Sonntag, 12. Oktober 2008

Auffe Fresse kriegen

Eigentlich habe ich mich immens auf das Colonization-Remake gefreut. Eigentlich ...


Noch sieht alles sehr vielversprechend aus.

Der Herr Luibl gibt hier großkotzig damit an, dass er es schon im vierten Anlauf geschafft hat, als erster die Unabhängigkeit zu erklären, dann aber von den königlichen Expeditionstruppen vom Anlitz der Neuen Welt gefegt wurde. Pffft, Angeber!

Ich habe es immerhin geschafft, beim vierten Anlauf eine einigermaßen blühende Kolonie aus drei (!) Städten aufzubauen, während mich die anderen Europäer schon wieder mit Rekordgeschwindigkeit von jeder weiteren Expansionsmöglichkeit abgeschnitten haben. Und dabei spiele ich "nur" auf Schwierigkeitsstufe 2. Wer denkt, dass er als alter Colonization-Hase hier mal locker vom Hocker die Revolution verkünden UND dann auch noch gewinnen kann ... pahh!


Ein vertrauter Anblick ... und doch ist fast alles komplett anders.


Und die roten Farbtupfer in Norden waren einst die USA unter George Washington. Jetzt wieder königlich-britisch.

Dieses Remake erinnert an das Original nur äusserlich. Im Inneren werkeln zT. ganz andere Gesetzmäßigkeiten und Abhängigkeiten, Regularien und Algorithmen. Geschwindigkeit ist (scheint) Trumpf. Wer nicht sofort damit anfängt massiv neue Städte zu gründen (Civ4-Taktik), anstatt nach alter Väter Sitte zuerst die Anfangssiedlung einigermaßen auszubauen (Colonization-Taktik), kommt später im direkten Vergleich zur "Konkurrenz" kaum auf einen grünen Zweig. Entweder, man hat Pech und wird von den anderen Europäern in einer Ecke des Kontinents eingekreist oder sie erreichen die Unabhängigkeit weit vor einem selbst.

Ich habe zum Vergleich ein neues Spiel auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad gestartet und versucht möglichst schnell möglichst viele Städte zu gründen, möglichst NICHT auf die Spezialisierung von Berufen zu achten, sondern die erste Stadt als "Brutzentrum" zu verwenden und neue Kolonisten zu produzieren auf Teufel komm raus.

*ich entschuldige mich vielmals bei all den tapferen siedlerfrauen, welche ich zur dauerschwangerschaft zwangsverpflichtet habe*

Nun habe ich ca. sieben leidlich taugliche Städte, die weder ansatzweise in revolutionärer Stimmung, noch in der Lage sind irgendeinen Pygmäenangriff abzuwehren. Glücklicherweise (oder bedauerlicherweise) lassen sich die Indianer ruckzuck um den Finger wickeln und wenn man immer schön friedlich ist, räumen sie irgendwann selber ihre Siedlungen. Dennoch beginnt JEDER andere europäische Konkurrent vor mir die Revolution, wird dann gnadenlos vom Mutterland ausgerottet, während mir selbst nur noch ein paar läppische Spielzüge bleiben, selber die Revolution auszurufen UND einen genügend starke Militärstreitmacht aufzustellen. Denn Stimmung machen ist relativ einfach. Rechtzeitig genügend Truppen aufzustellen, mit denen man die königlichen Expeditionstruppen besiegen kann? Viel Glück!


Aber es sieht zumindest sehr hübsch aus.

Und das jetzt auf dem leichtesten (!) Schwierigkeitsgrad und mir als doch *hüstel* durchaus kompetentem Civilization- und Colonization-Spieler ...

Ich habe momentan keinen blassen Schimmer, was ich falsch mache. Irgendwo liegt der Schlüssel zum Erfolg. Doch wo? Schnell ausbreiten schützt mich zwar davor, von der Konkurrenz an die Wand gedrückt zu werden, lässt mich mit einem Haufen unterentwickelter Städte voller ungelernter Arbeiter aber auch nicht gerade gut dastehen. Also starte ich einfach einen mittleren der insgesamt sieben Schwierigkeitsgrade. Vielleicht kommt die Erkenntnis, wenn der Druck entsprechend hoch ist?


Die orangene Linie bin ich. Letzter, auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad. Die Engländer (weiß) bekommen gerade von ihrem Mutterland die Hucke voll, während die Spanier (gelb) allen anderen weit davonziehen.

Das Ende kommt hier ratzfatz in Form verärgerter Spanier, die kurzerhand meine beiden Städte einnehmen, die ich bis dahin aufbauen konnte. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie die Jungs derart schnell an Massen von Soldaten, Dragonern und Kanonen gekommen sind. Nein, stop, hab ich doch. Der spanische KI-Kollege hat scheinbar auf jegliche soziale und wirtschaftliche Entwicklung gepfiffen, alles Gold in Soldaten gesteckt, damit ringsum Indianerdörfer plattgemacht und dieses Gold dann wieder nur in den Ausbau seiner Truppen investiert. Eine Strategie, die ich manchmal beim alten DOS-Klassiker verwendet habe. Zur Bestätigung dieser These wechsele ich in den Weltenbauer (den Editor) und schaue mir seine Städte an. Dummerweise stehen noch ziemlich viele Indianerdörfer in seinem Umkreis und seine Städte unterscheiden sich nicht sonderlich von meinen. Ok, Theorie gestorben ...

Civilization-Spiele sind so mithin die einzigen Spiele, in denen ich in Punkto Schwierigkeitsgrad mehr toleriere als sonst ... aber so allmählich wirds nervig. Jetzt sitze ich hier zum min. 15-male an einem neuen Spiel und muss schon wieder neu anfangen, weil die Zufallskarte mich in eine beschissene Gegend platziert hat und wieder zuviel Zeit dabei flöten geht, den beiden Starteinheiten einen vernünftigen Siedlungsplatz zu suchen.

Zudem kommen noch diverse Detailmängel hinzu, die dem Spieleindruck ebenfalls nicht gerade förderlich sind.

Gut, unspielbar ist Civ 4 - Colonization nicht, aber ganz ehrlich, zusammen mit dem höchst undurchsichtigen Spielablauf zu sehr verschlimmbessert worden, um mir so richtig Spass zu machen. Und ganz ehrlich, mir erst stundenlang die Spiel-Enzyklopädie durchlesen zu müssen, bis ich verstanden habe, wozu ich eigentlich in meinen Kolonien Religions- oder Politk-Punkte "bauen" kann? Und nein, sie dienen NICHT zu dem Zweck, den man sich als alter Colonization-Spieler oder Civ-Veteran denken kann. Das "Zollhaus" des DOS-Originals wurde unverständlicherweise ersatzlos gestrichen. Nicht einfach ein wenig generft, sondern schlichtweg gestrichen. Verweigert man dem König eine Steuererhöhung, muss man zusehen, dass man entweder mit den Indianern oder mit anderen Euroäern in der Neuen Welt handelt. Handel mit anderen Staaten in Übersee (Sinn und Zweck des Zollhauses) gibt es nicht mehr. Das übrigens, habe ich erst nach Studium diverser Fanforen herausgefunden, nach dem ich ergebnislos Stunde um Stunde das Spielinterface nach einer Art Handelsmenü abgesucht habe.


Das da rechts im Bild, das soll scheinbar ein Handelsmenü sein. Doch egal, was ich einstelle, der Herr Gouverneur verkauft nix. Oder ist das doch nicht das Handelsmenü? Hallo? Erklärt mir jemand bitte, wie das Spiel funktioniert?

Dieses Remake verändert zuviel und erklärt dabei zu wenig. Halt, nein. Es erklärt im Grunde gar nichts. Du als Spieler bekommst einfach solange was um die Ohren geknallt, bis Du allmählich begriffen hast, wie das alles funktionieren soll oder bis Du einfach aufgibst und Dich wieder Spielen widmest, die Dir nicht alle fünf Minuten Dein Versagen vor Augen führen.

Ich gebe dem Teil noch einige Tage. Wenn ich dann immer noch auf dem Schlauch stehe ...