Mittwoch, 17. Oktober 2007

Dialoge in der Nacht

Ein nettes, kleines Vöglein klopfte letztlich an das Fenster und brachte mir HL2 Episode Two vorbei. "Schau mal rein", sagte es. "Ist diesmal wirklich gut geworden", meinte es. Ok, dachte ich, dann versuche ich doch nochmals mein Glück. Nach Episode One hatte ich ja von Valves Versuchen, filmische Stilmittel mit aller Gewalt in ein Spiel zu drücken genug, aber wenn das Vögelchen sagt, dass es diesmal gut sei ...

Es ist spät geworden. Sehr spät. Oder früh. Je nachdem. Das Vögelchen sitzt nun auf meiner Schulter und zwitschert fragend in mein Ohr:

"Und, und? Wie fandest Du nun Episode Two?"

"Keine Ahnung!", brummelte ich stinkig vor mich hin. "Ich hab's ja nicht zu Ende geschafft!. Scheiss Level-Designer und ihre Furz-Ideen! Was soll das? Ein Beispiel von: Wie frustriere ich den Spieler oder was?"

"Ja, schon, der Endkampf ist schon etwas heftig. Aber sonst? Wie hat Dir das Spiel sonst gefallen?"

"Nun ... also, im Grunde ... gar nicht mal so übel!"

"Na siehste! Was hat Dir denn besonders gut gefallen?"

"So im Nachhinein betrachtet ... man könnte den Eindruck gewinnen, dass man bei Valve auf meine Rants reagiert hat. Ich habe nirgendwo den Eindruck, dass man mich mit aller Gewalt zu einer bestimmten Handlungsweise zwingen möchte. Was an Story-Elementen stattfindet, wird entweder über Voice-Overs abgefackelt, die den Spielfluss nicht stören. Oder es findet geskriptet in Rebellenbasen statt, so dass immer klar ist, dass ich hier nun stillstehen und aufpassen soll. Ansonsten habe ich so gut wie immer die spielerische Freiheit selber zu entscheiden, wann ich welchen Gegner wie angreifen möchte. Ich kann die Gravity-Gun exzessiv nutzen, weil diesmal auch genügend Zeugs in der Gegend herumliegt oder ich kann klassisch die Waffen sprechen lassen, weil es auch genügend Munition gibt. SOOO gefällt mir das!"

"Und optisch? Es heisst ja, Episode Two hätte sich graphisch kaum verbessert. Deine Meinung?"

"Ganz ehrlich, was soll man daran noch optisch verbessern? Mir ist es lieber, wenn die Texture- und Leveldesigner die Sau rauslassen und ihr kreatives Können zeigen, als dass die Programmierer ein technisches Feature nach dem anderen reinknallen. Episode Two sieht brilliant aus. Farben, Formen und Effekte ordnen sich dem Setting unter. Nichts wirkt als Pixel-Shader-Onanie, nichts als Selbstzweck. Selbst der Schockwellen-Effekt, der von der am Horizont erkennbaren, zerstörten Combine-Festung ausgeht, so genial und aufwendig er auch umgesetzt wurde .. passt! Klasse!"

"Und das Gameplay? Gut? Nervig?"

"So langam scheint man auch gelernt zu haben, wie man die Gravity Gun und die Spielphysik einsetzt, ohne dass es so künstlich und aufgesetzt wirkt, wie noch bei HL2 oder zu Beginn von Episode One. Das wirkt nun alles aus einem Guß. Es wirkt nicht wie ein "Haha! Schaut! Ein Physikrätsel!". Alles sehr natürlich, sehr flüssig. Schön!"

"Dein Gesichtsausdruck drückt aber gerade etwas anderes aus, oder?"

"Ich leide immer noch unter dem vergeblichen Bemühungen, den Endkampf zu gewinnen. Was'n Kack!! Ich mein, ich kann Episode Two so einige Fehler verzeihen. Die Spieldauer ist wieder etwas zu kurz, aber sie ist zumindest gut und abwechslungsreich gefüllt. Bissi blöde ist der Abschnitt, in dem man zuerst eine Antlion-Queen NICHT töten darf, weil sie scheinbar eine wichtige Substanz beinhaltet. Dann marschiert der Vortigaunt einfach zu einer Larvenbau-Wabe, OHNE dass die Queen weit und breit zu sehen wäre und extrahiert die Substanz. Und danach darf man den Gegner endlich umnieten. Warum nicht gleich? Aber das sind nur kleine Detailmängel.

Der Endkampf hingegen ... meine Fresse! Es ist vollkommen in Ordnung, dass man mir ganze Horden von Stridern entgegenschickt. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn man sie durch Hunter beschützen lässt. Selbst der Umstand, dass man die Strider nicht mal durch zweihundertausend Raketentreffer, sondern NUR durch die Anti-Strider-Mine zerstören kann, ist akzeptabel. Die Combine haben eben neue, reaktive Panzerung angebracht. Es ist auch in Ordnung, dass man wie ein Derwisch durch das weitläufige Areal hetzen muss, um jede Angriffswelle zu stoppen. Das alles ist in Ordnung. Anstrengend, nicht einfach, aber immer noch vergleichsweise fair. Den dicken Hals habe ich erst dann bekommen, als ich feststellen durfte, dass man die einzelnen Strider scheinbar in einer bestimmten Reihenfolge und zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigen muss. Kommt man irgendwo zu spät an oder verliert beim Ausschalten der Hunter zuviel Zeit, zerstören die Strider Vorratslager und Minen-Spender. Kommt dann die finale Angriffswelle aus allen Richtungen, hat man entweder zuwenig Ammo, um die Hunter zu erledigen. Oder man verliert zuviel Zeit, um die Hunter mit der Gravity Gun zu erlegen, weil man ja keine Ammo mehr hat. Oder man hat zu wenig Health oder Energy und wird somit schnelles Opfer eines hinterrücks anrennenden Hunters oder eines sich angepisst aufführenden Striders. Und das mit dem Auto als Rammbock war auch keine so gute Idee. Während man nämlich versucht die flinken Maschinen zu überfahren, marschiert der Strider gemächlich gen Basis. Und manchmal rennt der Strider auch wie ein Irrer zur Basis. Ist man dann zu weit weg oder muss erst eine Mine besorgen, ist es wieder mal zu spät gewesen. HASSS!

Ich mein, sowas kann man mir gerne auf "Schwer" oder meinetwegen schon auf "Normal" entgegenwerfen. Aber zumindest auf das Zerstören der Lager hätte man bei "Leicht" verzichten können. Das hat nichts mehr mit Herausforderung zu tun, das ist pure Heimtücke und Niederträchtigkeit! Bähhhhh!"

"Und? Wärst Du bereit dafür Geld auszugeben?"

"Im Rahmen eines Gesamtpaketes HL2 Gold, abgeschlossen, mit allen Episoden, gerne! Dafür würde ich sogar Steam zähneknirschend hinnehmen. Aber solche Brüche im Spielfluss, wie sie seit dem Hauptprogramm ständig vorkommen, die nerven nur noch. Zudem frage ich mich, wann es die ersten Shooter für Senioren gibt. Also Shooter, die NICHT die pfeilschnellen Reflexe und den unerbittlichen Fokus eines 14-jährigen Teenagers erfordern. Ich mein, mir würden ja schon vernünftig ausbalancierte Schwierigkeitsgrade reichen."

"Tja", säuselt dann das Vögelchen. "Du bist eben ein alter Sack. Du bringst es nicht mehr in Shootern! Cheatcodes sind wohl Dein Viagra, nicht?".

"Meinetwegen.", flöte ich zurück. "Dann müssen die Entwickler eben auf mein Geld verzichten, dass ich als alter Sack in rauhen Mengen auf dem Konto habe. Das nennt man wohl Pech, nicht wahr, mein Schatz?" ...

... und breche dann mit einer schnellen Handbewegung des Vögelchens zartes Genick!

"Und Du bringst mir sowas nicht nochmal vorbei, hörst Du?"