Donnerstag, 19. April 2007

Die Zukunft der Spielebranche - Download-Dienste

Wie versprochen, hier der zweite Teil über meine Vorstellungen von der Zukunft der Spiele-Industrie, mein ganz spezieller Blick in meine ganz spezielle Glaskugel ...

Anne Sweeny, Vorstandsmitglied bei Disney, sagte laut P2Pnet.net letzten Herbst auf der MIPCOM folgendes:

"We understand now that piracy is a business model," she declared. "It exists to serve a need in the market for consumers who want TV content on demand. Pirates compete the same way we do - through quality, price and availability. We don't like the model but we realise it's competitive enough to make it a major competitor going forward."

Auf gut Deutsch, man (ok, zumindest sie :) ) hat endlich verstanden, was trotz andauernder juristischer Drohung die Leute dennoch in Scharen zu Tauschbörsen treibt. Es ist so einfach und unkompliziert sich Musik, Filme und Spiele aus der größten digitalen Bibliothek der Menschheitsgeschichte auszuleihen, dass die Contentanbieter, wenn sie in Zukunft noch gute Geschäfte machen wollen, ihre Angebote MINDESTENS genauso einfach, umfassend und unkompliziert gestalten müssen.

Listen wir also einmal die Vorteile einer Tauschbörse als digitales Vertriebsmedium auf:

· Einfach zu bedienen
· Schneller Download

· Keine Performanceverluste bei großer Nachfrage (je größer die Nachfrage, desto schneller)

· Keine Anmeldung erforderlich

· Gigantisches Angebot, vor allem an aktuellen Werken

· Keine Restriktionen in der Nutzung der Daten, kein DRM


Dann listen wir einmal die momentanen Vorteile der legalen Bezahl-Angebote auf:

· Sie sind legal

Das ist jetzt nicht soooo sonderlich prickelnd. Was übrigens nicht nur ich, sondern auch viele Kunden so sehen, weil vor allem die legalen Kauf-Angebote der Musik-Industrie nichts reissen können. Selbst iTunes als Vorzeige-Shop und gern angeführtes Beispiel ist anbetrachts der Masse an via Tauschbörsen verfügbaren Musikstücken ein winzig kleines Licht.

Leider ist mir kein Zahlenmaterial bekannt, dass sich speziell mit den Download-Diensten für Spiele beschäftigt, so dass ich hierzu nicht sagen, inwiefern sich dies für die Publisher bereits rentiert. Daher möchte ich mich "nur" mit dem beschäftigen, was mir als potentieller Kunde so ins Auge sticht.

Prinzipiell muss man die Publisher und Anbieter der Spielebranche loben! *hört, hört*
Ja, ernsthaft! Im Vergleich zu dem, was mir im Laufe der Jahre die Musik-Industrie um die Augen und Ohren gebruzzelt hat, scheint man hier nicht so sehr von Paranoia befallen zu sein. Man kann Angebote wie Steam oder Direct2Drive oder all die unzähligen CasualGame-Portale wie Reflexive.com recht gut bedienen, ohne den Eindruck zu haben, dass man ständig über den Tisch gezogen wird. Nicht ideal, aber schon mal einen ersten, richtigen Schritt vorwärts.

Dabei gibt es aber immer wieder bestimmte Punkte, die mir ins Auge fallen und die mir als Kunden gegenüber den Tauschbörsen oder gar gegenüber dem klassischen Kauf im Laden keinen wirklichen Vorteil bieten. Mein idealer Download-Dienst würde folgendermaßen aussehen:

1. Ich habe keine Lust für jeden Dienst einen extra Client installieren müssen. Steam will den Steam-Client. EA köchelt sein eigenes Süppchen und diverse Download-Portale für CasualGames schieben mir tonnenweise Spy- und Adware unter. Ich möchte Spieldaten entweder wahlweise direkt via FTP, HTTP oder einen BT-Client meiner Wahl herunterladen können. Ich will NICHTS extra installieren müssen.

2. Ich möchte reine Offline-Spiele NICHT online aktivieren müssen. Wie man letzen Herbst an der innerhalb weniger Stunden, ohne jede Ankündigung wegen Insolvenz erfolgten Abschaltung der Triton-Aktivierungsserver gesehen hat, kann es ruckzuck passieren, dass man sich nicht mehr an seinem gekauften Spiel erfreuen kann, sondern nur noch unbenutzbaren Datenmüll auf der Festplatte hat. Zwar hat Human Head für die Triton-Kunden, die "Prey" gekauft haben, in Windeseile einen Patch veröffentlicht, doch die Käufer anderer Software über Triton haben ihre Ausgabe in den Wind schreiben müssen. Bethesda, Stardock und THQ haben bereits bewiesen, dass sich kommerzieller Erfolg und Verzicht auf Kopierschutz nicht automatisch ausschliessen müssen. Wieso dann diese Aktivierungs-Scheisse?

3. Ich möchte auch gerne auf den mittlerweile immensen Back-Katalog der Publisher zurückgreifen können. Was da an alten Schätzen schlummert und nach Meinung der Rechteinhaber nicht mehr kommerziell verwertbar ist, aber dennoch NICHT freigegeben wird, ist nur noch zum Heulen. Ja, natürlich laufen viele Spiele nicht mehr mit aktuellen Betriebssystemen. Aber zum einen sollte der Anbieter das meine Sorge sein lassen ;) und zum anderen hat Sierra Anfang letztes Jahres den diversen Compilations der KQ- oder SQ-Serien DosBox offiziell beigelegt. Was spricht dagegen, entweder einen der unzähligen Emulatoren zu lizensieren oder selber einen entwickeln zu lassen?

Nintendo, Microsoft und Sony haben damit bereits begonnen mittels Virtual Console, Live und Home alte Klassiker neu zu vertreiben, aber dummerweise sind diese Spiele immer an die Konsolen-Hardware gebunden. Will man nicht die PC-Besitzer als zusätzliche Kunden gewinnen und mit wenig Aufwand aus alten Spielen nochmals Kohle herausholen? Scheinbar nicht ... schade!

4. Ich möchte eine ganze Bandbreite von Bezahlmöglichkeiten haben. Nicht nur per Kreditkarte. Ich komme nunmal aus Deutschland. Kreditkarten sind hier nicht üblich. Download-Dienste, die mir nur Kreditkartenzahlung anbieten, sind für mich nicht von Interesse.

Lobenswert ist hier zB. der Telltale-Shop, in dem ich mir die erste Season Sam&Max und die beiden Bone-Adventure geholt habe. Ganz einfach innerhalb weniger Sekunden über Paypal. Ich könnte bei Telltale sogar mit einer klassischen Banküberweisung bezahlen ... SO muss das sein!

5. Ich möchte einzelne Lizenzen aus meinem Account herauslösen und weiterverkaufen können. So wie ich das mit Spielen machen kann, die ich Laden kaufe. Mir das Weiterverkaufen einer Lizenz oder eines Accounts per AGB verbieten zu wollen und entsprechende Anfragen mit einem simplen Hinweis auf selbige AGBs abzuschmettern (Hallo Valve, ihr Spacken!) führen nur dazu, dass ich mir sehr, sehr sorgfältig überlege, ob ich mir das Spiel überhaupt kaufe. Ich kann es bei Nicht-Gefallen ja nicht mehr loswerden ... zumindest nicht offiziell.

6. Wenn ein Spiel gepatched werden muss (was jetzt nicht unbedingt sooooo selten vorkommt), dann muss ich teilweise WOCHEN auf den Patch für meine Download-Version warten, während alle anderen bereits ein bugfreieres Spiel haben. Ganz schlimm ist das zZ. mit den Versionen, die man über Direct2Drive beziehen kann. Leute, da zahle ich das gleiche Geld für eine Download-Version, zeige somit meine Zustimmung für diese neue Vertriebsform und werde dann vor den Kopf gestoßen? Das kann es nicht sein!

6. Als letzter Punkt und gleichzeitig auch der allerwichtigste Punkt ... ich erwarte von einem Kauf via Download-Dienst ...

DEUTLICHST

... günstigere Preise als bei einem Kauf im Laden. Es kann nicht angehen, dass man mir als Kunde die Einsparungen für Presswerk, Verpackung, Transport und Zwischenhandel nicht weitergibt, sondern das Geld als zusätzlichen Gewinn behält. Oder wie zB. beim HL2-Release, als die Retail-Version sogar bis 10 Euro günstiger (!) als die Steam-Version war. Wenn man möchte, dass mehr Leute diese neue Vertriebsplattform nutzen, dann muss hier etwas passieren. Ansonsten tummelt sich der Kunde verständlicherweise immer noch in Tauschbörsen und das Klagen ist wieder groß.

-o-o-

"Weniger Gier, mehr Kundenfreundlichkeit"! Das sollte bei der Konzeption des Download-Dienstes der Zukunft im Vordergrund stehen. Denn dann kann es mir als Anbieter vollkommen egal sein, wenn sich Leute trotzdem ein Spiel für umme aus dem Netz ziehen oder privat kopieren. Zum einen kann ich das eh nicht verhindern und zum anderen habe ich als Gewinn zu erwirtschaftende Firma wesentlich mehr von zufriedenen Kunden, als von der emotionalen Befriedigung diesen elenden Netz-Parasiten und AllesUmsonstHabenWollenern das Leben schwer zu machen. Ersteres bringt mir Geld. Letzteres bringt mir nur einen Ständer, aber kein Geld. Ok, man kann sich als gestresster CEO so vielleicht die Domina sparen ...