Montag, 15. September 2008

Nein, es ist nicht einfach ...

Es gibt wieder einen klitzekleinen Aufreger. Ein Spiel namens "Muslim Massacre" erzürnt eine Reihe von Leuten. Beleidigung aller Menschen muslimischen Glaubens, hetzerisch und menschenverachtend. So in etwa lauten die Vorwürfe. Und wer sich sogar die Mühe gibt sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen, der kann mit einiger Berechtigung zu diesem Schluss kommen.

Der Entwickler, Mitglied in den berühmt-berüchtigten SomethingAwful-Foren, einer US-amerikanischen Satireseite, die keine Rücksicht auf niemanden nimmt, hat dieses Spiel nach eigenen Angaben als Satire auf die US-Aussenpolitik konzipiert, auf den Umgang mit dem Thema "Islam" in den amerikanischen Massenmedien wie zB. FOX News. Und wenn man sich die Mühe macht sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen, so kann man mit einiger Berechtigung auch zu diesem Schluss kommen.

Und es kann sogar eine dritte Ebene geöffnet werden, eine Kritik an dem undifferenzierten Verwenden von Stereotypen und Klischees in Computerspielen, denn was "Muslim Massacre" von zB. Spielen wie frühen Actiontiteln aus den 80er und frühen 90ern unterscheidet, was "Muslim Massacre" von Titeln wie CoD4, Black Hawk Down, SoF Payback und anderen Shootern unterscheidet, in den ein undefinierter, fremd und ausländisch wirkender Gegner in Massen umgenietet wird ... ist im Grunde nur der Name des Spieles. Man ersetze "Muslim" durch "Terrorist" und "Massacre" durch "Takedown" und wir haben ein Spiel namens "Terrorist Takedown", welches ganz offen und ohne jeden Aufreger in den Läden steht. Beide Titel unterscheiden sich im Grunde in nichts. Nur, dass das eine gezielt provozieren will (mit welcher Intention auch immer) und das andere lediglich als "harmlose" Freizeitunterhaltung und zur Profitgewinnung dienen soll.



So. Und nun? Darf Satire alles? Wo ist die Grenze? Wo hört die Satire auf und wo beginnt die ernstgemeinte und beabsichtigte Erniedrigung und Herabwürdigung anderer Menschen. Was unterscheidet "Muslim Massacre" von den folgenden Spielen?


KZ Manager....................................Super Colombine Massacre RPG


Ethnic Cleansing.............................Border Patrol

Oder wo ist der Unterschied zu einer Kunst-Installation, die nach Meinung einiger Leute die Opfer von 9/11 herabwürdigt?

Und wie soll man mit solchen Werken umgehen? Ignorieren? Verbieten? Tolerieren?

Ich habe hier keine Antwort, die man in ein, zwei Sätzen niederschreiben könnte. Ich habe erst recht keine einfachen Antworten, auch wenn ich als extremer Libertinist dafür plädieren sollte alles zu zulassen und es jedem selbst zu überlassen, wie man damit umgehen soll. Ist aber auch nur eine Art Flucht. Gerade weil es ein sehr schwieriges Thema ist, das soviele Bereiche berührt, dass man sich noch in 100 Jahren darüber unterhalten könnte, ohne zu einer zufriedenstellenden Antwort zu kommen. Früher waren Gemälde oder Bücher schockierend und Gegenstand heftiger Skandale. Dann kamen nach dem 1. Weltkrieg die Zwölfton-Musik, der Dadaismus und das von Louis Bunuel mit einem Rasiermesser aufgeschlitzte Auge auf der Leinwand. Heute polarisieren immer öfter Spiele und spiele-relevante Bereiche. Killerspiele anyone?

Nein, es ist nicht einfach ... was aber auch nicht bedeuten darf (!), dass man einfach zur Tagesordnung übergeht, weil man keine schnellen und einfachen Antworten hat. Oder ist es doch nur Provokation als Selbstzweck, um sich ins Gespräch zu bringen?

Ich weiß es nicht ...