Freitag, 24. August 2007

Bodensatz-Shooter

Nachdem gerade mindestens die halbe Gamerwelt am Rad dreht, weil Bioshock grundsätzlich auf Erden erschienen ist, Widescreen-Besitzer verhohnepiepelt werden , das Spiel das mit Abstand dämlichste DRM seit Starforce hat ...

... will ich als Kontrastprogramm gerne den Blick auf Shooter werfen, für die sich überhaupt niemand interessiert hat. Weil sie nämlich rotzeübelkacke waren. Die Rede ist vom Bodensatz des Shootergenres ...

Kapitel Eins - Das Vorgeplänkel:

Eigentlich mag ich ja eBay.

Nicht, weil ich dort arbeite (*schauder*) oder dort als Profi-Seller Abermillionen verdiene (schön wärs). Nein, sondern weil ich ab und an beim Durchforsten des Angebotes auf gewisse Spiele stoße, die ich zum Vollpreis nie kaufen würde, die ich nicht einmal als Budget erwerben würde und für die ich nicht einmal Bandbreite verschwenden würde, um sie herunterzuladen. Wenn aber die Schnäppchen-Falle zuschlägt, ist alles zu spät. Ich MUSS dann dieses Spiel haben. Ich MUSS diese Handvoll Euro zum Fenster rausblasen. Weil es gut tut, wenn der Schmerz nachlässt.

Angemacht haben mich auf diese Weise eine Reihe von Shooter-Schnäppchen, für die sich schon beim Release keine Sau interessiert hat und für die sich folgerichtig auch bei eBay keine Sau interessiert. Was dann dazu führt, dass ich diese Titel in der Regel für den berühmt-berüchtigten Euro plus max. 2-3 Euro Porto bekommen kann. Für die Sammlung. Damit sie komplett ist. Aus einem etwas seltsamen Meta-Interesse an Spielen, die ich wahrscheinlich niemals durchspielen würde, die ich aber unbedingt im Regal stehen haben muss. Schliesslich muss ich ja später dokumentieren können, wie und auf welche Weise das Shootergenre den Weg der Dekadenz und des Niederganges beschritt, wenn denn einst der Niedergang des Shooter-Genres stattgefunden hat.

Zusätzlichen Reiz gewinnen diese Titel auch dadurch, dass sie im Grunde aus den viel besagten Jugendschutzgründen eigentlich nix auf eBay zu suchen hätten, sie aber dennoch diversen Filtern und spähenden Praktikanntenaugen entgangen sind. Wahrscheinlich gerade, WEIL sie niemand kennt und sich niemand für sie interessiert.

Hier eine kleine Auswahl an Titeln aus den letzten 10-15 Jahren, die man wirklich nicht gesehen haben muss ...


Kapitel Zwei - Historisch und Prä-Hysterisch:

Wir beginnen mit einem Frühwerk des Shooter-Trashs, welches in seiner Präsentation und Aufmachung einem Uwe Boll alle Ehre gemacht hätte ...

- Operation Body Count
1992 erschütterte ID Software mit "Wolfenstein 3D" die Spielewelt. Der sog. First-Person-Shooter hatte sich als eigenständiges Genre etabliert und zog mit seiner phänomenalen, flüssigen Bewegung in einem dreidimensionalen Raum alle Welt in ihren Bann. In der Folge musste jeder Publisher natürlich auch so ein FPS im Programm haben. Capstone "erfreute" den Markt 1994 gleich mit zwei Spielen dieser Art. Während "Corridor 7" als leidlich akzeptabler ScienceFiction-Klon von Wolfenstein-3D zumindest etwas spielerische Qualität austrahlte, so war OBC ein kompletter Griff ins Klo. Phöse Terroristen haben das UN-Gebäude besetzt. Natürlich tragen viele der Terroristen weiße Kopftücher und geben arabisch klingende Sprachsamples von sich. Soweit, so schlecht! Die Story und das Setting könnte man zwar so gerade noch hinnehmen, doch die Umsetzung des Spieles ist schlichtweg unter alle Kanone. Selbst für damalige VGA-Verhältnisse (320 x 200 Pixel) matschige und häßliche Texturen. Erbärmlicher, billiger Sound. Selbst für damalige Verhältnisse ein stupides und ödes Geballere. Mir ist OBC dank eines engagierten Betreibers eines kleinen Spieleladens trotz inzwischen erfolgter Indizierung durch die BPjS Ende der 90er in die Hande gefallen. Zu einem Zeitpunkt, als ich vor allem nach Doom verzweifelt alles spielen musste, was auch nur ansatzweise nach Ego-Shooter aussah. Doch selbst in diesem verzweifelten, ausgehungerten Zustand ... näää! Ein wahrhaft schreckliches Spiel!

- Tekwar
Ein Jahr später, 1995, beschrte uns Capstone ein weiteres Mitglied der großen Gruppe von Spielen, die keine Sau braucht. TekWar! Basierend auf der Romanserie von William Shatner, mit Videosequenzen aus der TV-Serie aufgemotzt (Mitte der 90er ist schliesslich der Höhepunkt der Multimedia-Euphorie) und technisch befeuert von einer Vorab-Version von Ken Silvermans Build-Engine, die in Jahr später mit Duke Nukem 3D wahre Triumphe feiern konnte. Hätte was werden können, hätte ...

Herausgekommen ist ein fast unspielbares, gräßliches Machwerk, welches sich, wie bei OBC, erneut durch häßliche Texturen und schreckliche Sounds "auszeichnete". Zwar kam man auf die glorreiche Idee, die Fotos von entsprechend gekleideten Schauspielern als Gegnermodelle zu verwenden, auf Grund des notwendigen Herunterechnens auf verarbeitbare Dateigrößen verkamen diese Fotos jedoch zu unansehnlichen Pixelhaufen. Was das Gameplay betraf, so ging man hier neue Wege und stellte den Spieler in eine Art offene Spielwelt, wie man sie erst sehr viel später in GTA erleben durfte. Da konnte man durch gigantische Stadtlevel streifen, bestehend aus hässlichen Gebäuden mit hässlichen Texturen, bevölkert mit hässlichen NPCs. Irgendwo war auch eine Art Missionsziel. Und plötzlich begannen auch einige der NPCs Dich zu beschiessen. Doch leider war nie wirklich klar, ob sie nun schiessen, weil Du dummerweise entweder Polizisten oder Zivilisten getroffen hattest, oder ob es "richtige" Feinde in Polizeiuniformen waren. Und so stolperte ich zwei, drei Missionen mehr oder minder rat- und hilflos durch dieses Spiel, nur um es kurz darauf für die nächsten Jahrzehnte wieder in den Schrank zu räumen.

- Witchhaven II - Blood Vengeance
Jahaaaaa, Capstone! Einen haben wir noch, einen haben wir noch! Witchhaven I war, auch zu meiner damaligen großen Überraschung, ein durchaus erträgliches Fantasy-Schwert-Gemetzel. Sah ganz nett aus, wurde wieder durch eine Pre-Build-Version befeuert und wies Sounds auf, die ich in einer derartigen Klangfülle und perfekten Klangfarbe (das helle, klirrende Aufeinanderschlagen von Schwertern; das dumpfe Geräusch einer Waffe, die auf einen abblockenden Holzschild trifft; das Klatschen eines Morgensterns in weiches Gewebe; das Röcheln eines zu Boden gehenden Gegners) nur selten erlebt habe. Grandios!

Entsprechend gespannt war ich dann auch auf den zweiten Teil. Doch nach nur bereits wenigen Minuten, nicht einmal bis zum Ende des ersten Levels spielend, war das Urteil klar: Ab in die Mülltonne! Witchhaven II ist das perfekte Beispiel dafür, wie man es im trotz nahezu identischer Ingredienzen schafft, ein Spiel komplett zu verhunzen. Da passte überhaupt nichts zusammen! Als ob man einer Handvoll Praktikannten alle Ressourcen des Vorgängers zur Vefügung stellt und ihnen sagt: Jungs, ihr habt eine Woche Zeit daraus ein neues Spiel zu machen! Um so verwunderlicher ist der Umstand, dass die Credits des zweiten Teils zu großen Teilen mit denen des ersten Teiles übereinstimmen. Aber wahrscheinlich hatte man den "Profis" nur zwei Stunden gegeben ...

- The Hidden Below
Auch wenn Capstone alleine durch die Masse der Veröffentlichungen klar die Frühzeit des Shooter-Genres beherrscht, so gibt es doch einen Titel, ein Spiel, dass ich nach nur kurzem Nachdenken zum häßlichten und gräßlichsten Spiel aller Zeiten küren würde. Ich muss natürlich ehrlich sein und zugeben, hätte ich mit ein paar Kumpels 1994 vorgehabt einen Shooter zu entwickeln, ich bezweifle stark, dass das Ergebnis sehr viel besser aussehen würde. "The Hidden Below" strahlt nämlich genau dieses Flair aus. Das Frühwerk einer Gruppe junger Menschen, die einfach "auch mal was" machen wollen. Das alleine ist nicht verwerflich, ganz im Gegenteil. Selber machen und eigene Erfahrungen machen ist wichtig, richtig und gut! Es gibt da nur ein Problem ... man wollte für dieses Machwerk Geld verlangen. Als reines Fanprojekt, kostenlos und "just for fun". Warum nicht? Als kommerzielles Spiel hingegen? Das grenzt schon fast an Betrug. Leider (oder zum Glück) kann ich "The Hidden Below" niemals in seiner vollen Länge geniessen, da das Spiel beim Laden des dritten Levels immer ansatzlos abschmiert. Wer weiß, welche geheimen Schätze und spielerischen Kostbarkeiten dort verborgen auf mich warten?

Demnächst geht es dann weiter mit den Shooter-Abfällen der Neuzeit. Kein Sorge, es wird nicht wirklich besser ...