRRTÜMER DES GAMERS:

1. Raubkopien sind schädlich!
Das hört man schon seit vielen, vielen Jahren. Zuerst war es der Amiga, der angeblich durch exzessives Kopieren getötet wurde, weil niemand mehr Software für diese Plattform entwickeln wollte. FLASCH! Der Amiga wurde getötet, weil Commodore dem plötzlich einsetzenden Siegeszug des PCs nichts entgegenzusetzen hatte. Auch wenn die letzten Amiga-Modelle leistungsmäßig die damaligen PC-Jahrgänge locker in den Schatten gestellt haben, so waren sie schlichtweg ZU TEUER, um für den sich öffnenden Massenmarkt attraktiv genug zu sein. Diverse Managementfehler und finanzielle Schludrigkeiten haben ihr Übriges zum Untergang der Marke Amiga und der Firma Commodore beigetragen.

Dann werden immer wieder gerne bestimmte Entwickler angeführt, die angeblich wegen Kopien bankrott gingen. Wie zB. Looking Glass. Nein, Looking Glass ging NICHT wegen Kopien zugrunde. Hauptsächlich verantwortlich waren finanzielle Turbulenzen ihres damaligen Publishers, Eidos Interactive. Einen detaillierten Blick auf die Hintergründe des tragischen Geschehens findet man übrigens HIER. Kein Wort von Raubkopien. Kein einziges ...

Interessant ist auch der logische Zirkelschluss, den manche Leute in diesen Diskussion anbringen: "Wenn Kopien kein Problem wären, warum packt dann jeder Publisher einen Kopierschutz auf die Scheiben?". Nun, einen Kopierschutz zu umgehen und/oder Code-Tabellen zu erstellen und zu fotokopieren waren Kinderkram für den Kopierer und Belästigung für den Kunden, seit es Key-Disks gab, die durch regelmäßiges Benutzen natürlich ruckzuck den Geist aufgaben und den Kunden dumm dastehen ließen. Kopierschutz-Systeme haben niemals ihren eigentlichen Zweck erfüllt. Kopierschutz-Systeme werden heute nur noch verwendet, wenn der Verantwortliche paranoid ist und tatsächlich an einen Nutzen glaubt oder wenn der Publisher börsennotiert ist und den (in der Regel ahnungslosen) Aktionären beweisen möchte, dass man gewillt ist die Umsätze zu schützen.

2. MMO/Multiplayer ist die Zukunft
Direkt verknüpft mit dem Thema "Raubkopien" ist die Behauptung, dass MMO-Spielen und Multiplayer generell die Zukunft gehört. Wer heute keinen MP-Mode anbietet, der verkauft nix!

Nun, das ist so nicht ganz richtig :)

MMO-Spiele sind ein neues Genre, dass sich in den letzten Jahren einer gewissen Beliebtheit erfreut. Vergleicht man aber die Mitspieler-, bzw. Abonenntenzahlen von MMO-Spielen mit den Umsatzzahlen von reinen SP-Spielen, so relativiert sich diese Behauptung sehr schnell. MMO-Spiele sind "nur" ein bestimmtes Genre, dass Leute anspricht, die eben an MMO-Spielen Gefallen finden. Die Immersion, mit der diese Spiele den Teilnehmer "aufsaugen", führt gerne zu einer gewissen Scheuklappenhaltung, in der man nur zu gerne denkt, dass es ausser MMO sonst nicht mehr viel gibt. Verstärkt wird diese Denkhaltung natürlich auch von den üblichen großkotzigen Pressemitteilungen und Interviewäusserungen der Entwickler, die schlichtweg aus eigenem Interesse hier gerne auf den Putz hauen.

Auch der MP-Part ist in der Regel nur ein Teil des Gesamtpaketes. Manche spiele nur Multiplayer, andere nur Singleplayer, dritte beides. Man muss nicht ums Verrecken einen MP-Part in jedes Spiel einbauen. Vor allem Rollenspiele funktionieren tatellos als SP-Spiel (und werden auch entsprechend verkauft), weil sie auf narrative Strukturen setzen, die in einem MP-Spiel nicht realisiert werden können. MMO und Multiplayer sind für bestimmte Genres wichtig, keine Frage. Aber sie sind NICHT die Zukunft. Sie nur nur ein Teil der Zukunft!

3. Innovativ ist besser!
Ja, natürlich (!) ist Innovation besser. Aber Spiele werden nicht gemacht, um die Menscheit geistig-moralisch voranzubringen, sondern um für Publisher und Entwickler Profite zu erwirtschaften.

Innovation gilt in der Branche sogar als ausgesprochenes Kassengift. Innovative, hervorragende und erstklassig gemachte Spiele, die jedoch wie Blei in den Regalen liegen bleiben, sind Legion. Entwickler wie Publisher haben ihre bitteren Lektionen gelernt. Wie sehr trauere ich zB. den ersten Entwürfen und Gameplay-Konzepten von Warcraft 3 hinterher, die jedoch später zu Gunsten eines "herkömmlichen" und traditionellen RTS-Ansatzes weichen mussten. Weil zuviel Innovation den Kunden verschreckt. Weil der Kunde im Grunde immer nur das Gleiche will. Die Graphik darf gerne aufgehübscht werden, das Spiel MUSS jedoch oftmals unverändert bleiben. Weil man sich nur ungern umgewöhnen möchte. Denn für einen Großteil der Kundschaft sind Spiele keine elementarer Lebeninhalt, sondern simple Freizeitunterhaltung, die man ohne große Anstrengung locker-flockig-leicht konsumieren möchte. Jede Abweichung von der Norm stört daher. Innovation darf, wenn überhaupt, nur in kleinen, homöopathischen Dosen verabreicht werden.

4. Savepoints machen Spiele schwerer
Hierzu sage ich nicht mehr viel. Savepoints machen ein Spiel nur länger. Fertig, Aus. Diskussion beendet! Wer anderer Meinung ist, hat unrecht und ist selber doof!

5. Graphik ist nichts, Gameplay ist alles
Hier muss mich etwas an die eigene Nase fassen. Denn ich bin jemand, der gerne lautstark über Graphikblender herzieht und "Gameplay, Gameplay uber alles!" intonierend jeden einzelnen Pixelshader verteufelt.

Nun, auch dies ist sooo nicht ganz richtig ... ich möchte dies mit einem einfachen Beispiel erläutern, ohne mich in ellenlangen Erläuterungen zu ergehen.

Betrachten wir die graphische Evolution, welche die Final Fantasy-Spiele im Laufe der Jahre durchgemacht haben. Von den 16 Farben und groben Blockgraphiken eines NES-Spieles, über die gerenderten Hintergründe eines FF VII bis hin zum aktuellsten HD-Trailer des angekündigten Final Fantasy XIII für die PS3. Im Grunde hat sich am Gameplay nicht viel geändert. Doch, ganz ehrlich, ich würde ein 16 Farben-Blockgraphik-Soundgepiepse heute nicht mehr mit der Kneifzange anfassen. Vielleicht für ein, zwei Stunden, um ein wenig im Retro-Rausch zu schwelgen, aber so richtig ernsthaft spielen, bzw. dafür sogar Geld ausgeben? Näääää!

Gameplay IST wichtig! Ohne eine gutes Gameplay-Konzept nützt mir die schönste Graphik nichts. Gameplay *MUSS* *IMMER* an erster Stelle kommen. Doch ich habe nichts, überhaupt nichts gegen ein gediegenes, optisches Feuerwerk einzuwenden. Graphik ist nicht so sehr wichtig, aber gute Graphik möchte ich nicht mehr missen.

Und morgen geht's weiter mit den nächsten fünf großen Irrtümern!