Samstag, 21. April 2007

Über "richtige" Full Motion Videos

"Is this camera still on?"

"Isn't that the guy from Star Wars?"

"If you kill one hundred, it's a tragedy. But if you kill one million ... it's a statistic!"

Na, klickt's? Bekannt? Schon mal irgendwo gehört? Richtig, drei berühmt-berüchtigte Dialogzeilen aus drei berühmt-berüchtigten Spielen, die seinerzeit prägend für eine ganz bestimmte Art der Storypräsentation waren. Dialogzeilen, die von "richtigen" Schauspielern gesprochen wurden. Es waren die Goldenen Jahre der Full Motion Videos, als die Spiele Hollywood entdeckten.

Auslöser dafür war ein gewisser Chris Roberts, der zwar nicht unbedingt der erste war, aber dafür als erster so richtig auf die Kacke haute. 1994, als sich die CD-ROM gerade so begann sich als neues Datenträger-Medium zu etablieren, präsentierte er den dritten Teil der Wing Commander-Serie auf sage und schreibe gleich VIER CDs. Für damalige Verhältnisse kompletter Multimedia-Overkill. Aber damit war noch nicht genug ... WC3 erschlug die fassungslosen Gamer neben (mal wieder) unverschämten Hardware-Anforderungen auch mit einem Star-Aufgebot, an dass danach nur das aktuell erschienene C&C3 anknüpfen konnte.

Mark Hamill, Tom Wilson, Malcom MacDowell, Jason Bernhard, John Rhys-Davies und (die erste "seröse" Rolle) der damalig wohl bekannten Pornostar Ginger Lynn Allen traten in aufwendig produzierten Fimausschnitten auf und trugen mit dazu bei, dass Computer-Nerds weltweit, inklusive des hier schreibenden Harrzachs, nur noch mühsam nach Atem schöpfend vor dem Rechner saßen. Der helle Wahnsinn war das ...

Und als ein Jahr später Command & Conquer erschien, erhob sich ein Schrei fanatischer Massen von unzähligen Bildschirmen, denn Kane aka Joe Kucan, Regisseur vieler Westwood-Videosequenzen, trat vor die Kamera um selbige nur kurz darauf wieder auszuschiessen. Und es war das Jahr, in dem ich mir extra "The Daedalus Projekt" gekauft hatte, nur weil dort Tia Carrere mitspielte. Dass ein Jahr später Westwood bei "Red Alert" Stalin, Hitler und Albert Einstein auftreten ließ, war dann nur das Tüpfelchen auf dem I.

Schön war es damals ... doch wieso heute nicht mehr? Spiele setzen mittlerweile fast mehr um als Hollywood-Filme. Wo sind die "richtigen" Schauspieler? Warum nur noch Rendervideos? Warum nur noch vereinzelte Promi-Auftritte, bei denen man aber nur die Stimme hört? Fragen, die vor allem jetzt wieder auftauchen, da C&C3 alten Traditionen treu bleibt und uns "richtige" Schauspieler präsentiert.

Zwei Gründe ... der wichtigste dabei (wer hätte es auch gedacht): Das Geld!

"Richtige" Schauspieler haben im Gegensatz zu ihren "virtuellen" Kollegen eine Gewerkschaft und sind zT. richtig teuer. Die Kosten für reine Sprechrollen sind hingegen deutlich niedriger. Selbst A-Promis können da keine Irrsinnsgagen verlangen, wenn sie nur hinter dem Mikro anstatt vor der Kamera stehen. Neben den Schauspielern muss auch eine Menge Geld in Bühnenbild und Ausstattung gesteckt werden, selbst wenn das Bühnenbild im Grunde nur eine grüne Leinwand ist und die "richtige" Szene nachträglich eingefügt wird. Denn die Live-Szenen drehen sich nicht von selber, es ist eine Film-Crew erforderlich, die selbstverständlich nicht für ein Butterbrot ihre Arbeit erledigen. Will man sowas richtig machen, kostet das Schotter und nicht zu knapp. Enorme Kosten, die aber nichts unmittelbar mit dem Spiel selber zu tun haben, da sie nur die Verpackung, die visuelle Gestaltung der Rahmenhandlung betreffen.

Natürlich kann man hierbei kräftig sparen, in dem man unbekannte Gesichter verwendet und ein Budget ansetzt, mit dem sich nur D-Movie-Flair verbreiten lässt. Hauptsache man kann dick fett auf die Verpackung schreiben "20 min of FULL MOTION VIDEO". Absoluter Höhepunkt dieser Herangehensweise sind die Zwischensequenzen zu "Cyclones", einem der etwas unbekannteren Titel von Raven Software. Es ist höchst bedauerlich (oder auch nicht, je nachdem), dass die VideoCapture-Funktion von DosBox gerade hier versagt. Diese "Meisterleistung" an Schauspielkunst und aufwendigem Bühnenbild sollte man zumindest einmal gesehen haben. Mehr ist NICHT anzuraten ...

Ein weiterer finanzieller Grund ist das zum Glück längst im Staub der Geschichte versunkene sog. "Interactive Movie", bei dem man mit aller Gewalt Spiel und Hollywood verheiraten wollte, wobei das zumindest seitens Hollywoods und der eigens dafür gegründeten Firmen eher zu einem Shotgun-Wedding als zu einer romantischen Liebesheirat geriet. Teuer produzierte, dennoch meist höchst miserabel inszenierte Videosequenzen, die kaum den Umstand kaschieren konnten, dass man schlichtweg vergessen hatte, wer denn diesen Unfug kaufen soll. Spieler haben sich schaudernd abgewandt, weil in diesen Multimedia-Machwerken kein Spiel vorhanden war. Und Filmfans haben sich nicht dafür interessiert, weil es ja a) Spiele waren und b) niemand mitspielte, der auch nur ansatzweise von Interesse war. Paradebeispiel für diese kommerzielle Selbstmordstrategie waren die Versoftungen zu den Filmen "Eraser" und "Johnny Mnemonic". Groß angekündigt mit Filmszenen und Staraufgebot stolperten dann aber doch nur unbekannte Gesichter in billigen Kulissen durch eine wirre, kaum spielbare Elemente enthaltende Handlung. Konsequenterweise hat Hollywood schnell damit aufgehört weitere Millionen in den Wind zu schiessen und sich wieder nur den Filmen zugewandt. Die etablierten Spiele-Entwickler und Publisher, in Angst und Schrecken versetzt ob der versammelten Finanzkraft der Filmstudios, lösten ihre eigenen Filmabteilungen auf, um mit weitaus günstigeren Mitteln wie In-Game-Kamera, gescripteten Ereignissen und vergleichsweise preiswerten Rendervideos eine weit aus bessere dramaturgische Wirkung zu erzielen.

Denn das ist der zweite Grund, warum FMV mit "echten" Schauspielern so gut wie nicht mehr eingesetzt werden. Der optische Bruch zwischen Video und dem eigentlichen Spiel ist zu groß, die dramaturgische Wirkung einer realen FMV-Szene kommt nur dann zum Tragen, wenn sie aufwendig produziert wird. Jeder finanzielle Kompromiß führt nur zu den bereits bekannten desaströsen Ergebnissen der "Interactive Movie"-Ära. Man stelle sich zB. eine Zwischensequenz aus Starcraft mit echten Schauspielern vor ... fährt man hier kein Abermillionenbudget für eine gerademal fünfminütige Sequenz auf ... kann nur peinlich enden!

Und genau darum funktionieren die FMVs von C&C3 so gut. Weil sie wie bei "Red Alert 2" so überdreht und absichtlich billig inszensiert werden, um den irrealen Comic-Charakter des Spieles zu betonen. Aber nicht so billig, dass sie peinlich SIND. Sondern nur so wirken, als ob sie billig und peinlich WÄREN! Eine feine Linie, die man leicht überschreiten kann, wie man zB. vor ca. 2 Jahren an "Act of War" sehen konnte. Konzipiert als 1:1-Kopie von Command&Conquer fehlte den Videos (wie auch dem Spiel) dennoch ein ganz entscheidentes Element ... der Humor. Bzw. man hat sich, das Spiel, das Szenario und auch die Videos viel zu Ernst genommen. Das Ergebnis erinnerte zumindest mich daher eher an eine RTL2-Vorabend-Serie. Also WIRKLICH peinlich!

Von daher kann ich es leicht verschmerzen, wenn ich zB. Patrick Stewart nur hören darf, Mark Hamill nicht mehr als der "Typ von Star Wars" auftritt und man als große Ausnahme von der Regel lediglich einen Starschnitt von Joe Kucan anfertigen kann ;) Will ich einen Film sehen, schaue ich mir einen Film an. Will ich ein Spiel spielen, spiele ich ein Spiel. Manche Medienformate sollten auch in Zukunft besser getrennt bleiben ...