Mittwoch, 12. August 2009

I want to be a pirate!

Leider, leider ist es mir Ende September nicht möglich, einen frisch gebrauten Voodoo-Cocktail gegen LeCherkel einzusetzen und die deutsche Karibik von der Bedrohung durch untote Politiker zu befreien. Zwar kann ich seit einem halben Jahr stolz von mir behaupten, nun auch ein Pirat zu sein, sehe ich mich aber weiterhin ausser Stande zB. Gebrauchtwagenhändler durch gewiefte Auswahl von Dialogzeilen zu überlisten. Meine Gouverneurin muss ich glücklichweise von nicht allzu vielen Flüchen befreien, aber ich vermute, sie mißversteht mich ein wenig, wenn ich ständig von einem "Schatz" fasele, der gefunden werden muss.

Wie ich es auch drehe und wende ... die Realität weigert sich zum wiederholten Male beharrlich meinen heimlichen Wünschen zu folgen. Folglich bleibt mir nichts anderes übrig, als mich vor den Bildschirm zu flüchten und dort meine Phantasien auszuleben. Hilfreich ist mir dabei Telltale, deren Ankündigung von "Tales of Monkey Island" mich selbst in ungespieltem Zustand mehr in Begeisterung versetzt hatten als die Vorstellung, Monkey Island 1 als Remake mit lediglich etwas hübscherer Graphik und einem verhunzten Interface zu spielen. Denn Monkey Island kenne ich in- und auswendig, ich kann die Rätsel im Schlaf lösen und die Dialogzeilen auswendig herunterbeten. Ein NEUES Adventure hingegen ... arrrr!



Ausgehend von dem Umstand, dass ich in Form der beiden Sam&Max-Seasons schon eine helle Freude mit alten LucasArts-Adventure-Helden hatte, denen man bei Telltale neues Leben eingeflößtet, hatte ich Mitte Juli in blindem Gottvertrauen zugeschlagen und eine Pre-Order für die ganze Season von "Tales of Monkey Island" abgesetzt, anstatt abzuwarten, bis die erste Episode für umme im Netz erhältlich ist.

Und? Taugt's was? Reuen mich die 30 Euro? Möchte mir jemand die ganze Season abkauf ... hach nee, geht ja nicht. Blöder Digital Download!



Um es kurz zu machen: nicht perfekt, alles andere als fehlerfrei, aber spassig, unterhaltsam und mir auf jeden Fall die Ausgabe wert! "Tales of Monkey Island" bietet dem MI-Fan und dem geneigten Adventure-Spieler genau das, was der MI-Fan und geneigte Adventure-Spieler erwarten kann. Piraten, Karibik, feine Dialoge, feine Rätsel und eine neue Bedrohung für Elaine, Guybrush's Liebe des Lebens, die nicht perfider und hinterhältiger sein könnte.



Doch bevor der eine oder andere ebenso blind die Kreditkarte zückt oder die Paypal-Daten herauskramt, möchte ich genauer auf die Dinge eingehen, die mir weniger gefallen haben, die mich zT. deutlich gestört haben:

- Interface:
Wenn man sich schon dafür entscheidet ein einziges Interface für alle Plattformen zu entwerfen, auf denen ToMI erscheinen soll, dann sollte man wenigstens konsequent sein und es so machen, wie man es in fast allen Multiplattform-Titeln vorfindet. Man baut das Spiel für den niedrigsten, gemeinsamten Nenner, was hier bedeutet, man entwirft das Interface konsequent für die Benutzung eines Kontrollers oder der Tastatur. Man verzichtet auf eine halbherzige Mausuntersützung, die PC-Spieler nur mit der Vorstellung quält, wie toll man das Spiel bedienen könnte, wenn der Entwickler sich die Mühe gegeben hätte, eine richtige (!) Mausunterstützung einzubauen. Ja, man kann die Maus einsetzen. Man sollte es aber nicht, möchte man Schreikrämpfe verhindern, weil jeder Versuch Guybrush durch die Landschaft zu bewegen, zu wilden Kreiselbewegungen um die eigene Achse führt, bis man im wahrsten Sinne des Wortes, "den Dreh" raus hat. Auch sollte man sich nicht daran stören, dass die Figur beim Bewegen ständig an Level- und Laufpfadbegrenzungen entlangschrammt, weil mit der implementierten Maussteuerung keine präzise Bewegung möglich ist. Rest in peace, Point & Klick! Als PC-Spieler daher die Maus bitte ignorieren und nur die Tastatur verwenden. Ehrlich, vertraut mir!

- Graphik:
Nein, ich gehöre nicht zu den Leuten, denen schlecht wird, wenn sie Spielgraphik anschauen müssen, die mehr als ein halbes Jahr alt ist und nicht mit den neuesten Shader-Tricks aufwarten kann. Mir genügt der solide Graphikstandard, den Telltale seit Jahren verwenden. Das sieht anständig aus und läuft, ohne dass ich mich mit Beta-Treibern für die Graphikkarte herumschlagen muss, um spielbare Frameraten zu bekommen. Phantastische Graphiken in einem Adventure erwarte ich eigentlich nur von Myst-Klonen, damit ich wenigstens einen Grund habe, mich mit dieser Art Spiel zu beschäftigen. Nein, was mich hier stört, das ist nicht die Graphik als solche. Es ist eher die Politur, der "Finish", den man bei Telltale scheinbar auf Grund von Arbeitsüberlastung (zeitgleich zur Produktion der ersten Epsiode von ToMI wurde noch fleissig an den Wallace&Gromit-Spielen gewerkelt) dem Spiel nicht so angedeihen lassen konnte, wie man sich dies vielleicht gewünscht hat. "Launch of the Screaming Narwhal" spielt sich zwar prächtig und lustig und unterhaltsam und überhaupt kann und will ich gegen das Spiel (!) als solches nichts Nachteiliges sagen. Weil es da IMHO nichts zu meckern gibt. Aber es geht mir auf den Sack, wenn an etlichen Ecken und Enden die Levelgeometrie "Risse" und "Spalten" aufweist, weil entweder die Texturen nicht ordentlich platziert wurden oder man diverse Meshes nicht geschlossen hat. Es zerstört die Spielatmosphäre ganz erheblich, wenn man Charakteren in Nahaufnahmen und Dialogszenen deutlichst die Animationseinzelteile ansieht, mit denen Gesichts- und Mundbewegungen dargestellt werden sollen. Da klafft zwischen diesen Teilen ein jeweils pixelbreiter Spalt. Was schrecklich aussieht. Wirklich schrecklich! Überdeutlich zB. bei der Voodoo-Lady zu sehen. Und zwar umso deutlicher, je höher die Bildauflösung beträgt. Ich spiele mit 1680x1050, wenn ich schon einen 16:10-Bildschirm habe. Ich muss auf 1024x768 oder niedriger herunterfahren, damit man all diese Spalten und pixelweiten Abstände nicht so deutlich sieht. Was die Vermutung nahelegt, dass die Engine nicht sauber skaliert und bei höheren Auflösungen die Levelgeometrie auseinanderzieht, bzw. die Texturen dann nicht mehr sauber platziert werden. Kein Biggie, es lässt sich ignorieren. Solche kosmetischen Bugs sind aber peinlich und in manchen Momenten der Spielatmospähre doch sehr abträglich.

Aber abgesehen von diesen zwei Punkten ... gehet hin und spielet!