Retro-Impressionen: Curse of Enchantia
Aus der Reihe "Missgriffe der Spielegeschichte" präsentieren wir Ihnen heute "Curse of Enchantia", ein Adventure aus dem Jahre 1992 von Core Design. Richtig, das sind die, die vier Jahre später mit "Tomb Raider" einen bedeutenden Teil zur Spielegeschichte beigetragen haben. Aber wir wollen uns heute nur mit CoE beschäftigen.
Im Jahre 1992 war die Adventurewelt noch in Ordnung. Das Genre stand in voller Blüte und es erschien in diesem Jahr mit "Indiana Jones and the Fate of Atlantis" das IMHO beste Adventure aller Zeiten! Alles war gut!
Und so dachte man sich bei Core Design wohl ...
"Hmm, probieren wir doch mal was neues aus! Denn in allen Adventures klickt man Verben an und hat ja im Grunde nur einen graphisch leicht aufpolierten Textparser. Das wollen wir anders machen, Wir verzichten KOMPLETT auf Text und stellen dem Spieler ein Set aus Symbolen zur Verfügung, mit denen er die Umgebung manipulieren kann. Das wird bestimmt DER Bringer!"
Soweit, so gut. Doch leider geriet die Umsetzung dieser Idee zu einer wahren Ergonomie-Katastrophe!
Anstatt den Cursor direkt mit der Umgebung interagieren zu lassen und bestimmte Handlungen über bestimmte Icons auszulösen (Sehen, Benutzen ...) konnte man mit einem Linksklick nur die Spielfigur durch die Gegend laufen lassen. Es konnte kein Objekt, kein Ort in der Welt direkt angeklickt werden. Ein Rechtsklick hingegen liess ein Symbolmenü aufklappen, aus dem Spieler in teils weiter verschachtelten Untermenüs knapp 20 verschiedene Aktionen auslösen konnte. Die Schwierigkeit bestand nun darin, aus diesem Wust die richtige Symbol-Kombination auszuwählen, nur um zB. eine Tür zu öffnen.
Ein Beispiel: Wir öffnen ein Schloss mit einem bereits vorhandenen Schlüssel
· Man klickt auf das "offene Hand"-Symbol (Manipulieren, Benutzen).
· Es öffnet sich das Manipulieren/Benutzen-Untermenü.
· Man klickt auf das "Schlüsselloch"-Symbol (Aufschliessen/Zuschliessen).
· Es erscheinen alle verfügbaren Objekte, die damit in Zusammenhang stehen könnten.
· Man klickt auf das "Taschen"-Symbol (Inventory).
· Man klickt auf den Schlüssel.
· Es erscheinen alle verfügbaren Objekte, die damit in Zusammenhang stehen könnten
· Man klickt auf das aufzuschliessende Objekt.
Klingt jetzt eigentlich recht logisch. Das Problem dabei war jedoch, dass jede Aktion die Symbolleiste mit einem über- oder untergeordneten Symbolmenü ersetzt hat. Im Gegensatz zum etablierten SCUMM-Interface der LucasArts-Adventure eine ziemlich unübersichtlichtliche Symbolwüste, die einiges an Einarbeitungs- und Eindenkungszeit erfordert hat. Das alleine war jedoch nicht der Killer, der dieses Spiel verdientermaßen in die Vergessenheit geschickt hat.
Nachfolgend ein Screenshot des Startbildschirmes. Ich bin seinerzeit nicht über diesen ersten Startbildschirm hinausgekommen. Erst viele Jahre später fand ich dank Internetanschluss und Walkthrough heraus, was ich hier hätte machen müssen ...
Neben der rechten Säule ist eine Spalte im Gemäuer. Diese galt es a) zu erkennen und b) entsprechend zu manipulieren. Das Problem mit diesem Spalt war jedoch der Umstand, dass er erst dann als aktives Objekt in einem der Untermenüs erschien, wenn man direkt davor stand. Benutzte man also ein, zwei Pixel weiter entfernt das "Auge"-Symbol, um sich alle Objekte anzuschauen, so wurde natürlich nichts angezeigt. Man konnte ja nicht mit der Maus direkt auf einen Bildabschnitt klicken und einen "Schau dies an"-Befehl auslösen oder einen "look room"-Befehl im Parser eintippen. Man musste die Spielfigur millimeterweise durch das Bild bewegen und jedesmal alle Untermenüs durchtesten, ob sich nicht irgendwo etwas in unmittelbarer Nähe der Figur tut.
Horror!
Besonders ärgerlich war dieses Interface-Chaos, weil der Rest des Spieles richtig gut war, bzw. gewesen sein soll. Bin ja nicht weit gekommen. Wunderschöne Graphiken, eingängige Melodien und ein feiner, britischer Humor. Und noch ärgerlicher ist der Umstand, dass man eine an sich gute Idee so komplett in den Sand setzen konnte, wo doch bereits zwei (!) Jahre vorher Sierra mit dem fünften Teil der Kings Quest-Reihe (also ein nicht ganz so unbekanntes Spiel) demonstriert hat, wie man sich von dem textbasierten Interface der Genre-Urväter lösen kann.
Eine nach Bedarf einblendbare Symbolleiste mit acht Interaktionsmöglichkeiten und einem Cursor, mit dem man diese acht Möglichkeiten direkt im Bild präzise steuern konnte.
Aber nein, wohl im Bemühen es ums Verrecken anders zu machen, kam dann eine eigene Lösung heraus, die man direkt in die Mülltonne treten konnte. Erinnert an nicht wenige deutsche Entwickler, die sich auch nur selten an etablierte Standards halten wollen und Spiele veröffentlichen, die man nur mit einer gewissen Leidensfähigkeit bedienen kann.
Tja, und als ich dieses Spiel kürzlich wiederentdeckt hatte, habe ich natürlich gleich nach einem Walkthrough geschaut, nach so vielen Jahren endlich den Startbildschirm verlassen können ... nur, um anschliessend 7.13 MB wieder von der Festplatte zu putzen. Bei aller Liebe zu alten Spielen, aber es gibt Grenzen!