Sonntag, 20. Juli 2008

Rettung für Hardcore-Zocker?

Seitdem es Nintendo gelungen ist, den sog. Casual-Gamer nicht nur salonfähig, sondern auch zu einem Umsatzfaktor allererster Güte zu machen, rissen nicht die sorgenvollen Kommentare all derer ab, die man gerne in die sog. Hardcore-Schublade steckt.

Wird es nur noch Partyspiele geben? Wird es nur noch Videospiele für Leute geben, die eigentlich keine Videospiele mögen? Werden wir mehr Massenaufstände und Unruhen von enttäuschten Hardcore-Spielern erleben, wie sie nach Nintendos Pressekonferenz auf der diesjährigen E3 vorgefallen sind?


*hihi*

Was wird aus uns? Werden wir zu einer aussterbenden Zielgruppe, weil es schlicht und einfach gewinnbringender ist, preiswerter produzierte Casual-Spiele an eine wesentlich größere Kundschaft zu verkaufen? Will denn niemand mehr unser Geld haben?

Nein, wirklich wichtig ist diese Frage natürlich nicht. Die Welt wird nicht davon untergehen, wenn es rein theoretisch nur noch Warioware's und Via Pinata's und Little Big Planet's geben würde. Können ich und all die anderen Hardcore-Zocker unser Geld schon für anderes Zeugs ausgeben. Wie zB. Taschengeld, welches unsere Kinder dann für "Hardcore"-Computerspiele ausgeben, mit denen wir nichts mehr anfangen können, weil unsere Reflexe zu stark nachgelassen haben. Oder weil wir eben keine Zeit mehr haben.

Ich hatte mich vor einer Weile mit einem Bekannten unterhalten, der als Familienvater nicht mehr die Zeit hat, sich stundenlang vor ein ausgefeiltes Adventure oder Rollenspiel zu setzen. Der nicht mehr die Zeit hat, sich stundenlang in die Spielmechanik eines Strategiespieles einzuarbeiten, um endlich diese eine Mission erfolgreich abzuschliessen. Und wenn er denn die Zeit dazu hat, fehlt ihm die Muße, sich dann auch tatsächlich, über Stunden hinweg, konzentriert mit einem typischen "Hardcore"-Spiel zu beschäftigen. Er würde gerne, aber er kann nicht mehr. In seiner Not hat er sich eine Wii gekauft, hat auch seinen Spass, da er hier zusammen mit Frau und der Ältesten vor dem TV herumhampeln kann ... aber dennoch fehlt ihm etwas. Er würde WIRKLICH gerne wieder vor so einem schönem Rollenspiel sitzen. Er zeigte sich SEHR interessiert, als ich ihm von Dragon Age und Drakensang, von diversen älteren Final Fantasy-RPGs erzählt habe, die ihm mit Sicherheit gefallen würden. Aber er hat einfach nicht mehr die Zeit dafür.

Mir geht es ähnlich. Ich habe auch keine Geduld mehr, mich über längere Zeit nur mit einem Spiel zu beschäftigen. Der Fokus, der früher dazu geführt hat, dass ich zB. in der Vorlesung meine Notizen in der Ultima-Runenschrift verfasst habe, weil ich mich geistig immer noch in Britannia befand, der ist nicht mehr vorhanden. Und wird auch so in dieser intensiven Ausprägung nicht mehr wiederkommen. Fange ich ein komplexeres Spiel an, dann passiert es immer schneller und häufiger, dass ich nach einigen Tagen Pause nicht mehr hineinfinde und die Festplattencluster, welche von diesem Titel belegt werden, allmählich digitalen Staub ansetzen.

Der Bekannte meinte dann fogendes: "Komisch ... wenn es doch möglich ist, komplexe Handlungsbögen über viele Monate hinweg in den jeweils 45 Minuten einer TV-Episode unterzubringen, warum kann es dann nicht möglich sein, zB. ein komplexes Rollenspiel oder Adventure in einzelne Kapitel von vielleicht 3-4 Stunden Spielzeit aufzuteilen?"

Richtig! Warum eigentlich nicht? Telltale haben mit den neuen Sam&Max-Spielen gezeigt, dass es möglich ist. In sich abgeschlossen und doch aufeinander aufbauend. Nein, der neueste Hype im Hardcore-Bereich, all dieses elend langweilige und öde Sandbox-Gameplay, welches sich Gamedesigner einfallen lassen, wenn ihnen nichts mehr einfällt, ist so natürlich nicht möglich. Aber ganz ehrlich ... wer ausser Leuten mit verdammt viel Zeit will sowas? :)

Episoden-Rollenspiele sind meiner Meinung nur noch eine Frage der Zeit, bzw. das Penny Arcade-Spiel ist schon der erste Vertreter dieses Genres. Weitere werden mit Sicherheit folgen, weil nicht nur alte Säcke mit wenig Zeit (aber viel Geld) nach dieser Erzähl- und Spielform lechzen, sondern weil es auch immense Vorteile für den Entwickler bietet. Anstatt mit vollem Risiko über Jahre hinweg an einem monolithischen und schweineteuren Titel zu arbeiten, der sich unbedingt in den ersten drei Wochen extrem gut verkaufen muss, arbeitet man stattdessen an kleineren, preiswerteren Abschnitten. Kann auf User-Feedback reagieren, wenn sich herausstellt, dass etwas nicht wie geplant funktioniert. Kann spätere Episoden schon mit den Umsätzen der ersten Episoden finanzieren und ist nicht mehr alleinig auf das Wohlwollen eines einzelnen Geldgebers angewiesen. Und wer weiß, was noch möglich ist? Episoden-Strategiespiele? Episoden-[insert Genre]spiele?

Ist das jetzt die Rettung für uns von der Gunst der Major Publisher verlassen Hardcore-Zocker? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall ist es eine Möglichkeit, wie man künftig auch an unser Geld kommen kann. Spätestens, wenn der Casual-Markt überlaufen und übersättigt ist, spätestens dann wird man sich wieder an uns erinnern. Ob wir es dann aber wie die Ärzte halten werden?