Die Angst des Fanboys und andere Mißverständnisse
Der gute Denis Dyack schwadroniert ja seit geraumerweile von seiner Vision eines gemeinsamen Industrie-Standards für Videospiele. Er erläutert en detail, wie er sich dies vorstellt und was man sich im Grunde darunter vorstellen soll. Er erzählt lang und breit von den Vorteilen eines einheitlichen Standards, er führt Beispiele aus anderen Branchen an. Er redet und redet und redet ... scheinbar die Wand an. Zumindest die Wand, welche aus uns, den Spielern, besteht.
Aktuell findet man bei Kotaku wieder einen Beitrag zu diesem Thema. Und erneut begreifen fast alle Kommentaroren nicht, was Dyack eigentlich anstrebt. Weil die große Masse der Gamer, weil wir, nur in etablierten, vorgeprägten Bahnen denken können. Wir sehen ein Spiel und denken "PC? Oder PS2? Oder Wii? Oder XBOX?". Wir glauben, dass unterschiedliche, miteinander inkompatible Plattformen gut sind. Weil wir Kompliziertheit mit Komplexität verwechseln. Wir befürchten einen Stillstand und öde Monotonie im Spielebereich, weil es ja nur einen technischen Standard und somit keine Weiterentwicklung gibt.
Wir kapieren es nicht, weil wir dumm, naiv, unwissend und BLIND sind!
Wir lassen vollkommen ausser acht, dass die besten Spiele einer Plattform erst am Ende ihrer kommerziellen Lebensdauer erscheinen, weil dann die Entwickler mit den Eigenarten der Plattform vertraut sind und die verfügbare Arbeitskraft endlich in das Spieldesign gesteckt werden kann.
Wir ignorieren den Umstand, dass die ersten beiden Jahre im Lebenszyklus einer Plattform von allenfalls durchschnittlichen Spielen geprägt sind. Weil die Entwickler eben noch mit den Tücken der Plattform kämpfen und nicht genügend Zeit bleibt, sich vernünftig mit dem Spiel zu beschäftigen.
Wir denken, dass tolle Technik und tolle Graphik tolle Spiele hervorbringt. Je mehr, desto toller!
Wir lassen uns auch freudig viel Geld aus der Tasche ziehen, wenn wir im Jahrestakt neue PC-Hardware kaufen, um das neue Spiel zocken zu können, weil die Entwickler lieber auf neue Technik setzen, anstatt die verfügbare Hardware auszureizen. Wir können uns ja zT. gar nicht vorstellen, dass tolle Graphik auch mit älterer Hardware machbar ist. Man schaue sich zB. Final Fantasy 4, Final Fatansy 6 und Bahamut Lagoon für das SNES an. FF4 war das erste FF auf dieser Plattform. Sieht mau aus. Sieht im Grunde immer noch nach NES aus. Dann schauen wir uns FF6 an. Selbe Hardware. Aber was ein graphischer Fortschritt. Und wer schon mal Bahamut Lagoon gesehen hat, der staunt nur noch über die optische Pracht, die man aus der SNES-Hardware herausholen kann.
Aber das kratzt uns nicht. Wir wissen es nicht. Es interessiert uns nicht. Und deswegen fürchten wir auch einen gemeinsame Standard für Videospiele, weil wir den ständigen Konkurenzkampf zwischen Sony, Nintendo, MS und die immerwährende Rüstungsspirale auf dem PC als gottgegeben so hinnehmen. Wir sind hirnlose Sklaven einer gigantischen Marketing- und Hypemaschinerie geworden.
Aber Dyacks Vorschläge finden zumindest innerhalb der Industrie durchaus geneigte Zuhörer. Vor allem Publisher sind an einheitlichen Standards natürlich sehr interessiert, erspart es ihnen doch erhebliche Mehrkosten bei der Konvertierung eines Titel für verschiedene Plattformen. Neulich hat sich ein hochrangiger EA-Mensch wohlwollend zu diesem Thema geäussert. Zwar hat er mit "Streaming von Inhalten" einen neuen Themenbereich aufgemacht und somit die feuchten Träume der Branche offenbart, aber zumindest dort scheint man ansatzweise verstanden zu haben, warum einheitliche Standards prinzipiell gut für alle sind.
Ich warte dann also auf den Tag, an dem MS, Sony und Nintendo jeweils ihre eigenen Vorschläge für einheitliche Standards vorlegen, sich niemand einigen kann und wir weiterhin mehrere Dutzend Geräte vorrätig haben müssen, wollen wir bestimmte Spiele spielen. Was den Fanboy als solchen natürlich freudig stimmt, ist doch SEINE Marke die beste auf der ganzen Welt. Und während er in Foren weiterhin eifrig die "anderen" runtermacht, merkt der Fanboy als solcher auch überhaupt nicht, dass er von Myriaden einheitlicher Standards umgeben ist, die ihm so Dinge wie DIN-Stecker für Stromanschlüsse und leicht auswechselbare, weil einheitliche Glühbirnengewinde ermöglicht ...
Armer Denis Dyack! Auch in hundert Jahren werden wir nicht verstehen, was der gute Mann hier vorschlägt.