Mittwoch, 8. April 2009

Weniger aufregen, mehr geniessen!

Ein Beitrag aus der Reihe "Spielspass durch Gelassenheit"

Das Bedürfnis nach Bleifuss und nicht-vorbildlichem Verkehrsverhalten ist groß. Sehr groß!

Zwar habe ich in den Untiefen des, jedwede modernen, ergonomischen Erkenntnisse leugnenden Interfaces eines Burnout Paradise doch tatsächlich die Möglichkeit gefunden, ein Rennen direkt wiederholen zu können, nachdem man es beendet hat, doch zieht es mich dennoch woanders hin. Es zieht mich nach nur kurzem Überlegen hin zu Need for Speed Most Wanted, welches ich zum damaligen Releasezeitpunkt frustriert und angenervt in die Ecke gepfeffert hatte, weil mir die extrem besch... Gummi-KI, das unausgewogene Balancing und die penetranten Polizeiverfolgungsjagden so ziemlich jeden potentiellen Spielspass verdorben hatten.



Nun teilt mir mein Bauchgefühl jedoch mit, dass es endlich Zeit ist, mich Most Wanted genüßlich zu widmen. Und so wie ich zB. bei einem "X-Men Legends 2: Rise of Apocalypse" auch mehrere Anläufe benötigte, um die, ehrlich gesagt, immer noch gräßliche Steuerung zu akzeptieren, so bin ich nun soweit "Most Wanted" mit all seinen Fehlern und Designkatastrophen zu akzeptieren, sie für mich zu nutzen und mich einfach an der wunderschönen Optik zu erfreuen.



Die KD ist immer noch extrem dumm, der Schwierigkeitsgrad von Rennen zu Rennen zT. extrem stark schwankend und unausgegoren, die Verfolgungsjagden mit der Polizei machen eben auf Grund dieser Gummi-KI immer noch keinen Spass, doch ich kann meine Augen nicht vom Bildschirm nehmen ... war ein NfS Porsche der mit Abstand schönste Racer der Jahrtausendwende, so bietet ein Most Wanted heute zT. weitaus schönere Anblicke als zB. ein Burnout Paradise, welches mir bisweilen ein wenig steril und zu geleckt daherkommt.



Wenn man den Highway entlang rauscht, der herbstlich eingefärbte Wald rechts und links vorbeiwischt, ein kurzer Wolkenbruch die Strecke glänzend einnäßt und dicke, graue Wolken das spätsommerliche Nachmittagslicht verdunkeln, dann ist das einfach nur wunderschön anzusehen, da sich das bei Most Wanted verwendte Art Design wohltuend von den, in diesem Genre üblichen ultracoolen Neonnächten abhebt. Man hat zT. das Gefühl, an der nächsten Kurve nur rechts abbiegen zu müssen, um spontan den Eltern einen Besuch abzustatten, weil das die Gegend ist, in der man vor vielen Jahren aufgewachsen ist. Weniger Großstadt, mehr Kleinstadt. Weniger mondäne Stadtzentren, mehr biedere und "stinknormale" Vororte, deren Friedhofsruhe man, statt mit den damaligen Knattermofas, nun mit PS- und lautstarken Blechboliden stören kann.



Meine persönliche Ruhe gewinne ich jedoch durch Überlisten der strunzdummen Most Wanted-KD, die stupide mitskaliert, so dass ein Verzicht auf Performance-Upgrades das gegnerische Fahrverhalten auf dem Niveau der ersten Handvoll Rennen einfriert. Sogar BlackLadder-Rennen, die mich seinerzeit in den Wahnsinn getrieben hatten, weil ich den Fehler gemacht hatte, mein Fahrzeug doch tatsächlich schneller machen zu wollen, lassen sich nun relativ entspannt gewinnen. Und hat man zudem durchschaut, zu welchem Zeitpunkt die KD die gegnerischen Fahrzeuge entweder raketengleich nach vorne beschleunigt oder spontan auf offener Strecke ungehindert (!) bremsen (!) lässt (so pathetisch, lächerlich und peinlich mitanzusehen), ist nahezu jedes Rennen auf der linken Arschbacke zu gewinnen.



Damals, zum Release, hatte mich diese armselige Zurschaustellung billigster KD-Algorithmen massiv verärgert. Ich kam mir einfach nur noch verarscht vor, weil der Rennerfolg überhaupt nichts mit meinem fahrerischen Können zu tun hatte, sondern größtenteils nur vom Ausnutzen eklatanter Gameplay-Schwächen abhängig gemacht werden konnte.

Die Bullen bedrängen Dich zu sehr? Kein Problem, fahr einfach schlecht. Fahr so schlecht wie Du nur kannst, gerade noch gut genug, um keine Festnahme zu riskieren, damit man die Gummi-KI überzeugt, die lästigen Polizeifahrzeuge sofort in den nächsten Gegenverkehr oder Hausecke zu lenken. Bemühe Dich gar nicht darum, die Polizei durch besseres, geschickteres Fahren abhängen zu wollen, da die Fahrzeige sich Deinem Fahrverhalten direkt anpassen. Je besser Du fährst, desto besser fahren sie. Je schlechter Du fährst, desto größer sind die Chancen, dass sich, wie weiland bei den Blues Brothers, hinter Dir große Blechberge auftürmen und die Polizei mangels einsatzfähiger Fahrzeuge die Verfolgung abbricht.



Dieses besch..., miese und kontraproduktive Gamedesign fand ich damals (und auch heute) nur noch beleidigend. Ich will Rennen gewinnen, weil ich der schnellste Fahrer im Feld bin und nicht, weil ich die fehlerhaften Spielmechanismen zu meinen Gunsten ausnutze, quasi mit Segen der Entwickler offiziell cheate.

Heute jedoch kratzt mich das nicht mehr so sehr, ich kann darüber mittlerweile lachen, rase (oder schleiche, je nach Bedarf) entspannt durch das hübsche Städchen Rockport, bescheisse mich die Rangliste stetig nach oben und erfreue mich an der, dank Resolution-Hack, wunderschönen Breitleinwand-Optik und dem immer noch schönsten Arcade-Racer der letzten Jahre.



Zumindest so lange, bis ich mich sattgesehen habe und bei "richtigen" Rennspielen wie zB. Flatout, wieder auf ehrliche Weise den Siegeslorbeer erringen möchte.