Donnerstag, 28. Mai 2009

Zielansprache

Was wäre ein Actionspiel ohne Gegner, die man möglichst effektvoll zurück in die Virtuellen Jagdgründe schicken kann? Es wäre kein Actionspiel, sondern eine sehr schnell langweilig werdende Schiessbuden-Simulation. Leere Pappkartons haben eben nur einen sehr eingeschränkten Sex-Appeal. Also haben sich uns im Laufe der Jahre eine Myriade von Gegnern bereitwillig zur Verfügung gestellt, damit wir nicht nur interessante Ziele haben, auf die wir schiessen können, sondern auch Ziele, deren Beseitigung doch ein wenig befriedigender ist als das bloße Erringen von Punkten auf einer Zielscheibe. Wir wollen RICHTIGE Ziele, die sich bewegen und die sich wehren. Wir wollen unseren Jagdinstinkten nachgehen, die wir als Nachkommen unserer Vorfahren selbstverständlich immer noch in uns tragen.

Und so haben wir im Laufe der Jahre Myriaden von Aliens, ganze Universenpopulationen ausgelöscht. Wir haben Untote, soviele, dass sich Himmel und Erde verdunkeln, noch unlebendiger gemacht, als sie das per Definition eigentlich schon sind. Wir haben Terroristen gejagt, wir haben Nazis geklatscht, wir haben unzählige historische Konflikte auf allen beteiligten Seiten nachgestellt. Wir sind gegen Maschinen angetreten, gegen Tiere, Dämonen, Moorhühner, Halb-, Viertels-, Teil- und Vollzeitgötter. Oder einfach nur gegen sich jeder Einordnung entziehende bunte Pixel- und Polygonhaufen.

Von daher ist es nicht weiter überraschend, wenn KAOS Studios (die Macher von Frontlines) in Zusammenarbeit mit John Milius, ja, DER John Milius, mit "Homefront" einen Shooter ankündigen, in dem ... Achtung ... sich aufrechte, US-amerikanische Patrioten einer Invasion (!) ihres Heimatlandes durch ... Achtung ... Nordkoreaner (!) erwehren müssen.

Ja, es ist nur ein Spiel. Ja, es ist nur eine Fiktion, nur bloße Unterhaltung. Gar keine Frage! Dennoch ... dennoch bin ich beim Lesen dieses Settings vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Das ist sooooo putzig, dass ich fast geneigt bin, diesem Spiel ein wenig Zeit zu opfern, sollte es eines Tages erhältlich sein.

Auch wenn es nur ein Spiel ist, auch wenn es nur Algorithmen, Programmroutinen, Soundsamples und Texturgraphiken sind, so kann die Wahl der Gegner, auf die man in einem Actionspiel ballern darf, doch so einiges über die Macher und auch über die Spieler UND vor allem über die Zeit, in der dieses Spiel entsteht, verraten.

Russen klatschen ist out, der Kalte Krieg dummerweise längst vorbei. Die Chinesen haben zuviel Dollar-Anleihen. Wäre unklug. Kolumbianer aka Drogendealer sind irgendwie aus dem Aufmerksamkeitsfokus der Öffentlichkeit verschwunden. Die Deutschen taugen leider nur noch im historischen Nazi-Kontext als Gegner. Ausserirdische, Mutanten, Zombies und anderes Monster-Gesschmeiss sind nicht von Interesse. Der Mittlere Orient hat keinen plakativen Buhmann mehr und stellt sich immer mehr als vollkommen undurchschaubares Schlamassel ohne klare Freund/Feind-Linien heraus. Aber beim Zappen durch die TV-Kanäle haben wir gemerkt, dass da gerade mal wieder ein kleiner Giftzwerg die Muskeln spielen lässt. Yay, wir lassen den Spieler auf Nordkoreaner ballern!!

Und so wie man ein "Die rote Flut" unter Zuhilfenahme eines gewissen Blutalkoholspiegels durchaus zum Anlass für schallendes Gelächter verwenden kann, so werde ich mir bei "Homefront" jedwedes politisch-korrektes, oder aus europäischer Sicht einfach nur fassungsloses Kopfschütteln ersparen und darauf hoffen, dass ich dieses Machwerk in einem etwas entrückten Bewusstseinszustand genießen kann, um meine tägliche Lachübung abhalten zu können :)