Ein weiter Weg
Heute hat Activison bekanntgegeben, die deutsche Fassung von "Wolfenstein" aus dem Verkauf zurückzuziehen, weil man hier ...
via Schnittberichte.com
... vergessen hatte ein Hakenkreuzchen abzuändern, zu entfernen.
Ja, die hiesige Gesetzeslage ist so, wie sie numal ist. Eigentlich ganz einfach, könnte man meinen. Schauen wir uns daher Paragraph 86 des StGB an. Dort steht unter anderem folgendes:
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
Die Darstellung von Hakenkreuzen im Rahmen von Kunst ist also erlaubt. Hmmm. Kunst. Als Kunst gilt in Deutschland ganz offensichtlich der Film. Denn aktuell kann man im Kino "Inglorious Basterds" anschauen. Ein Film, bei dem der historische Kontext nur als Aufhänger für Tarantinos üblich-perfide Actionorgien dient. Keine seriöse historische Beschäftigung mit der Zeitgeschichte, kein Aufarbeiten von tatsächlichen Ereignissen aus dieser Zeit. Laut Tarantino nur ein Spaghetti-Western mit WK2-Bezug. Zwar hatte der Verleih, auf Nummer Sicher gehend, aus deutschen Filmpostern und anderen Werbematerialien alle Hakenkreuze entfernt, im Trailer selbst (und selbstverständlich im Film an sich), sind Hakenkreuze natürlich an allen passenden und unpassenden Stellen verteilt. Warum denn auch nicht, schliesslich spielt der Film im damaligen, von der Wehrmacht besetzten Frankreich.
Das ist scheinbar in Ordnung. Mir ist nicht bekannt, dass deutsche Behörden oder gar eine gewisse Stuttgarter Staatswanwaltschaft gegen den Film und besagte Szenen vorgegangen ist. Ein Film ist Kunst. Und da in diesem Film gaaanz ausdrücklich Nazis erschossen werden, der Film also scheinbar frei von jeglicher Verherrlichung nationalsozialistischer Propaganda zu sein scheint, gibt es bislang kein Anlass für die Behörden hier einzuschreiten.
So weit, so tatsächlich gar nicht mal so schlecht.
Dann werfen wir aber einen Blick auf die "Wolfenstein"-Serie. Hier metzelt sich ein GI in mittlerweile vier Spielen (Wolfenstein 3D, Spear of Destiny, Return to Castle Wolfenstein, Wolfenstein) durch ganze Heerschaften der Wehrmacht und Waffen-SS. Nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi. Selbige tummeln sich vor ihrem Bildschirmableben gerne in SS-Ordensburgen und hängen neben diversen Flaggen (Nazis lieben große Flaggen) auch allerlei Propagandaposter an die Wände, schmücken Flugzeuge, Panzer, Hangars und alles mögliche, was bei Drei nicht auf den Bäumen ist, mit Hakenkreuzen. Weil das damals so üblich war. Doch was im Film geht, das geht nicht bei "Wolfenstein". Denn das ist ja nur ein Spiel. Ein Computerspiel. Und Computerspiele sind, wie wir alle wissen, nur was für kleine Kinder und Jugendliche, die vor solch chlimmen Dingen geschützt werden müssen, ob diese nun wollen oder nicht. Computerspiele sind keine Kunst. Nicht in den Augen der Öffentlichkeit und erst Recht nicht in den Augen der Behörden, die, würde hier irgendein Händler die unzensierte US-Version von "Wolfenstein" ins Regal stellen, nach Hinweis aufmerksamer Block- und Tugendwächter sofort und unter großem Beifall der Menge einschreiten würde. Computerspiele sind Schmuddel, bähh, ihgittihgitt. Computerspiele sind allenfalls nur dann tolerabel, wenn ein übergewichtiger Klempner halluzinogene Pilze frisst und anderen auf den Kopf springt.
Aber Kunst? Kunst, der man die Verwendung von Nazi-Hakenkreuzen nachsieht? Gott bewahre!