Donnerstag, 24. September 2009

Nicht der Rede wert

Wäre ich im Besitz von Aktien einer großen Firma und hätte ich entsprechend Möglichkeiten Gerüchte zu streuen, ich würde durchaus überlegen, was man denn (natürlich nur rein theoretisch, selbstverständlich, also wirklich, echt jetzt mal) an Gerüchten in die Welt setzen könnte, um den Kurs der Aktie zu pushen (oder zu drücken), um daraus meinen Vorteil zu ziehen. Aktuell sieht man das an Gerüchten zu einer möglichen Übernahme von THQ durch den Medienkonzern Warner. Prompt schiesst der Kurs der THQ-Aktie in die Höhe. Was aber ausser einigen Industrie-Insidern und Investoren von THQ keine Sau interessiert. Zu recht, denn ob hier nun eine Firma aufgekauft wird oder nicht, ist für uns niederes Fußvolk in der Regel ohne Belang.

Bezüglich eines anderen Gerüchtes sieht es das Fußvolk aber etwas anders. Denn aus der Gerüchteküche wird mal wieder kolportiert, dass Microsoft angeblich Kaufabsichten für oder einen Einstieg beim Branchenriesen EA plant. Ich habe jetzt nicht eigens nachgeschaut, aber ich nehme an, dass der Kurs der EA-Aktie kurzfristig zugelegt hat, weil sich Aktionäre in ihrem irrationalen Verhalten in nichts von tumben Dorfbewohnern unterscheiden, die Kräuterweiber und andere dubiose Gestalten auf den Scheiterhaufen setzen, weil irgendjemand (vorzugsweise der örtliche Priester) ein Gerücht in die Welt gesetzt hat. Doch anstatt auch diese Geschichte entweder als das übliche, immer wiederkehrende Zombie-Gerücht ad acta zu legen oder sich mit einem Achselzucken wichtigeren Dingen zu zuwenden, tobt alldieweil die übliche, immer wiederkehrende Zombie-Diskussion über phöse Konzerne (aktuell ist bei der wankelmütigen Masse Activison böse und EA der Held der Welt), es wird in Feuerschrift der Untergang der Spiele an die Wand gemalt, wenn MS und EA gemeinsam alles dominieren, usw. usf.

Aber gut, nehmen wir einmal an, das Gerücht entspräche der Wahrheit und Microsoft würde EA tatsächlich übernehmen oder sich genügend Anteile und Einfluss verschaffen. Was würde denn passieren?

Nun, ein von Microsoft dominiertes EA würde zB. aufhören Spiele für die Plattformen von Sony und Nintendo zu veröffentlichen. Das würde Sony und Nintendo nicht freuen, denn weniger Spiele und etablierte Marken bedeutet weniger Attraktivität für die eigenen Plattformen. Dies würde also MS stärken und die Konkurrenz schwächen. Fragt sich nur, wie sehr. Schaut man sich an, welche Marken, Brands und Spieleserien auf Nintendos Konsolen dominieren, so stellt man schnell fest, dass EA in diesem Bereich Nintendo nicht großartig in die Suppe spucken kann. Aber man könnte schon eher Sony den Tag verderben, doch Sony hat eh schon genügend Probleme mit den verhagelten Bilanzen für die PS3, da würde das den Kohl auch nicht fett machen. Und da Sony bezüglich der PS3 sowieso einen gaaaaanz langen Atem benötigt, kann man in der Zeit neue Brands aufbauen, ist also nicht unbedingt auf EAs Katalog angewiesen. Sprich, nach meiner amateurhaften Einschätzung würde Microsoft durch eine derartige Übernahme nicht viel gewinnen. EA macht eh schon einen Großteil seiner Geschäfte mit PC- und 360-Spielen, der Verzicht auf andere Plattformen würde nicht viel bringen.

Aber nehmen wir einmal an, Mr. Ballmer hätte auf der Executive-Toilette zufällig einen dicken Geldumschlag zwischen den alten Zeitungen entdeckt und würde einfach EA aufkaufen, weil a) er sonst nicht weiß, wohin mit dem ganzen Plunder und b) die Kartellbehörden nichts zu meckern hätten. Was würde das für uns Gamer bedeuten?

Auch nicht viel. Es gäbe nur einen Konzern weniger, es hätte wieder ein Stück mehr Marktkonzentration stattgefunden. Mag sein, dass sich dies ein wenig auf das Angebot an aktuellen Chart-Titeln auswirken würde, aber sonst? Im AAA-Bereich herrscht auch so kreative Dürre und ein massives Überangebot der immer gleichen Produktionen. Wir würden wahrscheinlich nichts großarig vermissen oder gar bemerken, dass EA jetzt zu Microsoft gehört.

Doch nehmen wir einmal weiter an, dass es Microsoft eines Tages tatsächlich gelingen würde, mit der Übernahme großer Publisher die Konkurenz aus dem Markt zu drängen oder deutlich auf die Plätze zu verweisen. Was für Auswirkungen hätte das für uns?

Wir hätten für jedes Genre vielleicht nur zwei oder drei Chart-Spiele im Angebot, denn es wäre ja sinnlos, sich selbst mehr Konkurrenz zu machen. Microsoft würde tatsächlich bestimmen, was die große Masse spielt und wie sie sich die Zeit vertreibt und wo sie Geld ausgibt. MS könnte die Preise diktieren und willige Konsumenten nach Strich und Faden ausnehmen, ohne diese Kaufkraft mit anderen teilen zu müssen.

Wäre das schlimm?

Wenn ich ehrlich bin ... diese Vorstellung versetzt mich sogar ein wenig in Aufbruchsstimmung und gute Laune. Nicht, weil ich auf der Redmond'schen Lohnliste stehe und das Wort meines Meisters verbreite, sondern weil genau diese enorme Marktdominanz auch enorme Möglichkeiten für kleine Entwickler und Firmen bietet, welche die Lücken und Nischen besetzen können, die für einen Mega-Konzern wie Microsoft nicht mehr interessant wären. Denn je größer der Konzern ist, desto stärker muss er sich auf bestimmte Massen-Produktbereiche konzentrieren, weil die Nischen nicht mehr genug Umsatz erzeugen können, um die laufenden Kosten zu decken. Zwar hat MS mit XBOX Live Arcade einen Fuß im Indie-Bereich, doch stellen die dort verfügbaren Spiele nur einen Bruchteil des Angebotes dar. Diesen Bereich kann MS nicht dominieren, da es keine großen, zentralen Anbieter und einflussreiche Studios gibt, die man der Einfachheit halber aufkauft. Hier kann MS maximal nur auf GoodWill machen und sich einige Popularitätspunkte holen.

Alles in allem ... sollen sie ruhig. Nur zu. Auf geht's. Go, Microsoft, go! Big Corporate for teh win!

PS: Alle drei DSA-Rollenspiele gibt es nun auf GOG.com. Wer braucht da schon den neuen Chart-Scheissdreck? :)