Warum nur, warum?
Seit einer Weile heule ich Euch die Ohren voll, wie bedauernswert traurig doch der Zustand des Ego-Shootergenres sei. Entweder langweilen mich fade, ausgelutsche Szenarios oder mir rauben diverse Konsolenfeatures wie Savepoints noch den letzten Verstand. Niemand scheint mehr kreativ sein zu dürfen. Ein jeder scheint nur noch dem aktuellen Trend hinterherzuhecheln, weil man möglichst massenkompatibel sein möchte, um den Investoren das theoretische Umsatzmaximum zu ermöglichen. Wie sowas (in der Regel) ganz gewaltig nach hinten losgeht, kann man zu meinem ganz besonderen Leidwesen an "Wolfenstein" sehen, bei dem ein Klassiker des Genres, nein, DER Klassiker, der GRÜNDER des Genres auf dem Altar der Profitmaximierung grausamst geschlachtet wurde. Pfui, bläch, juck!
Alle Hoffnung scheint verloren zu sein, wenn es für Shooter-Fans meines Geschmacks in absehbarer Zeit nur ein simples HD-Remake von Serious Sam und das derzeit bei unseren südlichen Nachbarn entstehende "Painkiller: Resurrection" zu geben scheint.
Alle Hoffnung? Nein, denn im fernen US-Bundesstaat Iowa werkelt man an "Darkest of Days", einem Shooter, der NICHT während des 2.Weltkriegs spielt, der einen klassischen SF-Hintergrund hat, der wilde Zeitsprünge durch etliche kriegerische Epochen der Menschheit ermöglicht, der nach ersten Screenshots gar nicht mal so übel aussieht ... und für den es nun eine spielbare Demo gibt.
Prompt gezogen, angespielt und so angenehm überrascht sein, dass es mir fast das Herz zerreisst, weil auch dieses Spiel Savepoints und Autoheal hat. Warum nur, warum? Gott im Shooter-Himmel, warum tust Du mir das an? "Darkest of Days" sieht sehr gut und (was mir deutlich wichtiger ist) sehr atmosphärisch aus. Die Demo umfasst minutenlange Gefechte im US-Bürgerkrieg, namentlich Antietam.
Ich als kleiner Historien-Aficionado erfreue mich an der Farbgebung, die an zeitgenössische Ölgemälde erinnert ...
Szenen aus dem Ingame-Benchmark
... an vielen kleinen Details und an dem Umstand, dass man nicht nur mit modernsten Schnellfeuerwaffen den an diesem Tag eh schon hohen Blutzoll nochmals kräftig erhöht, sondern dass man auch Hand an zeitgenössische Flinten legen kann. Inklusive langsamem, manuellen Nachladen mit Geschicklichkeitseinlage, um zu vermeiden, dass der Ladestock nicht verkanntet, das Pulversäckchen nicht verrutscht usw. usf. Hört sich auf dem Papier zwar schrecklich an, im Spiel muss man während der Ladeanimation aber nur im richtigen Moment die Maustaste betätigen, während sich ein Cursor im "grünen" Bereich befindet. Scheitert man, dauert das Nachladen erheblich länger (verzweifeltes Animationsgefummel an Lauf und Schloss), während der Gegner einen Volley nach dem anderen gen Nordstaatentruppen schickt.
Wie gesagt, die Atmosphäre ist phantastisch. Man steckt mittendrin in kopfhohen Maisfeldern, überall pfeifen Musketenkugeln durch die Luft und getreu der damaligen Strategie läuft man schnurstracks und ungedeckt in der Masse der eigenen Schützenlinie auf den Gegner zu (perfiderweise greift hier ein Skript ein und man hat gar keine andere Wahl als den Befehlen der Offiziere zu folgen), darauf vertrauend, dass die Flinten der Gegenseite mindestens ebenso schlecht treffen wie die eigene Waffe, während man dauernd nur "Mami" flüstert und am liebsten ganz woanders wäre.
Wenn nicht ... ja, wenn dieses Spiel nur nicht an der üblichen Feature-Konsolitis leiden würde. Gut, Autoheal könnte ich noch verkraften, da es die oben gelobte Atmosphäre doch massiv stören würde, wenn überall Medipacks herumliegen würden. Ob es einen storytechnischen Kunstgriff, ähnlich dem Nanosuit bei Crysis gibt oder ob sich Autoheal "einfach so" im Spiel befindet, ist an Hand der Demo nicht zu erkennen. Aber warum, WARUM IN GOTTES NAMEN kann ich denn schon wieder nicht frei speichern? Steht Quicksave, steht ein manuelles, eigenbestimmtes Speichern des Spielfortschrittes irgendwo unter Strafe? Himmelherrgottzack! Fuck, FUCK!!!
Was das eigentliche Spiel betrifft, so bin ich trotz so einiger Schönheitsfehler und Detailmängel Feuer und Flamme. Endlich eine gehörige Spur Kreativität, endlich mal Abwechslung und ein aktueller Shooter-Look, der nicht an Gears of War oder andere Unreal3-Engineableger erinnert. "Darkest of Days" könnte so ein herrliches Kleinod, der perfekte Geheimtipp sein, wenn nicht ... *grummel, brummel, bruddel*
Ich werde das fertige Spiel abwarten und es mir auf jeden Fall genauer unter die Lupe nehmen. Denn ich habe es im Urin, dass "Darkest of Days" einer jener seltenen Titel werden könnte, bei denen ich alle Zähne zusammenbeiße und trotz abplatzendem Zahnschmelz diverse Unzulänglichkeiten hinnehme, weil das Spiel als solches gut genug ist. Dennoch zum Schluss die Frage auch an den Entwickler 8monkey: Warum kann man in einen Egoshooter nicht zwei verschiedene Save-Interfaces einbauen, so dass jeder auf seine Kosten kommt? Freies Speichern für die Pussies und Weicheier, Savepoints für die ganz harten, richtigen Kerle. Hmm, warum nicht? Wieso?
Fuck you!