Panta rei - Alles fliesst
Der Hunger nach Shootern lässt nicht nach. Nachdem ich mir HL2 Episode One vorgeknöpft hatte, musste jetzt ein wenig das "gute, alte" Half-Life 1 herhalten. Nicht nur, weil ich (zumindest größtenteils) angenehme Erinnerungen daran habe. Nein, auch weil ich sehen wollte, wie sich meine momentane, ablehnende Haltung gegenüber zu stark geskripteten Shootern mit dem Urvater dieses Sub-Genres verträgt. Gewissermassen ein Blick zurück, eine Gegenkontrolle.
Ahhhh, Half-Life! Ganz vergessen, wie sehr mich alleine die Intro-Sequenz damals weggeblasen hat. Wirkt immer noch! Und so drei, vier Stunden lang hat das wieder richtig Spass gemacht. Dann, so ab dem Moment, in dem Gordon von der Army gefangen wird und Valve dem Spieler alle Waffen und Munition wegnimmt ... ab dem Moment nervt HL1 plötzlich.
Es nervt gewaltig!
Ich habe eine Menge vergessen und spiele vieles wieder wie (fast) zum ersten Mal. Manche Abschnitte ab diesem Moment (haufenweise Kletter, Tauch- und Hüpfeinlagen, knappste Munition, viele Gegner, hinterlistiger Levelaufbau) sind nur mit viel Geduld und Auswendiglernerei zu schaffen. Jetzt nicht direkt übermäßig schwer, aber der Griff zur Quickload-Taste wird so langsam zur ermüdenden Routine. Derzeit hänge ich (wie damals, wie ich mich allmählich erinnere) am Staudamm fest. Über mir ein Helikopter, vor mir einige Soldaten und ein Geschütz, im Stausee eines dieser unsäglichen, nervtötenden Fischmonster. Ich weiß nur noch, dass man hier versuchen muss, irgendwo einen Schalter umzulegen und dann unter dem Staudamm hindurch zutauchen. Wenn mich der Helikopter und das Geschütz nicht erwischen, schafft mich das Fischmonster. Pfeile für die Armbrust habe ich keine mehr, Fischilein schwimmt immer noch lustig einher, obwohl ich (so denke ich zumindest) häufig genug getroffen habe. Und damit nicht genug, zehrt die mangelnde Atemluft ständig an meinen nicht gerade im Übermaß vorhandenen Healthpoints. Ich denke, ich cheate mich hier durch. Keinen Bock mehr!
Im Vergleich zu heutigen Shootern gibt es bei HL1 zu meiner Überraschung relativ wenig großartig geskriptete Ereignisse. Ich hatte das irgendwie anders in Erinnerung. Ich werde eigentlich zu nichts großartig gezwungen. IMHO wird die Story hier sehr viel besser inszeniert, als beim Nachfolger. Ich "spiele" HL1. Zugleich "bin" ich Gordon Freeman, der sich plötzlich inmitten eines heillosen Chaos befindet und eigentlich nur zu Überleben versucht. Die Geschichte und die Identifizierung mit dem Charakter wird mir nicht aufgedrungen. Das ist es also nicht, was mir doch recht massiv den Spielspass vermiest.
Es ist aber dieses Telefonbuch-Gameplay. Die ständige Unterbrechung des Spielflusses. Das ständige Neuladen. Die "netten" Überraschungen, die Valve in diesem Abschnitt massiv eingebaut hat und die den unkundigen, unwissenden Spieler jedesmal brav in den Bildschirmtod schicken oder ihn zuviel HP verlieren lassen, so dass die kurz darauf erscheinenden Soldaten ihm den Rest geben. Ok, neuladen, nochmal von vorne. Zwei Schritte vor, BUMM, ein Schritt zurück! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich dies früher so angekäst hat. Vielleicht habe ich es vergessen.
Vielleicht auch nicht. Es hat mich früher einfach nicht so gestört. Es war "normal". Es musste gewissermaßen so sein.
Mein Geschmack und mein Anspruch, was ich von einem Spiel erwarte, HAT sich im Laufe der letzten knapp neun Jahre stark verändert, sodass ich an derartigem Gameplay keinen Gefallen mehr finde.
Heraklit, einer von diesen schlauen alten Griechen, prägte den Satz: Panta rei! Alles fliesst!
Für mich muss ein Spiel mittlerweile "fliessen", damit es mir Spass macht. Ich will nicht mehr via Bildschirmtod aus dem Spiel gerissen werden. Ich möchte "im Spiel" bleiben. Das Spiel beende ich und nur ich alleine. Zwar habe ich im Vergleich zu früher sehr viel mehr Geduld und bin nicht mehr so hektisch. Sprich, im Grunde sollte ich mit dieser Art von Gameplay kein Problem haben.
Ja, sollte! Ist aber nicht so. Denn DAFÜR habe ich interessanterweise keine Geduld mehr. Es ist nur ein Spiel. Kein Grund mehr, daran Kraft und Energie zu verschwenden. Nach drei, vier Fehlversuchen cheate ich oder lass das Spiel links liegen. Ist nicht so tragisch. Es gibt mittlerweile wichtigeres im Leben diesen einen ganz speziellen alten Sackes. Wichtig ist zum Beispiel der Umstand, dass man nicht gleichzeitig bloggen und Reis kochen sollte. Hier priorisiere ich immer noch nicht so richtig. Und wenn man dann den "Sollen wir doch lieber was Essen gehen"-Blick bekommt, bleibt mir nur ein einziger Schluss: Cooking Mama für den DS!!! ;)
Und demnächst werde ich Heretic rauskramen. Das "gute, alte" Heretic :) Bin mal gespannt, wie diese Reise in die Egoshooter-Vergangenheit in heutigem Licht erscheinen wird.