Cease & Desist mit Ansage?
Als Microsoft vor etwa anderthalb Jahren mit den PC-Versionen von Halo 2 und Shadowrun den Start des PC-Äquivalentes von XBOX Live feierte, waren die Erwartungen recht hoch. Im Konsolenbereich gilt Live als der mit Abstand beste Online-Dienst, der zusammen mit XBLA und dem Marketplace ein gewichtiges und nicht zu unterschätzendes Verkaufsargument für Konsolen aus China und Taiwan mit dem Microsoft-Logo darstellt. Würde es Microsoft gelingen, diesen Dienst auch auf dem PC erfolgreich zu etablieren?
Die Skepsis war groß und bislang haben alle Skeptiker auch Recht behalten. Denn im Gegensatz zu einer Konsole, so ist der PC keine geschlossene Veranstaltung. Da kann und darf unverschämterweise jeder mitmachen. Auch sind Multiplayer-Features, Community-Funktionen und entsprechende Vernetzung etwas alltägliches auf dem PC. Games for Windows Live musste gegen etablierte Dienste wie Gamespy, gegen die Server-Browser und Multiplayer-Funktionen nahezu jedes anderen PC-Spieles mit Onlinefeatures antreten. Funktionalitäten, welche die Konkurrenz sogar SEIT JAHREN kostenlos anbietet. Folgerichtig war Games for Windows Live bislang auch ein derber Flop. Immerhin wurde kürzlich die Trennung zwischen Gold- und Silver-Accounts aufgehoben, die ehem. Gold-Kunden erhielten ihr Geld zurück und alle einst kostenpflichtigen Gold-Features stehen nun jedem GfW Live-Nutzer kostenlos zur Verfügung. Man zeigt sich lernfähig, da eine weitere Aufrechterhaltung dieser Zwei-Klassengesellschaft das bereits halbtote Pferd GfW Live innerhalb kürzester Zeit in einer zu Staub zerfallenden Mumie verwandelt hätte.
Ein weiterer Kritikpunkt an GfW Live bezog sich auf die Spiele, die ihren Multiplayerpart darüber abgewickelt haben. Halo 2, Gears of War, Shadowrun, Universe of War ... ein wenig unhöflich ausgedrückt, aber auf dem PC hat sich keine Sau für diese Spiele interessiert. Folglich hat auch kaum jemand diesen Dienst genutzt.
Das könnte (!) sich aber demnächst ändern. Die PC-Version von GTA 4 soll zu Weihnachten in den Läden stehen, Warhammer 40K - Dawn of War 2 soll bald mit GfW Live an den Start gehen. Zwei nicht ganz unattraktive Spiele, die mit Sicherheit den einen oder anderen Käufer finden werden. Werden diese beiden Titel folglich Live den Durchbruch auf dem PC verschaffen?
Ich bin kein besonders bewanderter Multiplayer-Spieler. Von daher mag man meine folgende Spekulation bitte korrigieren, falls ich daneben lange, aber könnte es nicht sein, dass ...
Ich gehe davon aus, dass die Multiplayer-Funktionalität für diese beiden Titel nur und ausschliesslich über GfW realisiert wird. Ich gehe davon aus, dass es keinen LAN-Modus geben wird und auch keine Möglichkeit, eigene Server aufzusetzen. GfW Live kann nur dann für MS von Vorteil sein, wenn es niemanden "rauslässt" und alle Spieler zwangsweise an sich bindet, da es gegenüber den "klassischen" Multiplayer-Diensten keine Vorteile bietet. Doch gerade diese Zwangsjacke wird dazu führen, dass es bald entsprechende Mods geben wird, die Multiplayer-Funktionalitäten auch ohne GfW Live ermöglichen werden. Wenn es einer Reihe von engagierten Fans gelingt, einen kompletten Multiplayer-Mode für ein ursprünglich reines Singleplayerspiel wie GTA Vice City zu modden, dann dürfte eine Befreiung aus dem GfW Live-Korsett wohl keine große Hürde darstellen.
Und jetzt kommts ... sind solche Mods im Interesse von Microsoft? Nein, nach meinem Dafürhalten ganz und gar nicht!
Wird Microsoft es daher zulassen, dass man zB. den Multiplayer-Teil von GTA4 auch ohne Live nutzen kann? Wird es Cease&Desist-Aufforderungen hageln? Oder wird man nichts tun und einfach darauf hoffen, dass genügend Leute aus Bequemlichkeit "hängenbleiben" und keine Alternativen suchen werden? So wie man die letzten anderthalb Jahre gehofft hat, dass sich GfW Live irgendwie auf dem PC durchsetzen wird? Kein Ahnung! Ich bin gespannt, wie Microsoft in einem solchen Fall letztendlich reagieren wird.
Ich persönlich halte GfW Live für eine Totgeburt, für das sprichwörtliche tote Pferd, welches man bei MS nur deswegen immer noch zu reiten versucht, weil es einfach dauert, bis der Nervenimpuls der Erkenntnis alle Hierarchien und Managementebenen einmal rauf und wieder runter läuft.