Die Panik des Hardcore-Gamers
Wer hätte es gedacht. Wer hätte gedacht, dass Nintendo, auferstanden aus Ruinen, in nahezu Rekordzeit wieder zur Nummer 1 des Konsolenmarktes wird, Microsoft kalt erwischt und Sony auf Standspur hinter sich lässt. Und nicht nur Microsoft und Sony wundern sich. Nein, auch fast alle Publisher wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht umsonst hat EA letzten Monat fast schon panisch eine neues Studio hinzugekauft, welches ausschlisslich Spiele für den Wii produzieren soll.
All diese Fakten hinterlassen beim typischen Hardcore-Gamer (nicht zu verwechseln mit einem Senior Gamer) ein leicht flaues Gefühl im Magen.
Zuerst hat er noch über die Wii, den aufgebohrten Gamecube 1.5, gelacht. Herzlich gelacht. Zu recht gelacht. Denn was sollte diese Ansammlung altertümlicher Hardware denn schon gegen die vereinigte Rechenpower von PS3 und 360 ausrichten? Wer bitte will denn noch in primitiver PAL-Auflösung zocken, wenn es doch HDTV und Bluray gibt?
Dann hat der Hardcore-Gamer die Ergebnisse des letzten Weihnachtsgeschäfts als kurzfristiges Feuerwerk belächelt. Man sah sich immer noch bestätigt, dass der Wii und diese komischen Mini-, Casual Games NIEMALS mit der wahren Lehre vom einzig richtigen Spiel mithalten können.
Dann kam Ostern. Die Umsätze der PS3 blieben liliputanisch und wuchsen nur infinitesimal, die Umsätze der 360 gingen sogar zurück. Die Wii und der DS hingegen konnten kaum gekauft werden, so schnell wurden diese Geräte den Händlern aus der Hand entrissen. Erste Panik machte sich unter den Hardcore-Gamern breit. Sollte es in Zukunft etwa doch nur noch Mini- und Casual-Spiele geben. Sah die Zukunft des Computerspieles nur noch vor dem Bildschirm mit dem Wiimote herumhampelnde Omas und Enkel? Was sollte werden, wohin sollte man sich als Shooter- und Action-liebender Geek denn noch wenden? Wie sollte denn Graphik noch besser werden, wenn alle Welt plötzlich nur Hardware kauft, die schlechtere Graphik produziert? Was ist passiert?
So füllen sich seit einer Weile Foren, Blogs und Newsseiten mit den Klagen und Sorgen des Hardcore-Gamers. Wüste Boykottdrohungen werden ausgestoßen (Ich hör mit dem Spielen auf, wenn das so weitergeht!) oder man zettelt deftige Flamewars an, in der Hoffnung zumindest verbal und polemisch der Sieger zu bleiben, wenn schon Zahlen und Fakten nicht mehr weiterhelfen können.
Doch fürchte Dich nicht, Hardcore-Zocker! Hab keine Angst! Was Du zZ. nämlich durchlebst, ist schlichte Eifersucht! Denn Du und Deine Vorlieben stehen nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. Du, Hardcore-Gamer, bist nicht mehr die eierlegende Wollmilchsau für Konsolenhersteller und Publisher! Du hast nun das Gefühl von aller Welt verraten und verstoßen zu sein. Niemand will Dich mehr. Niemand versteht Dich mehr. Alle sind so gemein geworden. Auch wenn Du also das dringende Bedürfnis hast, Dich still weinend in Deinem Zimmer einzuschliessen, Deine rotumflorten Augen sich noch stärker röten, wenn anstatt der Trostrunde"Gears of War" Dich Deine Konsole mit ebenfalls roten Ringen begrüßt ... kein Grund zur Panik :)
Denn siehe, es ist nicht alles schlecht. Nur, weil alle Welt pötzlich Mini-Spiele spielen will und es scheinbar keine Rettung vor Wii Sports gibt ... wir haben das Moorhuhn und die Sims überstanden! Wir haben Hugo überstanden und billige Filmlizenz-Schnellschüsse a la "Enter the Matrix" ignoriert! Denn das Leben geht weiter. Trends kommen und gehen. Und ein Blick in die Liste bereits erschienener und angekündigter Spiele für den Wii zeigt deutlich genug, dass nicht alles nur aus Mario und Frauen-Spielen besteht. Manhunt 2, Scarface, Resident Evil Umbrella, um nur mal drei typische Hardcore-Spiele zu nennen. Und es ist ja nicht so, dass sich die 360 schlecht verkaufen würde. Alleine für diese Plattform wird es mit Sicherheit in den nächsten zwei Jahren noch aberhunderte von Action-Spielen und Shootern geben.
Sei also stark und verzweifle nicht. Denn der Erfolg der Wii bedeutet nicht, dass es von einer Minute auf die andere keine Egoshooter mehr gibt und Du auf immerdar verflucht bist, nur noch die selben alten, angestaubten Spiele der Vergangenheit zu zocken. Es wird auch weiterhin noch Spiele für Dich und Deinen Geschmack geben. Aber Du musst Dich schon damit abfinden, dass Du zur Nische geworden bist. Das große Geschäft wird nicht mehr mit Dir gemacht.
Oder Du könntest an dieser Herausforderung reifen und zum Manne werden.
Werde zum Senior Gamer, der gelassen über diesen äusserlichen Dingen steht und Spielspass überall entdecken kann. Ok, fast überall, man muss es ja nicht gleich übertreiben ;)