Recht ist nicht gleich richtig
Der schlimmste Apltraum eines Modders ist nicht unbedingt der Festplattencrash bei gleichzeitigem Nichtauffindenkönnens des Backups, sondern das Wahrwerden der immer im Hintergrund lauernden Möglichkeit, dass irgendein Rechteinhaber die Anwälte losschickt und mit Cease&Desist-Aufforderungen oder gar schlimmeren Maßnahmen sämtliche Arbeiten an diesem Mod einstellen lässt.
Aktuell (via Krawall) hat es das Team von Crimson Echoes erwischt, einer äusserst umfangreichen Modifikation von Chrono Trigger. Fast fünf Jahre lang war man am Werkeln und Modden, 10 verschiedene Spielenden, 35 Stunden Spielzeit. Der Mod stand kurz vor der Fertigstellung, als Square Enix plötzlich meinte, seine Intellectual Property schützen zu müssen. Und da Modder nicht unbedingt über die Unterstützung einer eigenen, teuer bezahlten Rechtsabteilung verfügen, mit deren Hilfe man derartige Forderungen eventuell vor Gericht anfechten könnte, blieb dem Team nichts weiter übrig, als sämtliche Arbeiten einzustellen.
Gut, rein objektiv kann man zwei Dinge festhalten:
1. Square Enix als Rechteinhaber ist ohne Wenn und Aber berechtigt, den Stopp entsprechender Projekte zu fordern, wenn ihre IP darin verwendet wird.
2. Modder sollten vor Projektbeginn immer die offizielle Zustimmung des Rechteinhabers einholen oder sicher gehen, dass zumindest eine stillschweigende Duldung besteht. Der Rechteinhaber kann das Projekt zwar trotzdem immer noch kippen, aber zumindest ist man für eine Weile aus dem Schneider.
Rein rechtlich ist das Vorgehen von Square Enix also in Ordnung. Da gibt es nichts zu diskutieren. Aber man sollte sich dennoch fragen, welchen Schaden hätte Square Enix durch dieses Projekt erlitten? Wäre es nachweislich zu geringeren Umsätzen des derzeit im Handel befindlichen Chrono Trigger-Remakes für die DS-Plattform gekommen? Hätte es nachweislich die Umsätze eines Chrono Trigger-Nachfolgers beeinträchtigt, den es zudem gar nicht gibt? Weder das originale SNES-Modul, noch die PSX-Fassung sind noch regulär im Handel erhältlich. Auch hier hätte man sich fragen können, wo hier ein Schaden für Square Enix entstehen könnte. Zudem war nicht ersichtlich, dass das Mod-Team sein Projekt kommerziell angeboten hätte.
Alles, was passiert ist, war eine Verletzung eines rein virtuellen Urheberrechts. Niemand wurde "geschädigt", niemand hat Geld verloren oder wurde nachweislich um Umsätze geprellt. Ganz im Gegenteil, hätte Square Enix hier ein Auge zugedrückt und diesem Projekt explizit eine Genehmigung erteilt, hätte man sich so manche Million an Marketingkosten sparen können, denn die positive Werbewirkung für die Firma und ihre Produkte lässt sich nicht leugen. Und, ich wiederhole, ohne dass Square Enix hier auch nur EINEN EINZIGEN Yen hätte ausgeben müssen.
Aber das Urheberrecht ist der neue Heilige Gral unserer Zeit. In vollkommener Verkennung des Umstandes, dass sich immaterielle Güterrechte elementar und ganz grundsätzlich von den althergebrachten Güterrechten für analoge Werke und Produkte unterscheiden, in vollkommener Verkennung und Ignoranz positiver Marketingeffekte, die ein etwas lockerer Umgang mit immateriellen Güterrechten mit sich bringt, wird einfach nach den Buchstaben eines überholten und veralteten Gesetzes gehandelt.
Niemand verlangt eine komplette Enteignung der Urheber, niemand verlangt, dass alles für alle kostenlos sein muss. Das einzige, was ich verlange, ist ein Überdenken der derzeitigen Rechtssituation, die nachweislich sogar den vermeintlichen Nutznießern dieser Regelungen nichts nutzen. Verkauft Square Enix auch nur ein einziges zusätzliches Spiel, weil sie hier auf ihrem Recht bestehen?
Wäre ich CEO einer Firma, die immaterielle Güter herstellt und wäre mein Ziel die Steigerung des Umsatzes, würde ich mir genau diese Fragen stellen. Was hat die Firma von strikten und rigiden Urheberrechten? Verkaufe ich dadurch mehr? Steigere ich dadurch den Umsatz? Wenn ja, wenn man dies klipp und klar nachweisen könnte, ganz ehrlich, ich würde ArschfickBrutalo-DRM auf jeden Datenträger, in jede Datei packen und den Gesetzgeber dazu bringen, dass entsprechende Gesetze nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch umgesetzt werden. Nur ... es gibt diesen Beweis nicht. Es gibt nur Panik und Angst und ein ganz grundlegendes Nicht-Verstehen der Veränderungen und Möglichkeiten, die das Digitale Zeitalter mit sich gebracht hat. Veränderungen, die zudem NICHT mehr rückgängig gemacht werden können. Dazu ist es längst zu spät. Die Katze ist aus dem Sack.
Von daher möchte ich mich vorab entschuldigen, dass ich dieses Posting für einen schamlosen Aufruf nutze, um meine Leser zu bewegen, bei jeder der kommenden Wahlen entweder die Piratenpartei zu wählen oder sich im Rahmen anderweitiger politischer Präferenzen für eine Überarbeitung der derzeitigen Urheberrechtsregelungen einzusetzen. Das derzeitige Gesetz dient allenfalls extrem kurzfristigen kommerziellen Zielen, schadet der Gesellschaft, der Kultur UND sogar der Wirtschaft langfristig aber enorm. Vom zT. nur noch erschreckenden Kollateralschaden für unsere Demokratie, den ein Festhalten und Durchsetzen der derzeitigen Urheberrechtsgesetze verursacht, will ich an dieser Stelle erst gar nicht beginnen.