Donnerstag, 8. Oktober 2009

Fettnäpfchen und der stete Tropfen

Nehmen wir einmal an, ich wäre ein verantwortlicher Angestellter bei Bioware.

Nehmen wir ferner an, ich würde mir überlegen, was man denn mit dem Großteil der Graphiker und Designer anfangen könnte, die nach der Fertigstellung des Spieles dezent Däumchendrehend herumsitzen und darauf warten, dass sie entsprechend den Gepflogenheiten der Branche gefeuert werden.

Nehmen wir zudem an, nach der Fertigstellung des Spieles erscheint das PC-Spiel, hier "Dragon Age: Origins" nicht sofort im Handel, sondern wartet auf seine Konsolen-Cousins, damit nach den Wünschen des Publishers (durchaus nachvollziehbar und sinnvoll) alle Versionen zeitgleich auf den Markt gebracht werden können.

Auf Basis dieser Annahmen nehmen wir weiterhin an, dass der verantwortliche Angestellte bei Bioware alle "redundant human ressources" (hach, ich liebe diese die Wirklichkeit verleugnenden Euphemismen) an zusätzlichen Inhalten für projektierte und bereits angekündigte DLC-Packages arbeiten lässt. So kann man die Zeit bis zum Release besser nutzen und kann dem Kunden sogar schon am Releasetag zusätzlichen Download-Content anbieten.

Der Publisher findet das gut, wie er natürlich alles gut findet, was schnellen, zusätzlichen Profit verspricht.

Soweit, so in der Vorstellungswelt der Industrie gar nicht mal so schlecht.

Doch Ach und Weh, der blöde Kunde, der von der Branche und vom Computerspielen ja so gar keine Ahnung hat und nur seinen feisten Arsch auf der Couch im Keller seiner Eltern breitsitzt, während er in Halo, vor Freude ins Headset kreischend, Teabagging an besiegten Mitspielern betreibt, jener blöde, verfressene, dumme Kunde weiß das alles gar nicht zu schätzen.

Bioware gibt bekannt, dass es pünktlich zum Release auch gleich den ersten DLC geben wird. Für 7 Dollar bekommt der Spieler eine zusätzliche Nebenquest mit neuen Items usw. usf.

Doch anstatt vor Freude in die Luft zu springen, sich vorzunehmen, beim nächsten Einkauf dann doch die allerbilligste Cola zu holen, um das Geld für den DLC locker zu machen, ballen nicht wenige Spieler weltweit vor Zorn und Ärger und Frustration die Faust und würden vor allem EA am liebsten ins Gesicht springen und ein paar Dollar für Benzin, Feuerzeug und Backsteine lockermachen. Denn diese Ankündigung kommt bei den Spielern folgerndermassen an:

"Hallo Kunde! Wir haben aus dem eigentlichen Spiel, welches Du für 50 Dollar kaufen kannst, Inhalte eigens rausgelassen und in ein DLC-Package gesteckt, welches Du für zusätzliche (!) 7 Dollar erstehen kannst, weil wir Dir soviel Geld wie nur irgendwie möglich aus der Tasche ziehen wollen."

Ja, das war jezzet a bisserl doof. Hätte man anders verpacken können. Vielleicht hätte man einfach einen Monat mit der Veröffentlichung dieser Inhalte warten sollen. Aber wenn die Umsätze der gesamten Branche einbrechen, weil der Kunde auf Grund der weltweiten Wirtschaftskrise weniger Geld für Luxusprodukte über hat, nimmt man auf solche Überlegungen keine Rücksicht, sondern ballert alles raus, was auch nur ansatzweise Geld bringen könnte. Hauptsache, man kann den Investoren im nächsten Quartal wieder bessere Zahlen liefern. Denn was kümmern uns ein paar beleidigte Kläffer in Foren oder die paar Dutzend angepisste Blogger mit ihren Reichweite von allenfalls ein paar Hundert Lesern?

So gesehen stimmt das natürlich. Vielleicht würde ich, getrieben von den sog. Sachzwängen (geilste Ausrede wo gibt), genau so entscheiden. Wer weiß das schon. Ich würde daher auch keinen Gedanken darüber zulassen, wie man auf lange Sicht immer mehr frühere Kunden vergrätzt und abschreckt und vorsichtig werden lässt, denn so ein Denken passt nicht zu dem Druck, alle drei Monate irgendwelche lustigen Zahlen gegenüber meinen Vorgesetzten zu rechtfertigen. Aber wenn irgendwann genügend Käufer lieber abwarten, bis es zu einem Spiel alle DLC-Packages gesammelt, "en bloc" zusammen mit dem Spiel gibt und erst DANN zu einem natürlich sehr viel geringeren Preis zuschlagen ... ich weiß nicht, ob das so im Sinne der Verantworlichen sein kann.

Aber mich fragt ja zum Glück auch keiner. Und wenn, Long-Tail und das Denken in zeitlichen Rahmen größer als das jeweilige Geschäftsjahr, sind weder in dieser, noch in einer anderen Branche "en vogue". Man würde mich nur auslachen und genauso weitermachen wie bisher. "Denn bisher ist doch alles gutgegangen, nicht wahr?", sagt sich der bedauernswerte Tropf, während er, nachdem er vom Dach des Hochhauses gesprungen ist, gerade am 10. Stockwerk vorbeifliegt ...