Donnerstag, 26. Juni 2008

Retro-Impressionen: Bluebyte

Eigentlich möchte ich auf diesem Blog und speziell bei Retro-Impressionen dieses IMHO wehleidige und erbärmliche "Früher war alles besser!" vermeiden, denn früher war nur manches vielleicht besser, einiges schlechter und der Großteil einfach nur anders.

Heute will ich jedoch eine Ausnahme machen und den Blick zurück auf einen deutschen Entwickler und Publisher richten, der maßgeblich daran beteiligt war, dass ich vor allem mein Studium etwas "vertrödelt" habe und angefixed bin auf Computerspiele wohl für den Rest meines Daseins.



Dieser blaue Klecks war ein einziger Lichtblick in meinem damaligen Leben. Jedes, aber auch JEDES Spiel dieses Studios konnte ich früher blind aufgreifen und viele, viele Stunden Freude und Spass an ihnen haben. Ja ... früher! Doch dazu später mehr.

Angefangen hat das mit Battle Isle, meinem ersten Vollpreis-Spiel, welches ich mir für wahnwitzige 120,- DM gekauft hatte. Das war damals eine verdammt große Summe, was auch dazu führte, dass ich mich einen Monat lang von Mensa-Frass und Nudelsuppen ernähren musste. Aber da ich eher damit beschäftigt war, kleine bunte Einheiten rundenweise durch die Gegend zu schieben und meine Wohnheimnachbarn mit PC-Speakergepiepse das Leben schwer zu machen, waren so Dinge wie Vorlesungen besuchen oder gesunde Ernährung ohnehin vollkommen nebensächlich.




Und natürlich haben auch all die anderen, späteren Inkarnationen der Battle Isle-Serie und Ableger wie zB. der einzige History Line-Vertreter oder "Incubation" Platz in meinem Herzen gefunden. Alle? Nein, nicht alle. Doch auch dazu später mehr.

Und hatte ich irgendwann genug von der Rundenstrategie, holte ich den Action-Kracher "Extreme Assault" aus dem Regal. Hohe SVGA-Auflösungen! HighColor aka 16bit Farbtiefe! Als DOS-Spiel!! Non-Stop-Action und Dauergekrache! So, so, so geil war das. Aber als dann noch der 3DFX-Patch erschien, gab es kein Halten mehr! Mit "Extreme Assault" hatte ich meine Freude an simplen Baller- und Zerstörungsorgien entdeckt.

Und hatte ich irgendwann genug vom Rumballern, holte ich "Albion" aus dem Regal, um in eine Rollenspielwelt so fern von all den üblichen D&D-Szenarien einzutauchen. So fern vom gängigen 08/15-Tolkien-Schema, dass man sich (wie weiland bei "Outcast") zuerst die Zeit nehmen musste, um all diese fremden Namen und Begriffe richtig einzuordnen. Oh, wie habe ich dieses Spiel geliebt. Trotz seiner Fehler wie dem sub-optimalen Interface und dem ständigen Perspektivwechsel zwischen flacher 2D-Oberwelterkundung, Kampfdarstellung und 3D-Dungeons. "Albion"! Sowas macht man heute auch nicht mehr :)




Und hatte ich davon irgendwann genug, griff ich ins Regal, um mich mit einem (heute würde man Casual dazu sagen) Familienspiel wie "Die total verrückte Rally" zu entspannen. "Mensch ärgere Dich nicht" ist als Mittel zur Festigung des Charakters und Beherrschen aggresiver Gefühle dagegen Kinderkram, ehrlich!

Oder ich griff ins Regal, weil mir die Luft zu staubig wurde und nur die blauen, dunklen Tiefen des Meeres Erlösung versprachen. "Schleichfahrt"! Wieder ein Spiel unter dem Blue Byte-Label, welches die Tür zu ganz anderen Welten geöffnet hat. Ein auch heute noch faszinierender Mix aus Wirtschaftssimulation, Adventure und Action. Der wie bei "Extreme Assault" durch nachträgliche 3DFX-Patches noch mehr an optischer Brillianz gewann, als schon vorher bereits vorhanden war. Ein Klassiker! Ein Spiel, welches man (ohne Scheiss und ganz ernst gemeint) gespielt haben sollte.




Und wenn ich auch davon irgendwann genug hatte, griff ich eben zu "Siedler 2", dem nicht nur meiner bescheidenen Meinung nach besten und einzigartigsten Spiel der ganzen Serie.

So, nun habe ich hier in aller Ausführlichkeit meine große Liebe zu Blue Byte und seinen Spielen gestanden. Eine Liebe, die jedoch gegen Ende der 90er sehr schnell erkaltete, weil man sich bei Blue Byte begann zu verzetteln. Kernmarken wurden mit grausigen Fortsetzungen bedacht (BI4 anyone?) und viel Geld und Energie wurde in den Umbau der Firma zu einem intenationalen Publisher gesteckt. Kreative und wegweisende Spiele gab es kaum noch, unter anderem, weil eben diese kreativen Köpfe der Vergangenheit, abgeschreckt durch den zunehmenden Einfluss des Geldes, in Scharen die Firma verließen.

Ja, das liebe Geld! Blue Byte war eben nur im deutschen Sprachraum bekannt. Blue Bytes Spiele hatten ausserhalb dieses Sprachraumes kaum Anklang gefunden und schon damals war schnell klar, dass alleine der deutsche Markt nicht ausreicht, um die Ansprüche der Kundschaft und somit die steigenden Produktionskosten zu decken. Man setzte auf das zur Jahrtausendwende gerade boomende Internet, wollte ein Multiplayer-Battle Isle herausbringen, eröffnete Büros in Übersee und kaufte zur dafür notwendigen Umsatzerhöhung haufenweise bestenfalls mittelprächtige Lizenztitel ein. Späte Kleinode und Perlen wie zB. ein "Incubation" floppten deftig und die mittelprächtigen Lizenztitel verkauften sich auch so, bestenfalls mittelprächtig. Zwar war die Siedler-Reihe weiterhin das Brot&Butter-Spiel von Blue Byte, doch selbst diese Institution auf dem deutschen Markt konnte das unvermeidliche Ende nicht verhinden. 2001 war Schluss mit lustig, Blue Byte wurde von Ubisoft aufgekauft.

Zwar existiert Blue Byte noch als relativ eigenständiges Entwicklungsstudio innerhalb des Ubisoft-Konzerns, doch die allgegenwärtigen Gesetze des Marktes bestimmen, dass man in Düsseldorf (neuer Sitz von BB) bis zum St.Nimmerleinstag nur noch Siedler-Fortsetzungen und Siedler-Fortsetzungs-Addons produzieren wird. Vorbei, endgültig vorbei sind die Tage, in denen Blue Byte für innovative UND äusserst unterhaltsame, gleichsam suchterregende Titel stand.

Hier und nur hier in diesem Fall erlaube ich mir zu sagen: Früher war alles besser!