Mittwoch, 3. September 2008

Keimfrei!

Will Wright schätze ich eigentlich als fähigen und kreativen und hochkompetenten Gamedesigner. Nicht unbedingt, weil zB. TheSims DAS Mörder-Franchise schlechthin ist, sondern weil Will Wright in Laufe der Jahre in Interviews, Vorträgen und Artikeln sehr viel schlaue und richtige Dinge zum Thema Gamedesign von sich gegegeben hat.

Von daher hat man sich von Spore durchaus so einiges erwarten können. Ja, hätte man ...

Um es kurz zu machen ... Spore ist a) Hype, b) nochmals Hype, c) erst recht nochmals Hype, d) dann ein nicht gerade schlechtes, aber auch kein wirklich gutes Spiel und abschliessend e) eine gigantische Riesenmenge Hype. Und wird deswegen EA Aberzilliarden an Umsatz bescheren. Sogar in dem Falle, dass Spore als Gebrauchtware gehandelt wird. Sprich, im Grunde ist also vollkommen egal, ob ich Spore nun als DIE Spielerfahrung schlechthin hochjubele, wie es die versammelte US-amerikanische Kaufpresse tut, oder ob ich Spore mit einem leisen "Meh" in die Durchschnittlichkeit entlasse, wie es zu meiner großen Überraschung die deutsche Presse macht. Die einen folgen nibelungenartig dem Hype und die anderen wagen zu sagen, dass der Kaiser gar keine neuen Kleider anhat, sondern nackisch ist.

Spore versagt hierbei auf mehreren Ebenen. So verspricht es dem Spieler das ultimate Göttersimulations- und Aufbau-Gefühl, soll man doch die komplette Geschichte einer Lebensform von den ersten Anfängen als mikrozellulare Lebensform in der Ursuppe eines frühgeschichtlichen Planeten bis hin zu ihrem Aufstieg als galaxienweit dominierende Spezies nachspielen können. Ja, nichts weniger als dies. Die volle Runde. Dummerweise bleibt dieses epochale Versprechen nur ein Versprechen, denn zu keinem Zeitpunkt gelingt es dem Spiel eben dieses epochale Spielgefühl aufkommen zu lassen. Ich habe nur fünf verschiedene Spielphasen, die nur deswegen zusammengehalten werden, weil sie vor einigen Wochen bei Maxis in eine einzige Goldmaster mit dem Label "Spore" kompiliert wurden. Fünf verschiedene Spielphasen, von denen nur die letzte, die Eroberung des Alls in etwa den epischen Rahmen bietet, den man im Vorfeld versprochen hatte. Es gibt zwar eine Zeitlinie, auf der minutiös alle Details festgehalten werden, was vom ersten Ursuppen-Pieps bis zur Erlangung galaktischer Dominanz an Fortschritten erzielt wurde, es besteht aber keine Verbindung zwischen diesen jeweiligen Phasen.

Grund für diese Isolation der einzelnen Entwicklungsphasen ist ein weiterer Gamedesign-Fehler. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man diese Entscheidung als einen typischen Fehler bezeichnen kann. Es ist eher eine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Spielprinzip, für eine ganz bestimmte Heransgehensweise, die Spore zumindest in meinen Augen viel an Spasspotential kostet. Denn Spore ist das Alpha und Omega der Beliebigkeit. Es ergeben sich fast keine Konsequenzen aus meinen Handlungen. Ich kann, falls ich entsprechend DNA-Punkte grinde wie in jedem handelsüblichen MMO, jede Fähigkeit in jede Richtung ausbauen, vor und zurück. Ich kann die mir anvertrauten Wesen von harmlosen Pflanzenfressern in eiskalte Raubtiere verwandeln und wieder zurück. Ich kann bestimmte Talente ausbauen und kann diese wieder wegwerfen und vollkommen andere Richtungen einschlagen. Es gibt KEINE Konsequenzen, die Folge dieser Beliebigkeit sind. Es gibt sozusagen keinen evolutiönären Druck, keine Auslese, keine Anpassung. Nur mich als omnipotente Macht, die im genetischen Baukasten herumspielt, wie sie lustig ist. Ohne Verantwortung übernehmen zu müssen, sogar ohne Folgen für die Spezies, die ich bearbeite. Weil ... anything goes! Es ist daher kein Wunder, wenn mir das Schicksal meiner Kreaturen so ziemlich am Arsch vorbei geht und man sich gelangweilt und ohne Anspruch von einer Entwicklungsphase in die nächste durchklickt, in der Hoffnung, dass doch wenigstens JETZT endlich etwas aufregendes passiert. Und spätestens ab Phase 3 ist es sowieso egal, was ich im Vorfeld für Entscheidungen getroffen habe. Spore verarscht den Spieler hier nach Strich und Faden, in dem es ihm eine gigantische Spielwiese anbietet, nur um ihm diese plötzlich wieder wegzunehmen und zu sagen:" Ätschibätsch! Habe dich jetzt zwei, drei Stunden lang vollkommen sinnlos durch die Gegend geschickt!". Denn es gibt KEINE Verbindung zwischen den einzelnen Spielphasen. Alles, was ich zuvor erreicht habe, wird im nächsten Schritt einfach ignoriert.

Wenn die einzelnen Entwicklungsphasen wenigstens spielerisch überzeugen würden, könnte man die eben genannten Mängel vielleicht noch verzeihen, aber Spore scheitert größtenteils auch hier. Die ersten drei Phasen sind nichts weiter als Miniklick-Spielchen (Friss, friss, werd größer) und (je nachdem, ob man friedlich oder aggressiv vorgehen möchte) eine Art prä-historisches DanceDanceRevolution oder ein Kampfsystem, wie man es in jedem MMO vorfindet. Andere Kreatur anklicken, passende Aktion ausführen, fertig. Der spielerische Anspruch geht gegen Null, man erfreut sich nur an den vielfältigen Möglichkeiten, die einem der Genetikbaukasten bietet, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man merkt, dass auch dies nichts weiter als ein folgenloses Grinden ist, dessen Leere man mit bunten Farben und fünzig Trilliarden Bein-Kombinationen auszufüllen versucht.

Die Stammes- und die Planetenphase erfordern zum ersten Mal so etwas wie Strategie, doch schnell merkt man auch hier, dass man im Grunde nichts überlegen muss, dass man durch die Beliebigkeit der Hütten-, Gebäude-, Ausrüstungs- und Fahrzeug-Wahl jederzeit alles mögliche tun kann und somit auch dieser Spielteil im Sumpf der anspruchslosen Beliebigkeit versinkt. Kleiner Spoiler: Hier gar nicht anfangen zu überlegen, wie man wo vorgeht, einfach rushen, rushen, rushen und schnell snd Phasen 3 und 4 überstanden. Vor allem Phase 4 ist ein schlechter Witz, gegen die ein Zergling-Rush wie die Kulmination ausgefeilter Strategie wirkt. Meine Güte ... Will, was soll das?

Die letzte Phase, die Galaxieneroberung ist hingegen endlich etwas, was man, im Gegensatz zu dem Modellbaukasten all der Stunden zuvor, ein Spiel nennen könnte. Hier muss man auf einmal überlegt vorgehen. Hier entsteht zum ersten Mal so etwas das Spielgefühl, welches man mir versprochen hatte. Aber so richtig dolle ist das auch nicht. Will ich Galaxien dominieren, starte ich ein "Galactic Civilizations" und nicht diese krude Mischung aus Spielelementen, die alles umfassen und beinhalten möchte, die aber nichts richtig zu Ende führt.

Keine Sorge, "Spore" wird wahrscheinlich trotzdem ein Riesenerfolg werden. Der Hype wird's schon richten und wenn auch nur die Hälfte der Sims-Zielgruppe hier glücklich wird, sollte es EA zufrieden sein. Ich hingegen bezeichne Spore als das, was Spore in Wirklichkeit ist ... ein Blender von geradezu intergalaktischen Ausmaßen.

PS: Wer übrigens eine Demo zu Spore vermisst, dem empfehle ich den Creature Creator zu Spore. DAS ist das zentrale Gameplay-Element des Spieles. Hierum dreht sich alles, hier hinein wurde über die Jahre hinweg all die Arbeit gesteckt. Wer also meint, 40-50 Euro für einen 3D-Animationsbaukasten mit Multiplayer-Funktion ausgeben zu müssen, weil ihm das Spass macht, der soll das gerne tun :)