Dienstag, 28. August 2007

Non-Gaming Interludium XI - Anti-Depressiva

Es gibt im Leben eines jeden Menschen Momente, in denen man sich am liebsten in ein dunkles Erdloch verkriechen würde oder die Last der Welt so schwer auf den Schultern drückt, dass alles in einem grauen, trüben Brei versinkt. Gegen solche depressiven Anfälle wurden im Laufe der Jahrtausende allerlei Hilfsmittel ersonnen, ausprobiert und je nach Mensch und Kultur als tauglich weiterempfohlen.

Eine der beliebtesten Methoden war und ist das Zudröhnen bis zur Oberkante-Unterlippe mit irgendwelchen halluzinogenen Substanzen. Schnell, einfach und extrem wirksam! Dummerweise haben nahezu alle dieser Substanzen zT. verheerende kurz- und langfristige Nebenwirkungen auf Körper und Seele. Was aber die Menscheit nicht davon abhält, sich dennoch zu berauschen, als ob es kein Morgen gäbe. Hmmm, vielleicht ist Langlebigkeit angesichts unseres labilen geistigen Zustandes doch keine so gute Idee?

Eine andere Art und Weise das Seelen-Grau zu vertreiben und Farbe ins Spiel zu bringen OHNE dass man sich halb dabei umbringt, stellen zumindest für mich eine Reihe von Anime-Serien dar. Im Grunde höchst unspektakulär, weder innovativ noch mit atemberaubenden Bildern versehen, zeichnen sich diese Serien aber durch eines aus: liebevoll gezeichnete Charaktere und von der ersten bis zur letzten Minute voll mit Humor und Charme, dass niemand, der noch irgendwo einen Funken Gefühl in sich trägt, ohne Schmunzeln und ein "leichtes Herz" den Bildschirm verlässt.

Eine weitere Besonderheit dieser Serien ist ihre Leichtigkeit. Eigentlich kann ich ja so typische Wohlfühl-, Kitsch- und HeileWelt-Shows wie "Schwarzwaldklinik" oder "The Bill Cosby Show" überhaupt nicht ausstehen. Ich bekomme die Krätze, mir wird schlecht, wenn ich auch nur eine Minute dieser schmalzigen, hochnotpeinlichen Serien zu Gesicht bekomme. Bei Animes hingegen ... natürlich gibt es dort auch jede Menge Ausschuß, so ist es nicht. Dennoch liegt die grundsätzliche Erzählqualität, das Storytelling selbst bei einer durchschnittlichen Serie um Lichtjahre über dem, was man hierzulande an TV-Schrunz produziert. Das kann dann gerne schmalzig und gefühlsduselig werden, da es so wunderbar leicht und locker-flockig verpackt wird.

Ich stelle hier nun vier Anti-Depressiva vor. Eine kleine, höchst unvollständige Auswahl an homöophatischen Arzneimitteln ohne Nebenwirkungen und Spätfolgen.

- Full Metal Panic Fumoffu:
FMP Fumoffu ist eine Art Spin-Off der äusserst beliebten "Full Metal Panic"-Serie. Während im Hauptprogramm der Schwerpunkt auf typische Mech-Kämpfe, politische Intrigen und viel Action gelegt wird, so vertieft FMP Fumoffu die romantischen und komödiantischen Elemente der Serie bis fast zum Exzess. Alleine während der ersten Episode lief ich mehrmals Gefahr, dass mich der Erstickungstod auf Grund exzessiven Gelächters ereilte.

- Ichigo Mashimaro
Hätte man mir noch vor einigen Jahren gesagt, dass ich an einer Serie über das Alltagsleben einer Gruppe kleiner Schulmädchen Gefallen finden würde, ich hätte diese Person entweder ausgelacht oder ihr die Fresse poliert, weil man mir entsprechende Pedo-Gelüste unterstellt.
Damals kannte ich jedoch noch nicht "Ichigo Mashimaro". Und das selige Grinsen, welches sich in Windeseile bei jeder Episode einstellt, kommt nicht von Panty-Shots, anzüglichen Gags und anderem Fan-Service. Dergleichen ist in dieser Serie nicht zu finden. Es geht hier wirklich "nur" um eine Gruppe kleiner Mädchen und ihr Alltagsleben. Schaubefehl! Ja, allen Ernstes, Schaubefehl!

- Lucky Star
Auch hier geht es nur um eine Gruppe kleiner Schulmädchen und ihr Alltagsleben. Während "Ichigo Mashimaro" recht ruhig ist und mehr den feinen Charme und Humor bevorzugt, so wird bei "Lucky Star" so ziemlich das komplette Otaku-Dasein durch den Kakao gezogen. Eine koheränte Handlung gibt es nicht. Jede Episode besteht aus eine Folge zT. höchst surrealer, ausufernder Dialoge über zB. die richtige Herangehensweise um ein Schoko-Hörnchen zu essen. Wie auch bei "Ichigo Mashimaru" so werden auch bei "Lucky Star" all die kleinen Belanglosigkeiten und Nebensächlichkeiten des Lebens gefeiert und gewürdigt. All die Dinge, die das Leben erst so lebenswert machen.

- The Melancholy of Haruhi Suzumiya
Derzeit tobt ein seltsamer Hype um den Globus. Nerds, Otakus und andere, eher normal wirkende Menschen tanzen zu der ausgefeilten Choreographie der Endsequenz einer jeder Episode und stellen das Ergebnis ins Netz. Die "SOS Brigade" erobert die Herzen der Menscheit im Sturm. Kennt man die Serie, bzw. die nahezu allen Serien zu Grunde liegenden Mangas, so wird auch schnell klar, warum das so ist. Ich könnte hier jetzt ellenlange Plot-Beschreibungen liefern. Auf all die mysteriösen und bizarren Andeutungen eingehen, die diese Serie ins Phantastische abdriften lassen. Auf den höchst ungewöhnlichen, nicht-linearen Erzählstil. Auf die Perfektion und Detailtreue, mit der das Studio Frame um Frame umgesetzt hat. Und doch würde all dies nicht den Zauber und die Schönheit beschreiben können, die von dieser Serie ausgehen.

Natürlich ist das alles eine rein subjektive Geschmacksfrage. Man kann angesichts der Lobeshymnen, die hier ein japano-philer Harzzach von sich gibt, selbstverständlich verständnislos den Kopf schütteln. Man kann auch versuchen, sich vom Charme dieser Serien einfangen zu lassen und entdecken, dass all die großen Notwendigkeiten des Daseins zwar immer noch groß und notwendig sind, sie aber nicht alles sind, was das Leben zu bieten hat.