Mittwoch, 3. Dezember 2008

Non-Gaming Interludium XXIV - Mad Men

Die TV-Landschaft ist, wie bereits mehrfach erwähnt, gigantisch groß. Ich komme mir dabei oft genug vor wie ein Abenteurer, Kauffahrer und ein kirchlich lizensierter Landräuber, der zum ersten Mal den Boden eines neuen Kontinents betritt, nicht wissend, wie enorm groß dieser Kontinent wirklich ist, aber genau wissend, dass man irgendwann all das Gold finden wird, welches dort vergraben und versteckt ist. Denn irgendwo da draussen, da warten sie, die legendären Sieben Städte aus Gold, der Jungbrunnen.

Auf dem Weg zu diesem Ziel findet man aber jede Menge Katzengold und leere Ruinen, man bekommt Malaria und die Wilden dezimieren nach und nach die eigene Truppe, man beginnt die Hoffnung zu verlieren. Denn die letzten Folgen von "Battlestar Galactica" werden erst in ca. zwei Monaten ausgestrahlt. "Heroes" ist zwar immer noch sehr gute TV-Unterhaltung, hat aber in der Zwangspause durch den Streik der Writers Guild den Weg verloren. Die aktuellen Folgen lassen mich kalt, es werden "Ich bin Dein Vater" "NEIIIIN!"-Momente zu oft zelebriert und der kleine Storytwist, in dem aus Helden Bösewichte werden und vice versa, bleibt in den Ansätzen stecken, wird nicht konsequent umgesetzt. Heroes gleitet ein wenig in das Operettenhafte, fast schon Lächerliche ab, der Zauber der ersten beiden Seasons ist definitiv weg, die innere Logik der Serie wird zum Wohle des Thrills und billigen Gags kurzerhand entsorgt. "Fringe" hält zwar immer noch ein recht hohes Produktionsniveau, doch ohne John Noble als Albert Einstein/Dr. Frankenstein/Timothy Leary-Verschnitt mit herben psychosomatischen Störungen wäre diese Serie nur halb so unterhaltsam.

Daher betrachte ich "Mad Men" als einen Jackpot. Als das rettende Glitzern am Horizont, wenn die Strahlen der untergehenden Sonne die oberste Spitze einer goldenen Pyramide weithin leuchten lassen, während man mit letzter Kraft aus dem Dschungel in die plötzlich sich vor einem öffnende Lichtung robbt.



Vielleicht erstrahlt "Mad Men" auch so hell, weil es eben keine dieser typischen Nerd-Serien wie zB. Heroes, Terminator Chronicles oder Lost ist. Denn hier gibt es keine Aliens, keine Zeitreisen, keine Spezialeffekte, keine mysteriösen Verschwörungen oder FBI-Agenten. Hier gibt es nur den Arbeitsalltag einer Werbeagentur in New York zu Beginn der 60er des letzten Jahrhunderts. Vollkommen unspektakulär. Und es gibt auch keine Schenkelklopf-Gags. Und auch keine hysterischen Storyverwicklungen. Kein jacklemmonesker "The Appartment"-Verschnitt. Nur die vollkommen langweilige Realität des Lebens in New York zu Beginn der 60er des letzten Jahrhunderts in einer Werbeagentur. Es gibt auch keine Helden. Oder Bösewichter. Nur Menschen, die zu dieser Zeit ihr Leben leben. Wie es damals üblich war. Oder eben unüblich, denn diese Zeit war auch eine Phase großer gesellschaftlicher Umwälzungen, Hoffnungen und Enttäuschungen.

Die Schauspieler sind hervorragend. Die Charaktere wirken glaubwürdig in ihrer Einführung, Präsentation und Entwicklung. Handlung und Dialoge sind überzeugend. Und das Production Design sendet diverse kalte Erinnerungsschauer den Rücken hinab, denn diese Serie atmet diese Epoche aus jeder Pore. Auch wenn ich als Jahrgang 66 eher ein Kind der 70er bin, so bin ich dennoch stark vom Stil und Duktus der 60er geprägt worden. "Mad Men" tut nicht nur so, als ob in dieser Zeit spielt, diese Serie findet tatsächlich in dieser Zeit statt. Ich kann mich mit der Optik dieser Serie identifizieren. Ich kann die Motive und Handlungen der Charaktere nachvollziehen. Ich verschlinge diese Serie geradezu. Mit ein Grund, warum ich in den letzten Wochen kaum noch etwas spiele.



Und für diejenigen, denen dieses ganze Lebensweisheits-Altersackgehabe-Ehedramen-Beziehungsgedönse-Berufsleben-Zeitgeistgequatsche auf den Senkel geht, gibt es mit January Jones und Christina Hendricks (Nerdfact: bekannt aus Firefly) auch rein äusserlich so einiges an Schauwerten.

"Mad Men"! All die Emmys und Golden Globes für diese Serie sind eigentlich keine besondere Auszeichnung, sondern nur eine folgerichtige Notwendigkeit.