Die Akte Ascaron
Als Ascaron im Frühjahr die diesmal endgültige Insolvenz anmelden musste, da war ich, ich gebe es offen zu, alles andere als traurig. So wie man beim Tode eines nahen Angehörigen, der sich mit einer schweren Krankheit quält, irgendwann einfach froh ist, dass das Leiden für ihn und die Familie endlich ein Ende hat. Nur war Ascaron mir nie ein naher Angehöriger und schon gar keine Person, die mir auch sonst sehr nahesteht.
Dass die Firma Ascaron in diesem Blog nie gut weggekommen ist, hat schon seinen Grund. Ascaron war nicht nur eine Qual für die Kunden, die für ihr gutes Geld unfertige und verbuggte Beta-Routinen erhielten. Ascaron war insbesondere auch eine Qual für die Mitarbeiter, denn ich kenne nur zu gut die Gründe, die dafür sorgen, dass über Jahre hinweg bestimmte Fehler immer wieder gemacht werden. Die Firma Ascaron wurde, um es höflich auszudrücken, unprofessionell geführt. Allen Anstand ignorierend, könnte man auch sagen, dass das Management bei Ascaron schlichtweg unfähig war, Software-Projekte ab einer gewissen Größenordnung effektiv und koordiniert durchzuführen und den Mitarbeitern somit Arbeitsumfelder und einen Stress aufgebürdet hatte, der locker-leicht zu Magengeschwüren, Beziehungsproblemen und Burnout-Syndromen führt.
Bei Gamestar gibt es nun einen umfangreichen Rückblick über die letzten Jahre von Ascaron und die Gründe für das Scheitern dieser Traditionsfirma. Wer schon immer wissen wollte, warum ein Studio trotz toller Spiele und einzelner Verkaufserfolge trotzdem den Bach runtergehen kann, der möge sich ein paar Minuten Zeit nehmen. Nicht nur für Spieleinteressierte eine lehrreiche Lektüre.
Quasi als Gegenentwurf, als entgegensetztes Spiegelbild zu Ascaron, möchte ich kurz auf die Gründe eingehen, wie es zum Beispiel Electronic Arts geschafft haben, von einer durchschnittlichen Spieleschmiede aus den Anfängen der Computerspielhistorie zu DEM Publisher schlechthin aufzusteigen.
· Kostenkontrolle, Einführen eines effizienten und effektiven Projektmanagements, Einführen von Methoden, die in der "seriösen" IT-Welt schon lange Standard waren. Kostenkontrolle! Und noch einmal, weil es VERDAMMT wichtig ist: Kostenkontrolle!!
· Daraus folgt eine zT. deutliche Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Spiel nicht nur seine Entwicklungskosten einspielt, sondern auch Gewinn erzielen kann. EA hat es somit geschafft, die sonst in der Branche übliche "2 aus 10"-Regel (von zehn veröffentlichten Spielen floppen acht, während die übrigen zwei so erfolgreich sein müssen, dass ihre Umsätze die Firma tragen) auf Drei, Vier oder gar Fünf aus Zehn zu erweitern. Flops werden so besser abgefedert, man kann eine erhöhte Planungssicherheit herstellen und besser Rücklagen für Investitionen bilden, bzw. von Investoren und Banken leichter frisches Geld bekommen.
· Zusätzlich hat EA jeden intelektuellen, jeden künstlerischen Anspruch, jedwede "Vision" in den Wind geschossen und seine Spiele genau auf die Wünsche der großen Masse ausgerichtet. Kreativität war nicht mehr gefragt. An deren Stelle traten genaue Analysen der Zielgruppenwünsche und Kopieren bereits etablierter Trends. Nein, nicht unbedingt schön für uns Elfenbeinturm-Zocker, aber kommerziell über lange Jahre hinweg unglaublich erfolgreich, bis auch hier schliesslich das Ende der Fahnenstange erreicht wurde.
Nein, es ist alles andere als einfach, in so einer volatilen Branche die notwendige Kreativität mit vernünftiger Projektplanung zu kombinieren und dann darauf zu bauen, dass die Kundschaft die zu Projektstart ausgemachten Settings, Trends und Features zum Release überhaupt noch haben möchte. Aber man KANN steuernd eingreifen. Man KANN sich entsprechend vorbereiten, um Fehlentwicklungen besser entgegenwirken zu können. Man KANN Umsätze zumindest grob planen und muss nicht blind darauf hoffen, dass ein Spiel, entstanden aus der kruden Idee eines verantwortlichen Mitarbeiters morgens in der Dusche, schon irgendwie Käufer findet. Und man KANN aus Fehlern lernen! Ja, wirklich. Das kann man. Man muss es nur wollen ...