Samstag, 4. Oktober 2008

Unter dem Radar - Stubbs The Zombie in "Rebel without a Pulse"

Ambivalenz in der Rezeption von Kunstwerken ist für uns nichts neues. Für manche ist Luis Bunuels Meisterwerk "Ein andalusischer Hund" auch heute noch ekelhafter Frevel, den man am besten verbieten und verbrennen lassen sollte. Für manche ist das Buch "Die Satanischen Verse" von Salman Rushdie Grund genug, selbigem den Tod zu wünschen. Für manche sind die Werke von Joseph Beuys nichts weiter als dreckiger Abfall. Manche Menschen bekommen schon Ohrenbluten, wenn sie nur an Modern Talking denken.

Wie ist es jedoch mit Spielen? Sind Spiele schon "so weit"? Haben Spiele schon genug Ambivalenzpotential für Begeisterungsstürme, grobe Mißverständnisse, gewaltige Fehlinterpretationen oder schlichtweg abgrundtiefen Hass?

Nun, nehmen wir zB. "Postal 2". Für die einen die coolste Gesellschaftsatire seit Heinrich Manns "Der Untertan", für die anderen eine geschmacklose, eklige Peinlichkeit und Ausdruck all dessen, wovor unsere Jugend geschützt werden muss. Was haben wir noch? Nicht viel, um ehrlich zu sein. Spiele sind fast ausschliesslich unpolitische, unkritische und pflegeleichte Kommerzprodukte, deren Provokation folgerichtig nur Show ist, die auf das jeweilige Zielpublikum abzielt. Die Provokation wird nur als Kaufstimulanz benutzt, um zB. ganze Busladungen voller pubertierender Jungmänner zum Kauf von möglichst blutigen und gewalttätigen Spielen zu verleiten.

Von daher könnte man "Stubbs The Zombie" auch als typisches B-Game, als Schubladenprodukt für männliche Jugendliche einsortieren, die wie kleine Mädchen kichernd vor dem Bildschirm hocken, wenn rote Pixeltexturen und fleischfarbige Polygonbröckelchen terabyteweise von der Festplatte geladen werden.

Man könnte es auch anders sehen ... und bevor ich hier seitenlang beschreibe, warum man das anders sehen könnte, hier zur Einstimmung ein kleiner Trailer:



"Stubbs The Zombie" ist einer dieser kleinen Unfälle in der Spielegeschichte, wenn jemand, scheinbar unbeirrt von jeglichen kommerziellen Zwängen, einfach seiner Kreativität freien Lauf lässt und uns ein respektloses, überdrehtes und maßlos übertriebenes Kleinod voller Geschmacklosigkeiten, Anspielungen, Satire und jeder Menge Splatter zum Geschenk macht.

Wir haben zB. Stubbs, die Hauptfigur, ein kleiner Versager als er noch lebendig war, der eigentlich nur zu seiner großen Liebe zurückkehren möchte, nachdem er einst von Maggies Vater ermordet und heimlich verscharrt wurde. Wir haben Maggie, schwerreiche Mutter eines noch reicheren, mit Stubbs gemeinsam gezeugten Sohnes, der in den USA der 50er Jahre als Vorzeige-Unternehmer ein Vermögen aufgebaut hat. Wir haben einen Nazi-Wissenschaftler, ähhh, amerikanischen Neu-Patrioten, dessen Erfindungen Grundlage für Andrews Reichtum darstellten. Wir haben Punchbowl, die ultra-moderne Vorzeigestadt für das 21. Jahrhundert, geleckt, perfekt, sauber und so wunderschön, dass man vor Rührung nur Heulen könnte. Und wir haben viele frische Gehirne, die alle darauf warten in irgendeiner Form verspeist zu werden.


Ahhh, Utopia!


Sir, you DO know you have an open stomach, don't you?


STOP! POLICE!!



hmmm, brains!


*a few moments later* BRAIIIIIIIINS!


Our *erm* Hero!


Oh, look at the Living!


Oh, look at the Dead! *harhar*

Gut, spielerisch hat es seine Längen. Und vernünftig speichern kann man auch nicht. Und ein mordsmäßiger Brachialbug gleich zum Spielstart, wenn die Exe den Bildschirm mit der theoretisch maximalst möglichen Frequenz ansteuert, kann vor allem bei Besitzern von älteren Röhrenmonitoren zu unschönen Flüchen führen, wenn man verzweifelt versucht den Bildschirm zu resetten, in der Hoffnung, dass die Röhre oder eine anderes Bauteil nicht durchgebrannt ist.

Aber sonst ... GEIL! Obwohl, richtig empfehlen kann ich es eigentlich nur Zombie- und Splatterfans, denn auch wenn das Geschehen vollkommen übertrieben und ironisch inszeniert wurde, die Graphik doch sehr cartoonig ist, so kann bestimmt manchem beim Hirnaussaugen und Eingeweidewerfen das Lachen mitunter im Halse steckenbleiben.

Und wer hier zudem eine Reihe von Parallelen zu Bioshock sieht, welches zwei Jahre später angeblich so innovativ, toll und neuartig gewesen sein soll, der darf sich stolz auf die Schulter klopfen ... :)