Freitag, 2. Mai 2008

Die Mauer

Noch ein kleiner Nachtrag zum vorherigen Post, der ein wenig darauf eingehen soll, warum sich Leute wie der Herr Yerli von Crytek beim Thema "Schwarzkopien" gerne verhalten wie die vor Panik erstarrte Maus vor der Schlange.

Das größte Problem mit "Schwarzkopien" ist der Umstand, dass man über diesen Bereich alltäglichen Handelns in der Industrie und Öffentlichkeit kaum Bescheid weiß. Obwohl es jeder macht, so redet man nicht darüber, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Weil es "anrüchig" ist. Und weil es in der Zwischenzeit teilweise sogar strafrechtliche Relevanz erlangt hat. Hier in Deutschland darf man ja keine Kopierschutz-Systeme auf Musik- und Film-Datenträgern umgehen und entsprechende Tools kaufen. Hält sich zwar keine Sau dran, Slysoft macht gute Geschäfte mit deutschen Kunden, aber es redet niemand darüber.

"Schwarzkopien" sind also das Grosse Unbekannte, frei nach Shakespeare, das unentdeckte Land.

Obwohl daran ja gar nichts unbekannt ist, HERRGOTTNOCHMAL!!!

Einige Minuten Beschäftigung mit Tante Google und man erfährt mehr über das Wie und Wo und mit Wem des Filesharens und Kopierens, als so manchem lieb sein kann. Es ist alles bekannt, es ist alles offen einsehbar. Doch niemand scheint sich die Mühe machen zu wollen, diese "Szene" genauer zu betrachten und die Theorie, dass Kopien die Umsätze schädigen, mit harten Fakten und schonungslosen Analysen zu belegen. Niemand von denen, die angeblich unter Kopien leiden, will genauer hinsehen. NIEMAND!

Stattdessen wird man in privaten Gesprächen oder Internet-Diskussionen von Leuten aus der Branche dumm angemacht, wenn man diverse Vorurteile und Falschaussagen mit Quellen und belegbaren Fakten korrigiert. Man wird dumm angemacht, weil man genaues Wissen über "Schwarzkopien" besitzt, über welches man offensichtlich nur dann verfügen kann, wenn man sich selber (!) mit der Materie beschäftigt hat. Also ist man auch einer von diesen bösen Piraten und somit hat man nichts mehr zu melden! Das ist, als ob sich Blinde über die Farbe Rot unterhalten, aber Einwände eines Einäugigen mit dem Argument ignorieren, dass er ja unverschämterweise auf einem Auge sehen kann und daher nicht mitreden darf.

Ein Beispiel:
"Das Spielen auf dem PC stirbt, weil soviel kopiert wird. Konsolenspiele boomen, weil man diese Spiele nicht oder nur unter großen Mühen auf modifizierter Hardware zum Laufen bringen kann. Zudem sperren Anbieter wie MS Accounts, die sich mitmodifizierter Hardware online anmelden."

Das ist das aktuelle Mantra aller "Piraterie"-Gegner.

Eine schnelle Suche bei Google und den einschlägigen Foren findet den "360 Blaster". Mit diesem Apparat muss man das Gehäuse der 360 nicht mehr öffnen, die Hardware bleibt UNVERÄNDERT (!), da lediglich die Firmware der 360 geflashed wird. Man kann Originale und Kopien gleichzeitig auf einem Gerät betreiben, man kann Firmware-Updates von MS ganz einfach mit Firmware-Updates des "360 Blaster" kontern und muss daher nicht befürchten, dass der XBOX Live Account gesperrt wird, weil man Kopien spielt. Mittlerweile kann man, so die Fama, phöse Raubkopierer wie im Falle von GTA4 nur daran erkennen, dass sie schon vor dem offiziellen Verkaufsstart entsprechende Spiele-Achievements verzeichnen.

Von den Modchips für den DS, die sogar mein Friseur aus eigener Kraft recherchieren, kaufen und installieren konnte (worauf er als absoluter Technik-Laie fürchterlich stolz ist), will ich hier gar nicht erst anfangen. Sprich, je populärer eine bestimmte Plattform, ein bestimmtes technisches System wird, desto einfacher wird es für Otto-Normal-Verbraucher dieses System auf eine Weise zu nutzen, die nicht so unbedingt im Sinne des Herstellers ist.

Das will man aber nicht hören. Oder man verfällt von einem Traueranfall in den nächsten, weil natürlich jetzt auch die Konsolen sterben werden. Selbst dezente Hinweise, dass Hollywood letztes Jahr, trotz Aberzilliarden von Files in P2P-Netzen erneut einen Rekord-Umsatz hingelegt hat, stoßen auf taube Ohren. Denn Filesharing und Piraterie ist böse und schlecht und überhaupt, ich kann jetzt nicht mehr mit Dir reden, weil ich mir beide Ohren zuhalte und laut LALALALALA singe, damit ich Deine Argumente nicht mehr hören muss.

Und diese zum Himmel schreiende Ignoranz, diese Mauer im Hirn, dieses Verdrängen und Ausblenden offen vorliegender Fakten, ist der Grund, warum Leute wie der Herr Yerli von Crytek so sehr Probleme damit haben, mit allen Begleiterscheinungen des Digitalen Zeitalters fertigzuwerden. Ich behaupte, dass Leute wie der Herr Yerli von Crytek (oder aktuell der Herr Moore von EA) sich dem Digitalen Zeitalter immer noch mit rein analogen Denkmustern stellen. Diese Leute sind gedanklich immer noch in der Steinzeit.

Entweder das, oder der Herr Yerli von Crytek oder der Herr Moore von EA lügen bewusst und absichtlich wie gedruckt!

Aber das möchte ich als höflicher, zivilisierter Mensch meinen Mitbürgern ja nicht unterstellen müssen, oder?