Liquid Entertainment - Hartnäckigkeit hat einen Namen
Wenn wir schon mal dabei sind, unverdient in der Versenkung verschwundene Spiele wieder aus selbiger zu heben, darf hierbei ein Name nicht fehlen. Der Name eines Entwicklers, dessen Spiele trotz unbestreitbarer Qualitäten im Grunde allesamt kommerzielle Flops waren. Die Rede ist von "Liquid Entertainment".
Gegründet von u.a. Ed del Castillo, der früher bei Westwood mit am Erfolg der Command&Conquer-Serie verantwortlich war. Nach einem kurzen Gastspiel bei Origin, wo er sich mit Lord British über diverse Designfragen bezüglich Ultima IX überwarf, machte er sich im Jahre 2001 mit "Liquid Entertainment" selbstständig, um die Welt mit innovativen RTS-Spielen zu beglücken.
Der Erstling "Battle Realms" war dann auch voller Angriff auf etablierte Traditionen und steckte voller Neuerungen. Das japanisch-angehauchte Fantasy-Szenario war eine nette Abwechslung zu den üblichen WK2-Settings der damaligen Zeit. Fußsoldaten konnten auf Pferde auf- und absteigen und somit nach Belieben Reitersoldaten werden. Mit jeder Schlacht, mit jedem Gefecht erhielt der Spieler "Battle Points", die man in die Aufwertung von Einheiten stecken konnte. Stärkere Einheiten bekam man also nur, wenn man sich offensiv und aktiv auf der Karte tummelte. Höhenunterschiede konnten genutzt werden, in dem man Felsbrocken den Abhang auf nichtsahnende Gegner und schutzlose Gebäude hinabkullern ließ. Auch optisch musset sich "Battle Realms" überhaupt nicht vor den Genrekollegen verstecken. Als eines der ersten RTS-Spiele nutzte es die Hardware-T&L-Features der GeForce-Chips. "Battle Realms" sahnte folgerichtig auch mit haufenweise Awards und Höchstwertungen ab. Die Kritik war begeistert ...
Die Kunden haben hingegen "Battle Realms" links liegen lassen! Zu ungewöhnlich das Szenario, zu neu die Gameplay-Features, zu wenig Panzer und vor allem das Fehlen der Normandielandung hat diesem Titel wohl endgültig das kommerzielle Genick gebrochen. Sich nicht entmutigen lassend erschien ein Jahr später immerhin noch ein Addon zu "Battle Realms".
Wiederum ein Jahr später, im Jahre 2003, erschien dann ein Titel, der es endlich reissen sollte. Versehen mit einer sicheren Hit-Lizenz aus dem "Herr der Ringe"-Universum, konzipiert als traditionelles RTS ohne große Überraschungen, publiziert pünktlich zum Start von "Die Gefährten", des ersten der drei Peter Jackson-Verfilmungen. "War of the Rings" ist auch genau das geworden. Ein solides, unterhaltsam zu spielendes RTS. Gut aussehend und mit haufenweise Elfen und Orks und Zwergen und Helms Klamm und Minas Tirth. Ein sicherer Hit ... oder nicht?
Dummerweise (oder klugerweise, je nachdem) hatte sich jedoch EA die Rechte am Film und nicht an der literarischen Vorlage gesichert, so dass mit "Schlacht um Mittelerde" zeitgleich ein Konkurrent auf dem Markt erschien, gegen dessen multimedial aufgemotze und nahezu perfekte Präsentation jedes andere HdR-Spiel einpacke musste. Denn wer angesichts der rasend schnell um sich greifenden Peter Jackson-HdR-Hysterie ein HdR-Spiel auf den Markt bringt, das ÜBERHAUPT NICHT nach PeterJackson-HdR-Film aussieht ... selber Schuld! "War of the Rings" floppte dann folgerichtig auch granatenmäßig. Ein weiterer Titel von Liquid Entertainment, den niemand kaufen wollte.
Zwei Jahre vergehen. LE gibt es immer noch, man hat sich mit der AD&D-Lizenz wieder ein vielversprechendes Projekt gesichert und will mit "Dragonshard" einmal mehr den RTS-Markt aufrollen. "Dragonshard" ist auch wirklich gut gelungen. Haufenweise nette Gameplay-Features, die zwar allesamt nicht neu sind, aber zu einem gefälligen und spassigen Paket kombiniert wurden. Optisch werden wieder alle Register gezogen, so dass sich Graphik-Fetischisten wahrlich nicht beklagen können. "Dragonshard" macht Spass, es sieht gut aus, geht leicht von der Hand ... und bekommt diesmal nur bestenfalls mittelmäßige Kritiken. Und, man kann es schon ahnen, es tankt erneut an der Kasse und trägt nicht unmaßgeblich zur finanziellen Misere von Atari/Infogrames bei, weil "Dragonshard" als potentieller Tophit ordentlich Kohle einbringen sollte.
Aber damit ist noch lange nicht Schluss mit Liquid Entertainment. Denn man sichert sich die Versoftungs-Lizenz zu "Desperate Housewifes", einer durchaus als erfolgreich einzustufenden TV-Serie. Heraus kam dabei eine Art Sims Extra Light, das im Grunde nur Hardcore-Fans der Serie befriedigen konnte. Wie erfolgreich das Spiel war, kann ich jedoch nicht sagen. Ich behaupte jetzt einfach, dass es sich wahrscheinlich ohne Probleme in die Umsatzregionen aller vorherigen LE-Titel einreihen konnte.
Liquid Entertainment ... macht keine wirklich schlechten Spiele. Sind unterhaltsam und gut produziert. Es will sie nur niemand kaufen, bzw. spielen! Entweder zu abgefahren oder zum falschen Zeitpunkt. Entweder am Geschmack des Kunden komplett vorbei oder sich zu sehr dem Massengeschmack anbiedernd und somit in der Menge der alljährlichen Releases untergehend.
Erstaunlich, höchsterstaunlich ist aber, dass es LE immer noch gibt. Aktuell entwickelt man einen Gods of War-Klon für Codemasters. Nicht, dass ich den Jungens und Mädels dort die Arbeitslosigkeit wünsche, bitte nicht mißverstehen. Aber warum gibt es diesen Entwickler noch?
Es sind in den letzten Jahren soviele, hochtalentierte Studios aufgelöst worden und/oder pleite gegangen. Looking Glass, Bullfrog, Clover, Troika ... um nur mal einige zu nennen. LE gibt es immer noch. Sie ziehen immer wieder neue Projekte an Land. LE, der lebende Beweis dafür, dass Talent, Kreativität und Eigenständigkeit im Videogame-BigBusiness nicht nur nichts zu suchen haben, sondern auch höchst schädlich sind. SoLaLa- und 08/15-Spiele finden aber immer wieder einen Geldgeber und Publisher. Weil SoLaLa- und 08/15-Spiele vertraut und bekannt wirken. Weil sie den Eindruck erwecken, man geht damit kein Risiko ein, was für die Publisher angesichts heftiger Investitionssummen in Höhe von zig Millionen Dollar natürlich sehr wichtig ist. Und deswegen werden wir auch in den nächsten Jahren immer wieder nette, recht gute, aber nicht über Maßen herausragende LE-Spiele sehen, welche zwar immer noch niemand kaufen möchte, die doch aber im Kick-Off-Meeting beim Publisher so wunderbar in die Denkschubladen der Verantwortlichen passen.
Man muss den Leuten bei Liquid Entertainment zumindest zugestehen, dass sie eines zur Perfektion gebracht haben ... sie wissen, wie die Branche tickt. Sie wissen, wie die Geldgeber ticken. Deswegen überleben sie dort, wo andere Entwickler, die um des Spieles, des Anspruches und der Begeisterung Willen ein Projekt beginnen, immer wieder scheitern.