Das Gleichnis vom Toten Pferd
Der eine oder andere wird sicherlich das Sprichwort über das tote Pferd kennen. Das angeblich alte Indianersprichwort, in dem es heisst, dass man doch besser absteigen solle, wenn man entdeckt, dass man ein totes Pferd reitet.
Derzeit ein totes Pferd entdeckt hat man überraschenderweise bei Microsoft, wo man, neben den üblichen erkennungsdienstlichen Fehlleistungen (weder Ensemble Studios, noch die Entwickler des Flight Simulators haben tote Pferde produziert) doch tatsächlich "Games for Windows" für einen mitten im blühenden Tod stehenden Vertreter dieser Gattung hält. Denn das prominenteste Opfer des aktuellen Arbeitsplatzabbaus bei MS ist der nun ehemalige Chef dieser Abteilung. Fairerweise muss man dazu sagen, dass für Aussenstehende nicht ersichtlich ist, ob die anhaltende Bedeutungslosigkeit dieses Programmes ihren Grund in der mangelnden Fachkompetenz dieser Person hatte oder ob er nur ein Bauernopfer für die immer offensichtlicher werdende Strategie von MS ist, im Unterhaltungsektor alle verfügbaren Ressourcen auf die Konsolensparte zu setzen und alles andere zu streichen, was nicht unmittelbar mit der 360 zu tun hat, selbst wenn es für sich selbst erfolgreich operiert.
Bevor ich jedoch MS über allen Klee für diese sensationelle Entscheidung lobe, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass MS zwar erkannt hat, dass das Pferd tot ist, man aber getreu der neuzeitlichen Interpretation dieses Spruches, nur den Jockey auswechselt, anstatt den längst verstorbenen Vertreter der Gattung Equidae endlich zu entsorgen.
Games for Windows war niemals erfolgreich und schon vom Start weg reif für den Abdecker, dass es selbst der erfahrenen und kompetenten Marketingabteilung von Microsoft nicht gelang den penetranten Geruch verwesenden Fleisches zu überdecken. Denn die Grundidee, das Vertriebskonzept von XBOX Live, welches auf dieser geschlossenen, alleinig von MS kontrollierten Plattform logischerweise hervorragend läuft, mehr oder minder unverändert auf die offene PC-Plattform zu übertragen und zu denken, man könne der dort bereits etablierten Konkurrenz nennenswerte Anteile abgraben, ist, mit Verlaub, nur noch als Schwachsinn zu bezeichnen.
Folgerichtig hat sich in den letzten zwei Jahren auch keine Sau für diesen Dienst interessiert. Weder Entwickler, noch Publisher, noch die Kunden. Das demnächst in den Läden stehende "Dawn of War 2" ist meines Wissens der erste potentielle Hit-Kandidat, der für Multiplayer-Features primär auf GfW Live setzt. Und meines Wissens auch in Zukunft der einzige Kandidat bleiben wird, denn immer mehr Publisher entdecken Steam als DIE Standardplattform für den Vertrieb und Betrieb von PC-Spielen. Alles, was GfW sein möchte, ist Steam bereits jetzt schon. Und um Klassen und Lichtjahre besser als alles, was ein megalomanischer Konzern wie MS auf Grund seiner verschachtelten Entscheidungsstrukturen jemals in vertretbarer Zeit produzieren wird. Von daher ist MS nur zu raten, den aktuell eingeschlagenen Pfad konsequent weiter zu beschreiten, den PC als Spieleplattform nur noch als Teil des Gesamtfeaturepaketes "Windows" zu betrachten und sich auf den Konsolenmarkt zu konzentrieren.
Achja, und im selben Zuge könnte man übrigens auch die PCGA, die unsägliche PC Gaming Alliance entsorgen, die ausser wohlfeilen Sprüchen und einer billigen, peinlichen Webseite, wo man essentielle Informationen nur in Form eines herunterladbaren Powerpoint-Dokumentes erhält, welches, mit Verlaub, jeder 12-jährige Schüler besser hinbekommen würde, in dem fast einjährigen Bestehen nichts wirklich Essentielles geleistet hat. Angesichts des Umstandes, wer alles Mitglied in dieser Organisation ist, kann man angesichts dieser Nicht-Leistung nur noch hysterisch lachend den Kopf in den Händen vergraben. Dieses Pferd ist so tot, dass es nicht einmal mit Fleisch auf den Knochen geboren wurde ...
Nein, dieser verordnende TopDown-Ansatz kann auf einer offenen Plattform, die der PC leider Gottes nunmal ist, nicht funktionieren. Wie es funktioniert, kann man zum Beispiel bei Gamasutra nachlesen. In "The New Old Wave of PC Games" werden nochmals alle Erkenntnisse und Erfahrungen der letzten Jahre zusammengefasst und aufgezeigt, wie man sich aufstellen muss, will man auf dem PC weiterhin gutes Geld mit Spielen verdienen.
Insofern, der PC als Spieleplattform ist kein totes Pferd. Es wird von vielen Beteiligten nur falsch beritten. Zum Teil extrem falsch. Nein, das PC-Pferd ist kein geländegängiger 4-Wheeldrive-Humvee mit Klimaanlage und Minibar, mit dem sich dekandente Stadtbewohner der Illusion hingeben können, sich jetzt so richtig dolle wild in der freien Natur zu bewegen. Das ist ein richtiges Pferd, welches pfleglich behandelt und gekonnt beritten werden möchte. Um bei diesem Bild zu bleiben, so wünsche ich mir für die Zukunft dieser Branche mehr einfühlsame und verständige Pferdeflüsterer und weniger kurzatmige, rotgesichtige Fettsäcke, die in einem Pferd nur eine unangenehm riechende, ausschlachtbare Ansammlung von Fell, Fett, Fleich und Knochen sehen.