Montag, 27. August 2007

Über das Älterwerden

Neinnein, das wird jetzt keine weinerliche Abhandlung über die Zunahme diverser Zipperlein, die abnehmende Toleranz gegenüber selbst der kleinsten Menge Alkohol, dem Verfall unserer Gesellschaft oder die schlimme Jugend im Allgemeinen wie im Besonderen. Das hebe ich mir für die Zeit auf, wenn ich wirklich alt bin und dreisten Fahrradfahrern den Stock zwischen die Speichen schiebe ...

Damals, als der Führer noch ... nein, doch etwas später. Also damals, als ich noch klein und dumm war, habe ich mich zB. exzessiv, hochkonzentriert stundenlang, über Tage und Wochen hinweg mit "Zaxxon" beschäftigt. Ich habe dieses Spiel derart oft rauf- und runter genudelt, immer wieder von vorne begonnen, dass ich die ersten Level fast schon blind im Halbschlaf durchgezockt habe. Dann kam das nächste Spiel dran, das ebenso intensiv beackert wurde. Da konnte ein Mitschüler plötzlich mit einem anderen Spiel kommen, es hat mich nicht interessiert, ich war beschäftigt.

Heute jedoch ... heute wende ich meine Konzentrationsfähigkeit für andere Dinge auf. Spiele, vor allem Computerspiele sind nur ein netter Zeitvertreib geworden. Ich will mich dabei unterhalten und entspannen. Ich will ein paar spassige Stunden damit verbringen. Als Konsequenz dieses Fokuswechsels, spiele ich nur selten ein Spiel von A bis Z durch. Ich wechsele oft ab. An dem Tag habe ich gerade nur mal die Kraft oder Zeit für einige Minuten Solitär, am anderen Tag stürze ich mich mit Feuereifer in die komplexen Storyverwicklungen eines Adventures oder in die phantastische Welt eines Rollenspieles.

Deswegen bin ich auch lange nicht mehr so hartnäckig und/oder ausdauernd wie früher. Wurden früher schwierige Stellen und Level solange wiederholt, bis man sie geschafft hat, so greife ich heute nach 2-3 Fehlversuchen zum Cheatcode oder lege das Spiel wieder beiseite. Was zur Folge hat, dass mir vor allem heutige Shooter oftmals zu schwer sind. Ich habe ebenso keine Lust mehr, eine komplexere Mission in einem RTS solange zu spielen, bis ich herausgefunden habe, wo ich wann was in welcher Reihenfolge bauen, erforschen, erobern muss. Ich habe auch keine Lust mehr, in einem Adventure, in einem Rollenspiel lange an einem komplizierteren Rätsel, einer aufwendigen Quest zu hocken. Ich will ASAP weiterspielen und schaue daher relativ schnell in einen Walkthrough. Ich habe keine Geduld mehr mit diesen Spielen ...

Und ich bin nicht der Einzige. Vor einer Weile auf eBay eine ganze Latte von Adventures ersteigert. Rein zufällig wohnte der Anbieter auch in der Gegend. Beim Austausch von Waren und Geld haben wir uns dann noch ein wenig über Spiele unterhalten. Er hat mir zu jedem Spiel nämlich noch das jeweils offizielle Lösungsbuch beigelegt. Er meinte, er liebe Spiele. Er zockt seit seiner Schulzeit. Aber er hat für die heutigen Spiele keine Zeit mehr. Er will nicht mehr Stunde um Stunde seiner wenigen Freizeit mit dem Knobeln an einer bestimmten Stelle verbringen. Er will weiterspielen und die Story weiterverfolgen. Er hat nicht mehr so viel Geduld wie früher. Er war ja auch, wie ich, ein alter Sack!

Wir haben aber doch schnell festgestellt, dass wir durchaus noch Geduld mit Spielen haben. Diese bezieht sich aber das Spiel als solches. Wir können in aller Ruhe auf einen Titel warten und müssen nicht mehr alles sofort haben. Nicht so wie früher, als man total hektisch und aufgeregt die Stunden und Tage bis zum Releasetag gezählt hat. Oder vollkommen aufgeregt kaum am 23. Dezember schlafen konnte, weil es ja am nächsten Tag Geschenke gab. Wir sind auch keine Kinder mehr!

Deswegen konnte ich auch auf das Civ4-Addon warten und musste es mir nicht unbedingt aus dem Netz ziehen, nur damit ich eine Woche früher zocken kann. Deswegen kann ich auch warten, bis man bei Bioshock die Online-Aktivierung entfernt. Ich kann auch warten, bis es Mass Effect für den PC gibt und fange jetzt nicht das Sparen auf eine 360 an. Ich kann auch warten, bis ich das Geld für einen DS oder eine PS2 wirklich übrig (!) habe und muss nicht jetzt um jeden Preis mein Konto überziehen, nur um JETZT Final Fantasy 3, Advanced Wars DS oder einen der vielen PS2-Titel spielen zu können. Es läuft mir doch nicht davon!

Aber .... wenn ich dann das Spiel habe, ist jede Geduld wie weggeblasen. Dann muss das Spiel flutschen. Oder es muss mich so sehr motivieren, dass ich, wie früher, hochkonzentriert an einem Spiel sitze und mir auch schwierige Stellen und etliche Neu-Anfänge nicht den
Spielspass vermiesen. Gerade letzteres schaffen aber nur noch sehr wenige Spiele.

Denn zusätzlich zur Fokusverschiebung, zur fehlenden Zeit und Muße, kommt noch der mit den Jahren immer mehr steigende Anspruch, den man als Senior Gamer entwickelt. Was vor zehn Jahren noch für unkontrollierten Speichelfluß gesorgt hat, erzeugt heute vielleicht nur noch ein müdes Gähnen. Und dabei meine ich NICHT (!), ausdrücklich nicht die technische Weiterentwicklung. Schönere Graphik oder eingängigere Interfaces sind schon toll, gar keine Frage. Aber das nützt mir alles nichts, wenn ich nach nur wenigen Minuten einschlafe, weil das Spiel vollkommen langweilig ist. Technik war mir früher extrem wichtig. Doch seit einigen Jahren merke ich, dass mir das mittlerweile am Allerwertesten vorbeigeht. Ja, nett, hübsch bunt, toll, ja! Das Spiel ist trotzdem langweilig.

Story, Charaktere, emotionale Tiefe! Das möchte ich als alter Sack mittlerweile sehen. Früher war ein Film gut, wenn haufenweise Explosionen, Verfolgungsjagden und Geballer vorkam. Bitte nicht mißverstehen, das kann heute immer noch Spass machen. Aber im Gegensatz zu früher kann ich nun auch etwas mit Filmen wie zB. "Brücken am Fluß" anfangen, in denen irgendwelche alten Leute sich über AlteLeute-Themen unterhalten und rein gar nix passiert.

Jetzt brauche ich nur noch ein Spiel, das alte Säcke anspricht. Das vielleicht sogar explizit für ein erwachsenes Publikum konzipiert wird. Und nein, ich meine hier nicht tonnenweise Pixelblut oder die üblichen Plastiktitten-Uberbabe-Models, die gerade für Heranwachsende das ultimative Sex-Erlebnis darstellen. Ich meine hier Gefühle, komplexere Probleme als nur "Monster bedroht die Welt", Liebe, richtige Menschen mit richtigen Dialogen. Mit ein Grund, warum gerade und speziell die Final Fantasy-Spiele so beliebt sind, liegt unter anderem daran, dass man von Anfang an Geschichten erzählen und nicht einfach nur pure Unterhaltung für ein paar picklige Jugendliche produzieren wollte/konnte. Dort wird geliebt und gelitten und gestorben und gezweifelt, dass es nur so eine Freude ist :)

Auch wenn ich die Spieleindustrie im Allgemeinen verachte, so habe ich dennoch Hoffnung, dass ich eines Tages doch noch meine "erwachsenen" Spiele bekomme. Denn wir werden alle älter. Auch das Genre wird mit uns wachsen, da selbst der kurzsichtigste Gewinnmaximierungs-BWLer einsehen muss, dass man die immens große Gruppe der "Alten Säcke"® nicht mehr länger ignorieren kann. Nein, das muss nicht unbedingt jetzt sein. Ich kann warten. Denn es gibt Themen und Geschichten, die sind universell. Da spielt es keine Rolle, ob ich diese mit 20, 40 oder 90 erlebe. Diese "Alltime Favourites" funktionieren immer!

Nun setze ich mich in die Sonne, lasse meine alten Knochen ein wenig durchwärmen und würde mich freuen, wenn Du mir beim Gießen der Tomatenstauden helfen könntest. Tu Deinem Großvater den Gefallen, ja? *tätschel*