Westward? ... dohhhh!
Die Ausgrabungen in der EgoShooter-Gruft machen weitere, wichtige Fortschritte. In einer Seitenflucht der harzzach'schen Spielekrypta barg das Archäologen-Team ein nahezu unversehrtes Exemplar von Outlaws, der Welt erster EgoShooter im WildWest-Setting.
Happy, happy, joy, joy!
Und auch heute, knapp 10 Jahre später (in der schnelllebigen Welt der Computerspiele eine halbe Ewigkeit), wirkt der Rachefeldzug von Marshall James Anderson gegen die Mörder seiner Frau so frisch und unverbraucht wie am ersten Tag. Clint Eastwood, Ennio Morricone und Großmeister Sergio Leone selbst könnten es nicht besser machen. Erstklassig! Alleine das Intro verströmt schon soviel Atmosphäre und "Feeling", dass sich daraus min. fünf zusätzliche Spiele befeuern liessen. Ok, man hatte bei LucasArts damals auch ein leichtes Spiel. Jahrzehnte der Prägung durch Western klassischer und neuzeitlicher Art hinterließen in uns bereits eine Menge vorhandener Meme, die man durch das Drücken der richtigen Knöpfe einfach abrufen konnte. Outlaws konzentriert sich nämlich auf das, was einen Western ausmacht ... Duel at High Noon, Shooting at the OK Coral. Level- und Gameplaydesign ordnen sich dem Ziel unter, dem Spieler ohne Wenn und Aber einen "Western" zu bieten. Ohne Skriptereignisse ;)
Und als Harzzach in der nächtlichen Stille des Labors sorgfältig die letzten Erdkrümelchen von der Verpackung wischt und die Original-CD für die vorhergesehene Lagerung in den Kellern des Museums vorbereitet, fragt er sich, warum es um alles in der Welt seit zehn Jahren Spieleentwicklern nicht gelingt, dieses eine Meisterwerk zu übertreffen oder zumindest auf gleicher Höhe nachzuahmen. Was hat Outlaws, was all die anderen (sehr wenigen) Shooter in der staubigsten Ecke New Mexicos nicht haben?
Nehmen wir "Dead Mans Hand". Human Head hatten mit Rune bewiesen, dass sie stimmungsvolle Actionspiele mit solidem Gameplay machen können. Entsprechend erfreut war ich auch, als sie mit Dead Mans Hand einen Shooter in der Tradition von Outlaws machen wollten. Weniger erfreut war ich, als ich das Spiel dann eines Tages in den Händen hielt. Setting stimmt, Sound stimmt, das Gameplay stimmt im Grunde auch, die ersten beiden Level sind auch richtig gut gelungen ... aber sehr schnell leidet DMH an den üblichen Kinderkrankheiten heutiger Shooter. Level und Kämpfe sind nur mit genauer Kenntnis des Levelaufbaus und diverser Goodies zu bewältigen. Bosskämpfe geraten zu den üblichen Ratespielchen auf der Suche nach dem Schwachpunkt des Gegners. DMH gerät so sehr schnell zu Shooter-Dutzendware, die anfängliche Hochstimmung verfliegt sehr schnell und macht ermüdender, uninspirierter Routine Platz. Das Setting verkommt zur künstlich über die Kernroutinen eines 08/15-Shooters gestülpte Textur- und Modellhaube. Man spielt nicht mehr in einem Western, sondern man spielt "nur" einen der üblichen Shooter. Schade! Auf zum nächsten Vertreter.
Nehmen wir "Call of Juarez". Aktuellster Vertreter der Gattung "Western-Shooter". Sieht natürlich sehr gut aus. Man spürt die Hitze und Glut der Sonne, man schmeckt den Staub in der Kehle, man sehnt sich förmlich nach einem kühlen, dunklen, schmierigen Saloon und einem Glas durstlöschendem Whiskey. Jedoch hat "Call of Juarez" ein grundsätzliches Problem. Techland, der polnische Entwickler, bestätigt leider alle Vorurteile, die man gegenüber Spielen aus dem Ostblock hat. So schön es auch aussehen mag, so rigide und hart und brutal ist auch das Gameplay. Es fängt schon damit an, dass ich direkt am Anfang ca. vier Versuche gebraucht habe, um einen simplen Abhang hinunterzusteigen. Entweder man fällt zu tief und stirbt oder man verletzt sich zumindest so schwer, so dass kommende Gegner ein leichtes Spiel haben. Dann muss ich zu oft und zu lange waffenlos durch die Gegend "SCHLEICHEN", ständig in Gefahr als mexikanisches Halbblut von einem der Cowboys über den Haufen geschossen zu werden. Und habe ich dann endlich eine Waffe, muss ich den folgenden Abschnitt mit allen Gegnerplatzierungen auswendiglernen, weil es kaum Munition gibt. Nix mit langen Feuergefechten und Waffen mit scheinbar endloser Munitionsversorgung, wie man aus jedem vernünftigen Western kennt. In dem Versuch der Entwickler, "Call of Juarez" möglichst realistisch (!) zu gestalten, bekommt man keinen Western-Shooter, sondern eine Art Arizona-Splinter Cell für Masochisten. Wat ein Kack!
Harzzachs Blick schweift durch die Jahre, findet aber ausser dem nächsten Spiel keinen anderen Vertreter dieses Subgenres. Seltsam ... sind Western so sehr out?
Nehmen wir also nun "GUN". Im Grunde der beste der drei "Outlaws"-Möchtegerns. Die Präsentation ist gut, obwohl die Graphik anbetrachts des Erscheinungsjahres recht mau ist. Stört aber nicht wirklich. Sound und Story sind passend und atmosphärisch, es kommt richtiges "Western"-Gefühl auf. GUN hat trotz seiner durchaus vorhandenen Qualitäten nur zwei Probleme. Das erste ist die Spielstruktur. GUN wurde nicht zu Unrecht gerne als WildWest-GTA bezeichnet, da man eben, wie bei GTA, frei und grenzenlos durch die Gegend zieht, Nebenmissionen annimmt, anstatt Autos von ihren Fahren Pferde von ihren Reitern "befreit" und erst mit Bewältigen bestimmter Story-Missionen im Spiel voranschreitet. Auch wenn das soweit in Ordnung ist und auch Spass macht ... es zerstört zumindest für mich jegliche Western-Atmosphäre. Zu groß sind für mich die Ähnlichkeiten zu GTA. Das zweite Problem mit GUN habe ich auf Grund des Umstandes, dass das Spiel natürlich nicht seine Konsolenwurzeln verbergen kann. Vor allem die Schussgefechte und Kämpfe wirken selbst mit Maus und Keyboard seltsam zäh und schwammig. Das Tempo ist für meinen Geschmack einen Tick zu langsam und vernünftig zielen muss man auch nicht. Auch ist es der Atmosphäre nicht gerade förderlich, dass man während der Gefechte wie in einer Schiessbude Bonuspunkte und Schusscombos wie in einem Beat'EmUp auslösen kann. Auch wenn GUN ansonsten sehr spassig ist und von den bisher genannten Spielen das mit Abstand beste ist ... nicht einmal ansatzweise kommt es an Outlaws heran, welches nun seit zehn Jahren unangefochten immer noch die Nummer 1 des Subgenres "Western-Shooter" ist.
Also heisst es weiter warten, hoffen ... und ab und an Outlaws auspacken.