Mittwoch, 5. September 2007

Bodensatz-Shooter - Teil Zwo

Kapitel Drei - Die Neuzeit:

Aufgehört haben wir das letzte Mal mit Soft Enterprises und dem hässlichsten Spiel der Welt. Da passt es ja auch, dass wir mit Soft Enterprises weitermachen ...

- Skout
1999 war die sog. 3D-Beschleunigung etabliert und quasi Pflicht für das Genre Ego-Shooter. Ein Jahr zuvor hatte auch "Unreal" gezeigt, welche optischen Wunder man damit vollbringen konnte. Also dachte man sich bei Soft Enterprises: "Machen wir doch nochmal einen Shooter! Und da wir nur ein kleines Entwicklerteam aus Deutschland sind, programmieren wir unsere eigene Engine und heuern wieder Freunde und Bekannte an, damit diese selbige Engine mit Inhalten füllen!" Gesagt, getan! Und es kam, wie es kommen musste. Skout wäre als Hobby-Projekt wirklich eindrucksvoll gewesen und hätte eine Menge Beifall verdient. Als kommerzielles Vollpreis-Spiel hingegen kann man nur noch voller Entsetzen die Hände vor's Gesicht schlagen.

- Stirb Langsam - Nakatomi Plaza
Hrhrhr, Die Hard! Cooler Film! Cooler Held! Bruce Willis, wie er besser nie mehr war! "Cool", dachte man sich wohl auch bei Sierra. "Cool! Daraus machen wir einen Ego-Shooter! Schliesslich haben wir da diese Lithtech-Engine eingekauft. Daraus lässt sich bestimmt ..." Und so konnte man als Alter Ego von John McClane diesen Wolkenkratzer unsicher, ähhhh, natürlich "sicher" machen. Doch leider war, wie üblich, nach Erwerb der offiziellen Lizenz scheinbar kaum noch ein akzeptables Budget für die eigentliche Entwicklung übrig. Das Ergebnis: Nicht nur eine belanglose Film-Versoftung, nein, eine sogar durch und durch entsetzlich schlechte Film-Versoftung selbst nach den traditionell schon sehr niedrig angesetzten Wertmaßstäben, die man an solche Titel legt. Selbst die Uncut-"18er"-Version, die ich hier im Regal stehen habe, vermag dieses Spiel nicht mehr zu retten. Miese, öde Texturen. Schlampige, hölzerne Animationen. Belanglose Waffensounds. Hirnlose KI. BILLIG und LIZENZDRECK sprach überdeutlich aus jeder Programmzeile dieses Spieles.

- Mortyr
Es war einmal Wolfenstein-3D. Viel Freude herrschte vor den Rechnern der Jugend weltweit, denn wo sonst konnte man so locker-flockig Nazis jagen? Dann jedoch war eine lange Pause angesagt. In Deutschland sogar eine zwangsverordnete Pause, denn die BPjS schritt ein. Ca. sieben Jahre später meinte ein polnischer Entwickler, dass es doch wieder an der Zeit wäre, den Schergen des Bösen kräftig in den Hintern zu treten. "Mortyr" erblickte das Licht der Welt, um nur kurz darauf in Deutschland nicht nur indiziert, sondern wie beim spirituellen Vorgänger auch wieder beschlagnahmt zu werden. Ich musste daher einen geschäftlich in die USA reisenden Kollegen bitten, doch einen Abstecher in einen Videospieleladen zu machen. Rein optisch war Mortyr selbst Ende des letzten Jahrtausends gar nicht so übel. Hübsche Licht- und Spiegeleffekte, Schneespuren ... nett. Seltsam wurde es dann aber schon bei der Story. Der Sohn einer Nazigröße aus einer alternativen Zukunft, in der Nazi-Deutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hat, reist in die Vergangenheit des 2. Weltkriegs, um herauszufinden, warum die Nazis den Krieg gewonnen haben, nur um in der zweiten Hälfte des Spieles wieder in die Zukunft zu reisen, um dort gegen irgendwelche Roboter und Hightech-Wachen anzutreten. Nein, muss man nicht verstehen. Im Grunde sollte man auch nur die erste Hälfte des Spieles zocken. U-Boot-Hangare, NS-Ordensburgen, Schlachtfelder und natürlich jede Menge Nazis, die man umnieten kann. Richtig toll ist das zwar nicht gemacht, aber .... bei weitem nicht so schrecklich wie die Level, die in der Zukunft angesiedelt sind. Himmel hilf! Auch wenn die Credits anderes vermuten lassen ... ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die zweite Spielhälfte von denselben Leuten gemacht wurde, die auch für die erste Hälfte verantwortlich waren. Treten einem zuerst vor Entsetzen die Augen aus den Höhlen, so füllen sich diese widerum schnell mit all den Tränen, die man ob des Geschehens auf dem Bildschirm vergiessen muss.

- Übersoldier
Ja, schon wieder 2. Weltkrieg. Schon wieder Nazis. Schon wieder eine recht anständige Optik und sogar ein interessantes Gameplay-Feature. Und schon wieder der Absturz ins Bodenlose durch einen Haufen Schlampereien, nicht wenige Bugs und ein Textintro, welches entweder ein legasthenischer Klippschüler oder jemand verfasst hat, der der deutschen Sprache nun wirklich nicht mächtig ist. Nur ein Detail, aber stellvertretend für die Sorglosigkeit, mit der hier ein potentiell nettes Spiel runiert wird. Da stört es auch nicht weiter, dass man angesichts der Dialoge in den Zwischensequenzen schallendes Gelächter nicht unterdrücken kann oder (was eigentlich sehr viel schwerwiegender ist) die Hitboxen der Gegner und die Treffererkennung zT. lichtjahreweite Löcher aufweisen. Und es stört auch nicht weiter, dass die vielgepriesenen Mitstreiter dank ihrer kümmerlichen KI innerhalb weniger Sekunden die ersten Opfer im Gefecht werden und man so oder so wieder alleine die Kohlen aus dem Feuer holen darf. Ärgerlich, nervig, peinlich.

- Stalin Subway
Nein, diesmal keine Nazis. Und auch kein 2. Weltkrieg. Aber schon wieder ein Ostblock-Gewächs. Das einzig gute an "Stalin Subway" ist der Umstand, dass man sich zumindest die Mühe eines relativ unverbrauchten Szenarios gemacht hat. Als KGB-Agent in den 50ern kommt man auf die Spuren eines Anschlagsplanes gegen Josef Stalin, der mittels einer Atombombe in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden soll. Und als aufrechter Verfechter und Verteidiger des Kommunismus muss man dagegen natürlich einschreiten. Wie gesagt, mal was anderes ...
Die technische Umsetzung ist hingegen das übliche Trauerspiel. Wie der Titel vielleicht schon vermuten lässt, findet das Geschehen hauptsächlich in der Moskauer U-Bahn statt. Dass die Moskauer Metro aber weltweit bekannt für ihre enorme Pracht und Ausstattung ist, merkt man dem Spiel nicht an. Graue oder wahlweise braune Gänge. Noch mehr graue und/oder braune Gänge. Und da ... ein grau/braun/roter Gang! Passen zum stupiden Leveldesign gibt es auch stupide Gegner, die ihre mangelnde KI und ihre ungehobeltes Auftreten (auch hier scheint man einen Stock verschluckt zu haben) mit unverhofften Teleport-Auftritten im Rücken des Spielers und bereits "gesäuberten" Spielabschnitten anreichern. "Stalin Subway" ist nicht nur schlecht gemacht, es ist auch elendig öde und langweilig! Stay away from Stalin Subway, please!

- Psychotoxic
Nein, definitiv KEINE Nazis. Nein, auch kein 2.Weltkrieg. Und auch kein Spiel aus dem Ostblock. Dafür ein Ego-Shooter aus Deutschland! Und ein weiterer Beweis dafür, dass gutgemeint nicht immer gutgemacht bedeutet. "Psychotoxic" klingt auf dem Papier sehr vielversprechend. Protagonist eine hübsche Dame mit esoterischen Kräften, die nichts weiter zu tun hat, als die Welt vor dem drohenden Armageddon zu retten. Basierend auf der Vision-(ehem. Vulpine)-Engine schaffen es die Entwickler zumindest in den sog. Traumleveln mal so richtig vom Leder zu ziehen. Das sieht schon klasse aus ... doch leider spielt es nicht einmal ansatzweise so gut, wie es optisch den Anschein hat. "Psychotoxic" leidet unter allen den typischen Merkmalen eines Spieles, welches von einem unerfahrenen und überforderten Team gemacht wird. Gute Ansätze, interessante Ansätze, aber lausig in der Ausführung. Billig, schlampig, schludrig. Dass dem Team mitten in der Entwicklung der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, als CDV im Sommer 2003 die finanzielle Notbremse ziehen musste, ist da leider keine ausreichende Entschuldigung. "Psychotoxic" roch schon vorher aus drei Kilometern gegen den Wind nach engagiertem, aber kümmerlichen Erstlingswerk. Als Vollpreisspiel völlig indiskutabel.

- Breed
Hehehe, Breed, hehehe! Muhahahahahahaha! Breeeed! *gröööööhl*
Und wieder klingt auf dem Papier alles gut. Große Landschaften, eine Reihe von Fahrzeugen vom Panzer über den Buggy bis zum Raumjäger. Ja, klingt stark nach Halo. Wurde auch als potentieller Halo-Killer bezeichnet. Hätte in den Händen eines "etwas" kompetenteren Entwicklers auch was werden können. Doch wenn nur EINE (in Zahlen: 1) Person als Programmierer für das ganze Projekt zuständig ist und diese Person, anstatt sich darauf zu konzentrieren, dass eingebaute Features auch richtig funktionieren, ständig neue Featues einbaut ... da stört es auch nicht weiter, dass man kurzfristig vor dem Release einen Netzwerk-Programmierer einstellt, der dann die ersten Zeilen Multiplayercode schreibt, was zwangsläufig zu einem vollkommen unbrauchbaren Multiplayer-Modus führt. Da stört es auch nicht weiter, dass der Entwickler ca. ein halbes Jahr vor dem Release (der Zeitpunkt, wo bei normalen Teams normalerweise die Crunchtime beginnt) jegliche Arbeit an dem Projekt einstellt und lieber an anderen Spielen herumbastelt. Da stört es im Endeffekt auch nicht weiter, dass der Publisher in höchster Not den Releasetermin zum x-ten Male verschieben muss, weil er verzweifelt versucht mit Hausmitteln aus dem desaströsen Goldmaster noch ein halbwegs vernünftiges Spiel zu machen und dabei alles noch mehr in die Scheisse reitet. "Breed" - ein Treppenwitz in der Shootergeschichte. Ein kläglicher Auswurf von Spiel, der verdientermaßen in der Versenlung verschwunden ist und dort auch bitte bleiben sollte.

- You are Empty
Kein wirklich schlechter Shooter, eher zur Gattung "Belanglos, aber harmlos" zählend, möchte ich zum Abschluss diesem Werk einen Sonderpreis verleihen. Den Sonderpreis und Spezial-Award für "The Weirdest Game Title Evar!!!11". Leicht bizarr ist auch das Spiel selber. Eine höchst seltsame Mischung aus "Stalin Subway" und "The Evil Dead". Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dieses Machwerk verdammen oder ob seines offenkundigen, grenzüberschreitenden Wahnsinns in den siebenten Himmel loben soll.

Natürlich könnte ich hier noch min. ein Dutzend weitere Titel nennen, wie zB. diese erbärmlichen US-Produktionen, wie man sie hauptsächlich bei Activisions ValueSoft-Label findet. Schnellschuss-Produktionen, die in erster Linie für die Grabbeltische bei Walmart und anderen Supermärkten konzipiert werden. Oder den erneuten Versuch, mit "Red Ocean" zu beweisen, dass FarCry DIE Ausnahme ist, welche die Regel bestätigt, dass aus Deutschland keine guten Shooter kommen können. Oder diese unsäglichen SplinterCell-, RainbowSix-, Taktikshooter-Klone aus Osteuropa, die ich schlichtweg aus Desinteresse gegenüber diesem Subgenre mit Nichtachtung strafe. Hier hört dann selbst meine Sammlerleidenschaft auf. Hier gibt es selbst für mich Grenzen. Man muss sich ja nicht jeden Scheiss antun! :)