Montag, 22. September 2008

Das Ende der Graphikspirale?

Diesen Artikel kann man übrigens auch bei Polyneux lesen :)

Bereits mehrfach ertappe ich mich dabei, wie ich bei aktuellen Spielen (vor allem Titel, welche die UT3-Engine verwenden), ziemlich viel an Details abschalte. Nicht, weil meine Maschine zu schwach wäre, sondern weil mir zuviel Effekte und Graphik-Gezumsel statt einem klaren Bild einen verschwommenen, verschmierten und undeutlichen Brei auf den Bildschirm klatschen. Selbst wenn ich versuchsweise die Auflösung stark nach oben fahre, um zu sehen, ob dieser Pixelmatsch nur deswegen erzeugt wird, weil ich das Spiel nicht unter 1680x1050 oder höher betreibe, selbst dann wird der optische Eindruck nicht deutlicher.

In der Realität blende ich all die immensen Details dieser Realität nämlich aus. Ich nehme diese Details nicht gleichrangig neben den gewünschten Infos wahr, die mir in dem Moment wichtig sind. Ich achte nicht darauf, dass die Umweltspiegelungen auf dem Kotflügel des sich nähernden Autos physikalisch korrekt sind, wenn ich die Strasse überqueren will. Oder dass ich Fahrzeuge auf der Autobahn, auf die ich mich nicht unmittelbar fokussiere, nur als verwischten Umriß wahrnehme. Meine Augen nehmen dies zwar alles auf, mein Gehirn hat jedoch im Laufe der Jahre gelernt diese Details auszublenden und als simple Information "Da ist ein Auto" abzuspeichern und auszuwerten. Es reicht, dass ich weiß, dass sich dort ein Auto befindet. Ich muss nicht wissen, dass sich gerade die Sonne im Heckfenster spiegelt und der Lack hinten rechts leicht verkratzt ist. Weil diese Informationen in diesem Moment für mich nicht wichtig sind.

Auf dem Bildschirm knallt mir das jedoch alles gleichrangig in mein Hirn, so dass ich nebensächliche Details abschalten muss, damit diese nicht gerendert und dargestellt werden. Ich verhalte mich hier zunehmend wie ein an Autismus leidender Mensch, dessen Gehirn all diese Informationen nicht unterschiedlich, sondern nur gleichrangig verarbeiten kann, mit der Folge, dass er sich abkapselt und zurückzieht, will er nicht ob der Masse an sensorischem Input den Verstand verlieren.

Mag sein, dass dies eine Sache des Alters ist, dass mein Bewusstsein schon zu sehr darauf getrimmt ist, Bildschirminformationen komplett und ohne Ausnahme wahrzunehmen. Denn früher (rahhh, FRÜHER™), stand für die graphische Darstellung eines Sachverhaltes so wenig Speicherplatz zur Verfügung, dass im Grunde jedes Pixel einen ganz bestimmten Informationswert darstellte. Pixel an schicke Hintergründe oder lustige optische Spielereien zu vergeuden, war einfach nicht denkbar. Nicht mit der Hardware, die damals zur Verfügung stand. Graphiken waren daher nicht naturalistisch/realistisch, sondern wiesen Symbol-Charakter auf. Mein Gehirn hat gelernt, all diese Symbole und Icons auf einmal wahrzunehmen und ihnen dann die entsprechende Bedeutung zu zuweisen. Ich habe, sozusagen, viel abstrahiert und hergeleitet.

Und daher bin ich nach nur 30 Minuten Bioshock auf Maximaleinstellungen fix und fertig, ermattet und müde, weil ich JEDES verfickte Detail, jede Spiegelung, jedes Halo, jede Emboss-Textur, jeden Vollbild-Effekt gleichrangig neben den essentiellen Interface- und Spielelementen wahrnehme und diese nicht automatisch wieder im Hirn ausblende, obwohl sie im Grunde nicht wichtig sind. Nicht für mein Hirn. Hier muss ich wirklich bewusst "arbeiten", um die rein atmosphärischen Details von den wichtigen Informationen zu trennen.

Was letztendlich bedeutet, dass die aktuellen Graphik-Verbesserungen zumindest für mich komplett für die Katz sind. Wenn ich a) entweder diese Details im Gehirn ausblende oder b) sie vorab ausschalte, um ein für mich leichter zu verarbeitendes, klareres Bild zu erhalten ... wozu sind sie dann gut? Wozu sollte ich mir dann entsprechende Hardware anschaffen (PC-Komponenten oder entsprechend leistungsfähige Konsolen), wenn ich entweder fast alles abschalte oder gar nicht mehr bewusst wahrnehme? Es hat schon seinen Grund, warum vor allem Profi-eSportler keine sonderlich leistungsfähige Hardware benutzen und oftmals mit weit heruntergeregelten Details spielen. Das hat nicht nur mit einem flüssigeren Bildaufbau zu tun, sondern auch mit einem einfacheren und schnelleren Erfassen relevanter Bildinformationen, welches zu schnelleren Reaktionen führt.

Doch gemach, bevor ich nun endgültig die Wiedergeburt der EGA-Farbpalette und die Rückkehr zur VGA-Auflösung verkünde, sollte ich wohl ein wenig präzisieren, wo mich diese Effektflut besonders stört. Spiele ich ein Adventure oder einen anderen Titel aus einem Genre, in dem die Spielgeschwindigkeit relativ gering ist, so habe ich nichts, ich wiederhole, NICHTS gegen wunderschöne, mit allem Drum und Dran aufgemotzte Graphik. Ich hätte nicht gegen ein photorealistisches Indiana Jones-Adventure und wenn ich in Drakensang geruhsam durch die Gassen von Ferdok streife, so schätze ich all die kleinen Effekte, welche das stimmungsvolle Bild einer mittelalterlichen Stadt verstärken. Ein stehendes oder sich nur langsam veränderndes Bild gibt mir genügend Zeit alle Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Werfe ich jedoch den Rechner an, um einen EgoShooter zu zocken, dann ist beim graphischen Stand eines Painkillers oder eines Half-Life 2 Schluss. Schon ein Doom 3 mit seinen Schatten- und Oberflächen-Effekten ist hart an der Grenze. Ein Prey oder Quake 4 sind abschnittsweise schon zu anstrengend und spätestens bei Bioshock und der UT3-Engine steigt mein Hirn endgültig aus.

Von daher, ja, von daher kann ich schon sagen, dass ich mein persönliches Ende der graphischen Fahnenstange erreicht habe. Ein Mehr an Details bringt mir nur in wenigen Fällen auch ein Mehr an Stimmung (oder gar Spielspass?), größtenteils sind nicht wenige DX9/10-Effekte für mich nur vergeudete Liebesmühe, weil ich sie wieder abschalte.

Sprich, es reicht jetzt, danke!