Dienstag, 12. Mai 2009

Unter dem Radar: The Kreed

So mancher wird sich vielleicht erinnern können, wie vor etwa acht Jahren auf der MacWorld in Tokyo John Carmack erste Bewegtszenen von Doom 3 zeigte. Was waren wir nicht alle, ausnahmslos, hin und weg? Mussten wir nicht alle unsere kollektiven Kinnladen wieder vom Boden aufklauben? Hölle, im wahrsten Sinne des Wortes, Hölle, sah das geil aus!

Kurze Zeit später machte ein kleines, russisches Studio Schlagzeilen, weil es Screenshots aus seinem aktuellen Projekt veröffentlichte, welches mit exakt den gleichen Features aufwarten konnte, wie sie John Carmack nur wenige Monate vorher präsentiert hatte. Echtzeitschatten noch und nöcher, Pixelshader en masse. Und weil niemand wusste, wann Doom 3 auch für uns arme Gamer Realität werden sollte, klammerte man sich an die Hoffnung, dass Burut eher fertig werden würden als die Jungens von ID Software. Weil, wir wollten diese Pracht nicht nur immer wieder in Videos und bewegungslosen Screenshots sehen, wir wollten das alles selber spielen!

Nun, zum Leidwesen von Burut und ihren Publishern erschien "The Kreed" lediglich anderthalb Monate vor Doom 3. Kein Mensch wollte auch nur eine Minute mit einem seltsamen Ostblock-Shooter verbringen, wenn doch Doom 3 gerade um die Ecke bog und man den Feuerball eines Imps schon von weitem sehen konnte. Und wenn man ehrlich ist, so haben wir damals auch nicht viel verpasst. Gut, Doom 3 war zwar nicht das Spiel, welches wir erwartet hatten, aber es war dennoch gut und unterhaltsam genug, dass man viel, viel Zeit damit verbringen konnte. Und als im Herbst auch noch Half-Life 2 dem Genre vollkommen zu Recht seinen Stempel aufdrückte, verschwand "The Kreed" endgültig und rückstandsfrei in der Versenkung, aus der dieses Spiel auch nie in der Lage gewesen wäre herauszukrabbeln.

Jetzt stellt man sich natürlich die Frage, warum ich hier soviele Worte über "The Kreed" verliere. Um es höflich auszudrücken: Das Spiel ist nicht gut. Man könnte es sogar als schlecht bezeichnen.

Ja, es sieht ein wenig wie Doom 3 aus, zugegeben. Und einige Levelabschnitte machen sogar richtig was her. Jetzt nicht unbedingt Spitzenklasse, aber gefällig genug, dass man manchmal sogar ein wenig nur umherwandert und in der Architektur spazierengeht. Und es läuft sehr stabil und sauber. Kann man also nicht meckern.





Der Rest jedoch ... blärghlll!

Minimalistische, abgehackte und unfreiwillig komische Animationen von Gegnern und der eigenen Spielfigur. Eine KD, die sich nicht einmal die Mühe gibt so zu tun, als würde sie aus mehr als nur zwei, drei Codezeilen bestehen. Eine Story, die mich eher zu verzweifelten Lachanfällen als zum Weiterspielen bewegt. Ein abgedroschenes, langweiliges Waffenarsenal aus der 08/15-Klischeekiste, was ja noch zu verschmerzen wäre, wenn die Waffensounds sich nicht wie im heimischen Badezimmer unter mehreren Metern Watte aufgenommen anhören würden. Da führt man keine großkalibrige Schnellfeuerwaffe mit sich, sondern allenfalls ein selbstgebasteltes Luftgewehr mit Zwilleantrieb. Der größte Abtörner, und auch gleichzeitig der Tropfen, der ein ganz bestimmtes Faß zum Überlaufen bringt, das sind die Sprachaufnahmen. Eine schlechte Aufnahmequalität ist schon schlimm genug. Bei "The Kreed" kommen aber noch Sprecher hinzu, deren Qualitäten definitv ganz woanders liegen, nur nicht beim Vertonen von Dialogen. Um selbst aber dieses Maß noch voll zu machen, können nur die allerwenigsten Englisch. Es stört mich nicht so sehr, wenn man vor allem bei osteuropäischen Produktionen zT. deutlich merkt, dass Englisch nicht die Muttersprache der Sprecher ist. Egal, gibt dem ganzen einen gewissen Charme. Geradezu kontraproduktiv sind englische Sprachaufnahmen jedoch, wenn kaum einer der Sprecher diese Sprache tatsächlich so beherrscht, dass man etwas verstehen kann. Bei "The Kreed" verstehe ich zT. kein einziges Wort. Falsch betontes, mühsam vom Blatt abgelesenes, kaum verständliches Genuschel, dem man hin und wieder ein paar englische Wortfetzen entnehmen kann.

Rein objektiv und nüchtern betrachtet, ist "The Kreed" Softwaremüll.

Ich ertappe mich aber trotzdem dabei, wie ich großes, nein, sogar ein diebisches Vergnügen daraus ziehe, mich durch dieses Machwerk zu ballern. Denn unter all diesen gräßlichen Präsentationsmängeln steckt ein grundsolider Shooter, der zumindest in dieser Hinsicht nichts falsch macht. Einfach nur ballern. Für ein paar Minuten sich an simplen, spassigen Gameplay und einer nur noch unterirdisch zu nennenden Soundkulisse zu ergötzen.

Ich würde für "The Kreed" keinen Cent extra ausgeben, aber wer irgendwann zufällig über diesen Titel stolpert und etwas für den kleinen Shooterhunger sucht ... hey, warum nicht? Trash, vor allem so richtig geiler Trash, muss gebührend gewürdigt werden!