Mittwoch, 26. August 2009

Nicht mehr zeitgemäß

Es gibt nichts, was beim Studium von Computerspiel-Reviews meine Halsschlagadern mehr zum Pulsieren bringen als die Worte "Nicht mehr zeitgemäß". Vor allem, wenn sie vom Autoren einfach so in den Raum geworfen werden, ohne genauer zu beschreiben, WAS denn im Vergleich zu anderen Spielen nicht mehr "zeitgemäß" ist und warum andere Spiele im Vergleich zum getesteten Spiel "zeitgemäßer" sind.

Aktuell rollen sich mir beim Lesen der Golem-Review zu "Wolfenstein" die Fußnägel auf. Mehrfach!

Mir persönlich hat "Wolfenstein" aus den üblichen Savepoint/Autoheal-Gründen nicht sonderlich gefallen, aber was hier an arroganter Herablassung zur Graphik des Spieles gesagt wird, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, denn ich hatte Gelegenheit mir das Spiel auf leistungsfähiger Hardware und aktuellster Software-Umgebung anzuschauen. Mir haben hier vor allem die vielen kleinen Effektdetails gefallen, mit denen Querschläger, Laufspuren, Mündungsfeuer, qualmende Läufe, die Auswirkungen des Veil-Effektes oder Vollbildeffekte scharf (!) und ohne (!) die übliche Schmiererei eines Unreal-Engine-Spieles dargestellt werden. SO will ich das haben. Schicke Graphik, ohne dass mir mein Mittelohr einredet, ich müsse jetzt das Mittagessen widerkäuen.

Lange habe ich nicht gespielt, von daher kann ich nichts großartig zum Leveldesign des übrigen Spieles sagen, aber vielleicht findet der Autor Bahnhöfe und Strassenzüge der 40er nicht so sonderlich spannend? So wie ich bei FEAR fast eingeschlafen bin, als man mich SCHON WIEDER durch Containerhäfen, Lagerhallen und einfache Büroräume in faden Gewerbegebieten geschickt hat. Aber ich hätte die Graphik von FEAR niemals als "nicht mehr zeitgemäß" bezeichnet, sondern nur das langweilige Leveldesign angesprochen. Hmmm ...

Oder, vielleicht hat der Autor aus Unkenntnis der Materie technische Features, Art Concept und Leveldesign eines Spieles in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt, um daraus den Eintopf seines Mißfallens zu kochen? So wie unkundige Amateure oft genug diese drei Aspekte verwechseln und durcheinanderbringen, wenn sie von "schlechter Graphik" reden?

Oder ist der Autor höchstens 8 Jahre alt und kennt ausser den Shootern, die dieses Jahr erschienen sind, sonst nichts anders? Ergeht man sich bei Golem gar der unerlaubten Kinderarbeit?

Ich schaue am Ende des Textes nach einem Namen und finde das Kürzel PS. PS, das steht hier nicht für Post Scriptum, das steht für "Peter Steinlechner". Ok, jetzt wundert mich nichts mehr. Ich habe mich schon während seiner Tätigkeit bei der Gamestar desöfteren gefagt, was er im Vergleich zu mir denn bitte auf dem Bildschirm zu sehen glaubte. Nicht, dass ich der Meinung wäre, ich hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen, Gott bewahre. Andere Redakteure haben es aber hin und wieder geschafft ZU BEGRÜNDEN, warum sie dieser oder jener Meinung waren.

Nichtsdestotrotz ... "nicht mehr zeitgemäß" ist an Nicht-Mehr-Zeitgemäßigkeit nicht mehr zu überbieten. Ein schlampiger, überheblicher Satzfetzen für schlampige, überhebliche UND faule Redakteure. Kurz angespielt, den Pressetext zum Setting kurz umformuliert, die Featureliste zum MP-Mode abgeschrieben, ohne den MP-Mode auch nur zu berühren und den Rest mit vorgefertigten Satzbausteinen aufgefüllt. Super!

Bähh!

PS: ;-)
Ich finde "Wolfenstein" deswegen immer noch nicht gut. Aber den Vorwurf "veralteter" Graphik, den muss sich dieser Titel nun wahrlich nicht gefallen lassen.